Zur Bundespräsidentenwahl am 30. Juni

Wir sehen, dass zwar bei einer Dominanz der Freiheit Gerechtigkeit und Gleichheit nicht völlig in Gang gesetzt werden können. Aber würde man eines der anderen Elemente zum dominierenden Faktor machen, würde die Freiheit immer leiden. Aus diesem Grunde gibt es so etwas wie ein natürliches Schwergewicht in den freiheitlichen Gesellschaften bei dem Begriff Freiheit.

Ich freue mich, dass in unserem Land Menschen leben, die das begriffen haben. Es ist mir auch egal, ob sie in der Minderheit sind. Ich weiß, dass sie da sind und dass sie für diese Freiheit weiter eintreten werden.

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Wir wollen Menschen sein, die ermächtigt agieren können, so wie wir Ermächtigung erlernt haben 1989 in der friedlichen Revolution. Wir wissen, dass es zu dieser Ermächtigung mehr braucht, als sich nur zu erinnern, dass wir uns einmal befreit haben. Wir sind voller Sorge, in einer Gesellschaft zu landen, in der zwar kein Diktator Menschen ohnmächtig macht, aber Menschen sich von sich aus eigenständig entmächtigen. Sie gehen nicht mehr wählen, sie beteiligen sich an keiner Bürgerinitiative, sie wählen schon, aber nur Konsumgüter. Sie tauschen die Existenz als Citoyen ein in die Existenz als Konsument. Nichts gegen Konsum, aber nur Konsum, da möchte ich nicht landen. Es ist eine Art von Unfreiheit und Sklaverei, die völlig ohne Diktator auskommt, aber in gleicher oder ähnlicher Weise wirkmächtig ist. Ich sehe überall um uns herum diese freiwillige Ohnmacht, kein Diktator, wohl aber Menschen in Ketten, und einige dieser Ketten sind aus Gold.

Ich halte nichts von dieser Haltung, aber ich kenne ihren Gewinn. Der Gewinn dieser Ohnmacht heißt: Ich bin nicht zuständig, ich kann nichts dafür. Meine Damen und Herren, ich wünsche mir Mitbürgerinnen und Mitbürger, die lieber zehn Mal Unrecht haben und einen falschen Weg einschlagen, als solche, die immer nie an irgendetwas Schuld sind.

Joachim Gauck anlässlich der 3. Berliner Rede zur Freiheit am 21. April 2009

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