Wir können alles

So im 2. Semester Jura-Studium lernt man im Verfassungsrecht etwas über Verhältnismäßigkeit.

Man prüft unter anderem ab, ob eine Maßnahme

  • einen legitimen Zweck verfolgt
  • geeignet,
  • erforderlich und
  • angemessen ist.

Auch das baden-württembergische Polizeirecht kennt so was.

§ 5 PolG Art der Maßnahmen

(1) Kommen für die Wahrnehmung einer polizeilichen Aufgabe mehrere Maßnahmen in Betracht, so hat die Polizei die Maßnahme zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt.

(2) Durch eine polizeiliche Maßnahme darf kein Nachteil herbeigeführt werden, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht.

[..]

§ 52 Voraussetzungen und Durchführung des unmittelbaren Zwangs

(1) Unmittelbarer Zwang darf nur angewandt werden, wenn der polizeiliche Zweck auf andere Weise nicht erreichbar erscheint. Gegen Personen darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn der polizeiliche Zweck durch unmittelbaren Zwang gegen Sachen nicht erreichbar erscheint. Das angewandte Mittel muß nach Art und Maß dem Verhalten, dem Alter und dem Zustand des Betroffenen angemessen sein. Gegenüber einer Menschenansammlung darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn seine Anwendung gegen einzelne Teilnehmer der Menschenansammlung offensichtlich keinen Erfolg verspricht.

(2) Unmittelbarer Zwang ist, soweit es die Umstände zulassen, vor seiner Anwendung anzudrohen.

Ja, die Demonstranten haben sich ordnungswidrig verhalten und manche werden sich vermutlich auch strafbar gemacht haben1. Der legitime Zweck war am Donnerstag gegeben. Auch bei der Geeignetheit scheint sich kein grosses Problem zu ergeben, schliesslich wurde das gewünschte Ziel2 erreicht.

Das entbindet den jeweiligen Einsatzleiter der Polizei allerdings nicht davon, sich Gedanken über die anderen Punkte zu machen. Er ist nämlich in einer ungleich komfortableren Situation. Er hat in aller Regel mehr Erfahrung3, er hat das Gewaltmonopol4 und er ist viel besser geschützt als sein Gegenüber.

Was die Erforderlichkeit und die Angemessenheit angeht, habe ich arge Bedenken5, ob das alles nötig war.

Und weil mich das ganze immer noch irgendwie schockiert, sowohl die Aktionen der Polizei als auch die Reaktionen der Politik, muss ich das irgendwie verarbeiten. Und wie ginge das besser, als mich drüber lustig zu machen6

Wirkoennenalles

  1. das BVerfG ist da meiner Meinung nach ein wenig inkonsequent, wenn es um Nötigung und
    physische bzw. psychische Gewalt geht []
  2. Räumung des Schlossparks []
  3. der Einsatzleiter, nicht unbedingt jeder einzelne Polizeischüler, der zum ersten echten Einsatz kommt []
  4. wenn ein Polizist gestern einen Demonstranten gehauen hat war das unmittelbarer Zwang durch einfache körperliche Gewalt, wenn ein Demonstrant einen Polizist gehauen hat, war das Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und (versuchte) Körperverletzung []
  5. aber ich bin ja (noch) kein Jurist, von daher kann man das vermutlich auch völlig anders sehen []
  6. obwohl es überhaupt nicht lustig ist, aber irgendwo habe ich mal gelesen, dass Humor helfen soll []

Ein Gedanke zu „Wir können alles“

  1. @Markus:
    auch als nicht ganz „fertiger“ (doppeldeutig?) Jurist kannst Du natürlich eine Meinung haben- der Durchschnitt wird das aber nicht so ernst nehmen- auch wenn die Unverhältnismäßigkeit sowohl des Einsatzes in der Praxis als auch womöglich des dahinter stehenden Einsatzkonzeptes (falls es solch eines gegeben haben sollte) „evident“ ist.
    Schön, dass wir in Sachen „Bürgerrechte“ ähnlich „gestrickt“ sind. Vielleicht macht ihr ja ’ne Ampel (nur ohne* SPD) im Frühjahr 2011?
    *die SPD ist an Doppelzüngigkeit in Sachen S21 mal wieder nicht zu überbieten- jahrelang das Pojekt mit durchpeitschen und dann- schwupps- plötzlich dagegen sein, tsts.

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