Alternative Realitäten #JMStV

Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag scheitert vermutlich an einer mangelnden Zustimmung des nordrhein-westfälischen Landtags.

Wenn man momentan durchs Netz klickt, was denn so als Grund angeführt wird, dann kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, die Leute sollten entweder die Pillen, die sie einnehmen mal absetzen, bzw. wenn sie bisher noch keine genommen haben, sollten sie sich vertrauensvoll an einen Arzt wenden, um welche zu bekommen.

Der Focus titelt:

Staatsvertrag scheitert am Widerstand im Netz

Bei netzpolitik.org ist zu lesen:

Daran hat die “Netzcommunity” in den letzten Wochen aktiv gearbeitet. Das zeigt zwei Dinge: Politik ist vielleicht doch nicht ganz so beratungsresistent wie befürchtet. Und: die Netizens haben eine gewisse Schlagkraft bewiesen.

Alvar Freude twittert:

Danke auch an alle Unterstützer! – Das zeigt: Wir können was erreichen! Die Arbeit hat sich gelohnt!

Ich gönne Euch ja die Freude. Meines Erachtens ist sie aber erstens verfrüht (einfach mal Statements von Herrn Krautscheid lesen) und zweitens fehl am Platze.

Der JMStV hat nur deshalb die Hürde des nordrhein-westfälischen Landtags nicht genommen, weil dort besondere Machtverhältnisse herrschen.

Hätte statt Herrn Rüttgers Frau Kraft den Vertrag unterschrieben (weil sie sich gleich nach der Wahl zur Ministerpräsidentin hätte wählen lassen, statt ein bisschen auf Zeit zu spielen), wäre der JMStV jetzt durch. Hätte es letzten Mai in NRW zu einer schwarzgelben Koalition gereicht, wäre der Vertrag jetzt durch.

Der JMStV gilt bundesweit, es gibt bei diesem Staatsvertrag wirklich keine regionalen Unterschiede. Die Argumente der Befürworter und der Gegner stimmen entweder bundesweit, oder sie sind bundesweit falsch.

  • 15 Regierungskoalitionen, in denen CDU, CSU, SPD, FDP, Grüne und Linke sitzen, haben dem JMStV zugestimmt.
  • 15 Oppositionen, in denen CDU, SPD, FDP, Grüne und Linke sitzen, haben den JMStV abgelehnt.

Sonnt Euch ruhig in der Gewissheit, dass die Politik jetzt endlich auf euch hört, es wird nicht lange dauern.

Die Netzgemeinde (die so heterogen ist wie jede Gemeinde in der Realität) ist nicht relevant bei politischen Entscheidungen. Wir können uns gegenseitig auf die Schulter klopfen, bei Facebook 300’000 Fans für irgendein Anliegen sammeln, in „Wahlprognosen“ im Netz mögen die Piraten auf 30% kommen, am Ende in der Wahlkabine sind es dann 1-2% und nur dort wird gezählt.

Schaut Euch die netzaffinen Landtagsabgeordneten an, die es mittlerweile gibt und schaut Euch an, wie sie abgestimmt haben, wenn sie in der Regierungskoalition sassen. Opposition ist nett, aber fürs Ergebnis irrelevant, diese Gegenstimmen zählen nicht.

Wenn ich die weglasse, die gekniffen haben (bzw. krank waren oder anderweitig verhindert), dann komme ich auf eine Quote von 0,0% Ablehnung. Stimmt, ihr seid mächtig und Euer Name ist Legion.

[Corrigendum]

Nachdem ihre Kollegen im nordrhein-westfälischen Landtag den JMStV platzen lassen, stimmen die Parlamentarier in Schleswig-Holstein gar nicht mehr darüber ab. Es sind also nur 14 Landtage.

[/Corrigendum]

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