Zahlenspielereien

In Baden-Württemberg sind am 27. März 2011 Landtagswahlen. Ich glaube ich habe das hier das ein oder andere Mal erwähnt 🙂

Die Umfragen, die man zu sehen bekommt (schön zusammengefasst bei wahlrecht.de), blenden die Nichtwähler ebenso aus, wie sie in den Diagrammen, die man am Wahlabend im Fernsehen sehen kann, fehlen.

Da die Nichtwähler meines Erachtens aber durchaus entscheidend sein können, habe ich mir erlaubt, die Ergebnisse der letzten 5 überregionalen Wahlen in Baden-Württemberg unter Berücksichtigung der Nichtwähler zusammenzustellen. Das ergibt dann folgendes Bild:

wahlergebnis-baden-wuerttemberg

(Wahlergebnisse in Baden-Württemberg)

welches auf folgenden Zahlen beruht:

EP 04 BTW 05 LTW 06 EP 09 BTW 09
Nichtwähler 48,8% 22,7% 47,3% 50,0% 27,6%
CDU 24,2% 30,3% 23,3% 19,4% 24,6%
SPD 10,0% 23,3% 13,3% 9,0% 13,8%
FDP 3,5% 9,2% 5,6% 7,0% 13,4%
Grüne 7,4% 8,3% 6,2% 7,5% 9,9%
Linke 0,6% 2,9% 1,6% 1,5% 5,1%
Sonstige 5,5% 3,3% 2,8% 5,6% 5,7%

Wenn man sich die nackten Zahlen ansieht, dann bleibt wenig übrig von

Wir sind die einzige verbliebene Volkspartei.

Peter Hauk, Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag

Die einzige Partei, die sich in den letzten 25 Jahren von Wahl zu Wahl (bezogen auf die jeweiligen Parlamente) verbessert hat und 4 der letzten 5 Wahlen in Baden-Württemberg souverän gewonnen hat, ist die Partei der Nichtwähler.

In der Wahlbeteiligung gibt es große Unterschiede. Während bei Bundestagswahlen noch 3 von 4 Wahlberechtigten wählen, scheinen Wahlen zum Europa-Parlament und zum baden-württembergischen Landtag keinen so großen Stellenwert zu haben und locken nur noch 2 von 4 Wahlberechtigten an die Wahlurne. Das haben sie mit OB-Wahlen gemeinsam, wo auch oft nur die Hälfte der Wahlberechtigten an die Urne geht (Ravensburg 50,7%; Freiburg 45,2%; Böblingen 41,9%; Biberach 40,9%).

Wahlen werden zunehmend nicht mehr dadurch gewonnen, dass man Wähler des „gegnerischen Lagers“ überzeugt, bei dieser Wahl das Kreuz bei der eigenen Partei zu machen, sondern dadurch, dass man die eigenen Sympathisanten überzeugt, überhaupt wählen zu gehen.

Ein Vergleich zwischen der Europawahl im Juni 2009 und der Bundestagswahl im September 2009 zeigt die Steigerung der Wählerzahlen:

Partei
Erhöhung
der Wählerzahl
Stimmen 45%
CDU 27%
SPD 52%
FDP 90%
Grüne 32%
Linke 241%
Sonstige 2%

Natürlich gibt es mehrere Effekte, die eine direkte Vergleichbarkeit schwierig machen (z.B. die unterschiedliche Anzahl der abzugebenden Stimmen), aber wenn man es über mehrere Wahlen miteinander vergleicht, stellt man fest, dass die CDU unterdurchschnittlich von steigenden Wählerzahlen profitiert, aber auch unterdurchschnittlich unter sinkenden Wählerzahlen leidet.

Das hätte man natürlich auch rausfinden können, wenn man sich die Altersstruktur der CDU-Wähler anschaut. 44% aller CDU-Wählerinnen und Wähler waren über 60 Jahre alt. In dieser Altersgruppe herrscht in Bezug auf „Wählen ist Bürgerpflicht“ noch ein ganz anderes Selbstverständnis als in jüngeren Jahrgängen. [Aber dazu ein anderes Mal mehr].

Es geht ums Mobilisieren. Vor allem bei den kleinen Parteien, die maximal 22% ihrer Wählerschaft aus der Generation Ü60 gewinnen.

Wie bekomme ich bspw. als FDP die 13,8% der Wahlberechtigten, die am 27. September 2009 ihre Zweitstimme bei der FDP gemacht haben dazu, das auch eineinhalb Jahre später am 27. März 2011 bei der Landtagswahl zu tun (da natürlich nur eine Stimme).

Wenn die Grünen es schaffen, die 9,9% der Wahlberechtigten, die ihr bei der Bundestagswahl 2009 die Zweitstimme gegeben haben, auch bei der Landtagswahl 2011 zur Stimmabgabe zu motivieren, dann käme sie – wenn man die geringe Wahlbeteiligung bei Landtagswahlen mitberücksichtigt – vermutlich in den Bereich von 20%. Auch die Linke hätte bei der Landtagswahl 2011 ein zweistelliges Ergebnis wenn es ihr gelänge, ihre Wähler von der Bundestagswahl 2009 wieder an die Urne zu bringen.

Wahlentscheidend ist vermutlich nicht „habe ich ein gute Programm“, wahlentscheidend ist vermutlich auch nicht „kann ich mein gutes Programm vermitteln“. Wahlentscheidend ist „bekomme ich meine potenziellen Wähler dazu, auch bei einer scheinbar unwichtigen Wahl wählen zu gehen“.

Aufgrund des baden-württembergischen Landtagswahlrechts, das auf Landeslisten verzichtet, bietet dieses Mobilisierungsproblem allerdings Kandidaten jeder Partei (abseits der CDU) die reelle Chance, einen Platz im Landtag zu erreichen.

6 Gedanken zu „Zahlenspielereien“

  1. Für kleine Parteien ist eine niedrige Wahlbeteiligung gut. So lässt sich die 5%-Hürde besser nehmen.

    Am 23. Mai ist im Gasthaus Schloss in Meckenbeuren Aufstellungsversammlung für Wangen, Bodensee und Ravensburg.

    Klarmachen zum Ändern!

  2. @Markus (und PP-Spammer):
    Glückwunsch, Markus, Du bist jetzt auch bei den Pir. im Fokus (oder Lokus 😉
    Es scheint, dass der Hr. / Fr. PiratIn Deinen Artikel leider nicht gelesen hat und das demokratiethoretische und -praktische(!) Problem der seit mehr als 25 Jahren sinkenden Wahlbeteiligungen nicht erfasst hat.
    Aber so sind m. E. die PPler- kurzsichtig und eigenbrödlerisch („Hauptsache- Pirat!“).
    Ich hoffe bei den bei uns in Nds. im Herbst 2011 anstehenden Kommunalwahlen in meinem (auf ca. 25.000 EinwohnerInnen vergrößerten) Stadtbezirk auf etwas ganz Absonderliches- eine „Ampel“ ohne SPD 😉

  3. @nick: Das Problem habe ich durchaus erkannt, ich mach auch was dagegen.
    Spammen ist was anderes. Wir haben keine Hotelier-Millionen, Beteiligungen an Zeitungsverlagen oder jüdische Vermächtnisse um uns bekannt zu machen. Wenn es den Blogger stört, kann er es ja löschen. Ich schreie dann auch nicht „Zensur!!!!!!!!1einself“

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