IV. Akt, 2. Szene

Vor kurzem hat jemand die scherzhafte Frage gestellt, warum Vogelscheuchen eigentlich fast immer männlich sind. Die Frage kam natürlich von einer Frau und sie hat weder ernsthafte Antworten erwartet, noch welche bekommen.

Vermutlich hätte sie mit der Antwort „Eine weibliche Vogelscheuche ist in der Herstellung aufwändiger und ihre Sexualdimorphismen sind den von ihr abzuschreckenden Vögeln genauso egal wie ihre Existenz im Allgemeinen“ auch gar nichts anfangen können.
Das ist hier natürlich anders, weswegen ich mich jetzt mal an einer ausführlicheren Antwort mit Abstechern in die hobbypsychologischen Abgründe der unterschiedlichen Körperwahrnehmung von Frauen und Männern im Allgemeinen und meiner im Speziellen versuche.

Mein Umfeld ist vermutlich nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung, sonst hätte „Bauer sucht Frau“ und „Schwiegertochter gesucht“ nicht so hohe Einschaltquoten, aber ich meine doch auch in meiner Bekanntschaft Tendenzen erkennen zu können, die allgemeinverbindlich sein dürften.

Männer haben in aller Regel ein relativ entspanntes Verhältnis zu ihrem Körper, Frauen in ihrer eher nicht. Diesen Satz ruhig noch mal lesen, ich habe auch gebraucht um ihn zu verstehen, dabei ist er von mir. Das endet dann auch nicht an den Körpergrenzen, weshalb bei durchschnittlichen Versandkatalogen die Aufteilung Frauenklamotten – die diese selbst allerdings nie als Klamotten bezeichnen würden – und Männerklamotten relativ konstant bei ungefähr 3:1 liegt. Männer brauchen auch nicht mehr. Wenn eine Hose passt, dann kaufen wir sie 3x, statt nach anderen Ausschau zu halten, die wir dann doch wieder nur anprobieren müssten und die im Endeffekt ja doch den gleichen Zweck erfüllen: Die Verhinderung von vorläufigen Festnahmen wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses, das Warmhalten im Winter und die Unterbringung von Kleinkram, den man ansonsten umständlich in der Hand halten müsste. Bevor ich jetzt völlig abschweife, in dem ich noch auf völlig unnötige Accessoires eingehe, bei denen ich erst mal schauen musste, ob ich sie richtig schreibe nur um dann festzustellen, dass sie richtigerweise mit nebensächlich übersetzt werden, komme ich zum Thema zurück.

Männer und Frauen und ihr Verhältnis zum eigenen Körper. Ich will jetzt nicht auf die ganzen Klischees diesbezüglich eingehen, wobei sie ja häufig schon stimmen. Irgendwas hat ein Klischee ja schließlich zum Klischee gemacht.

Vielleicht ein wohlmeinender Hinweis an alle, die das während des Essens lesen und eine blühende Phantasie haben: Erst nach Beendigung des Essens weiterlesen. Lassen wir die allgemeine Betrachtung mal hinter uns und wenden uns einem uninteressanteren Thema zu: Mir. Je besser ich aussehe, umso so unzufriedener bin ich. Da steht ein Komparativ, kein Positiv, ich gehe also nicht davon aus, gut auszusehen. Wenn ich das auf einer halblogarithmischen Achse von 0,01 bis 100 aufzeichnen würde, wobei 0,01 ich vor einem Jahr und 100 die Region von Brad Pitt und George Clooney ist, habe ich erst die Hälfte des Wegs hinter mir. Ein weiterer positiver Aspekt wenn man Mathematik beherrscht, ist, dass man sich die Achsen passend definieren kann, um deren freundliche Beachtung ich auch bitte, bevor jetzt jemand glaubt, ich würde mich momentan bei knapp unter 50 einstufen. Wo wir gerade bei Komparativ sind: Vergleiche mit dem Komparativ werden mit „als“ gebildet, nicht mit „wie“. Der Satz „Ich bin klüger wie Du“ ist also sowohl grammatikalisch als auch inhaltlich immer falsch, während das „wie“ im Satz „ich kann schlechter Deutsch wie Du“ auf einer subtilen Ebene den Inhalt in perfekter Weise unterstreicht. Aber es geht hier ja nicht um Grammatik, auch wenn ich meinen Bildungsauftrag sehr ernst nehme und um Subtilität geht es schon zweimal nicht.

Ich bestreite nicht, dass ich eitel war und bin, allerdings hat sich das bisher eher auf meinen Kopf bezogen, als auf meinen Körper. Das ist mittlerweile ein wenig im Umbruch. Ich bilde mir zwar immer noch viel auf meine Intelligenz ein, aber so langsam kümmere ich mich auch ein wenig um mein Außenbild. Während es mir früher völlig egal war, ob ich gerade einem Ausstellungsplakat zum Thema „Die Presswurst, modern interpretiert“ entsprungen zu sein schien oder ob mich Leute fragten, wo denn der Zirkus auftritt, wenn ich ganz augenscheinlich sein Zelt anhabe, bin ich da in letzter Zeit ein wenig selbstkritischer und versuche sowohl das eine, als auch das andere zu vermeiden. Hilfreich ist, dass die ehemaligen Presswurt-Shirts mittlerweile passen, wobei, sie würden passen, wenn die nicht irgendein Idiot so ausgebeult hätte.

Zurück zum Thema Eitelkeit. Früher, als es diese elektronischen Seuchen noch nicht gab und man explizit einen Fotoapparat kaufen musste, die Bilder zum Entwickeln bringen und sie am Ende in ein verstaubtes Album einklebte, habe ich ziemlich wenig Bilder von mir gesehen. Seit ein paar Jahren sehe ich mich relativ häufig und relativ unvorteilhaft, was nicht nur mit den prinzipiell schlechteren Linsen von Smartphones zusammenhängt. Vielleicht mit ein Grund, warum ich in letzter Zeit durch den Wald laufe und den Kontext von Ritter Sport geändert habe. Das würde allerdings bedeuten, dass ich früher diesbezüglich schon eitel war, allerdings mit einem relativ hohen Toleranz- und Akzeptanzlevel. Wenn ich mir die Bilder anschaue, dann muss es allerdings ziemlich hoch gewesen sein und es scheint sich seltsamerweise zu verringern. Wahrscheinlich irgend so eine Prozentsache.

Ich beginne allerdings auch die Vorteile meines bisherigen Lebens zu entdecken. Ich kann körperlich noch aufbauen. Zwar von einem ganz niedrigen Niveau her, aber es kommt ja nie auf absolute Größen an. Ich könnte jetzt wieder den Hammer erwähnen, bei dem das nicht so ist, aber dummerweise habe ich mittlerweile vergessen, welche Geschichte dahintersteckt und ich will ja keine Erwartungen wecken, die ich hinterher nicht erfüllen kann. Gerade wo ich füllen schreibe, fällts mir wieder ein. Aber das ist ein anderes Thema. Wir waren bei Vorteilen. Vermutlich ist es wesentlich leichter, mit Mitte 40 mit dem trainieren anzufangen als versuchen zu wollen, die Endlichkeit jedweden Seins intellektuell zu erfassen, zu verarbeiten und zu akzeptieren. Mit letzterem habe ich zwar auch noch Probleme, aber ich kenne viele, die schon beim ersten Punkt aussteigen.

Ich versuche jetzt ein wenig an der Akteptanz zu arbeiten. Weil es allerdings dabei vorkommen könnte, dass ich hemmungslos zu schluchzen beginne, mach ich das lieber hinter dem
– Vorhang –

IV. Akt, 1. Szene

Während ich darauf warte, dass mich die Muse küsst, Kalliope nur für den Fall dass jemanden interessiert welche, kann ich ja schon mal anfangen, ein bisschen sauber zu machen. Das Erfüllen beziehungsweise Enttäuschen von Erwartungshaltungen steht hier schon ziemlich lange rum.
Ich glaube nicht, dass ich ein Widerspruchsgeist bin. Wenn ich Erwartungen mal nicht erfülle, dann vornehmlich, weil ich faul bin, wobei ich Faulheit für eine grundsätzlich positive Eigenschaft halte.

Ein fauler Mensch, der nicht wegen jedem Stück Abfall zur Deponie laufen wollte hat so tolle Sachen wie den Mülleimer in der Küche und die Mülltonne vor dem Haus erfunden. Einem faulen Menschen war es irgendwann zu blöd, immer dem Essen hinterherzurennen, weswegen er einen Zaun gebaut hat und das Essen an Ort und Stelle blieb. Faule Menschen sind effektiv und effizient, weil sie weder die falschen Dinge machen wollen – die richtigen müssten sie dann ja auch noch tun – noch die richtigen Dinge falsch, weil das in aller Regel viel länger dauert. Faule Menschen identifizieren und heben Verbesserungspotenzialschätze, die ein fleissiger gar nicht sieht. Aber es ging ja um Erwartungshaltungen.

Schon seit meiner frühen Jugend muss ich mir anhören, was ich alles aus mir machen könnte, wenn ich mich nur ein wenig anstrengte beziehungsweise anstrengen würde für die Menschen unter uns, die jeden Konjunktiv mit würde aber ohne Würde bilden, was nur noch von jenen übertroffen wird, die jeden Konjunktiv mit täte bilden, wofür sie ziemlich sicher auf ewig in der Grammatikhölle schmoren werden. Die Grammatikhölle liegt übrigens gleich neben der Interpunktionshölle, wir werden uns also leider wiedersehen.

Ich hatte damals keine Antwort darauf, was vermutlich der Hauptgrund dafür ist, dass ich es auch nie probiert habe. So in der Nachschau der ersten 41 Jahre habe ich immer noch keine. Um noch mal alle abzuholen, es ging darum, was ich alles aus meinem Leben machen könnte, wenn ich mich anstrengen täte.

Vielleicht wäre ich wohlhabender, aber eigentlich habe ich genug Geld, vielleicht hätte ich einen herausragenden Posten voller Verantwortung, aber dann müsste ich mich mit Mitarbeitern wie mir rumschlagen und dafür fehlt mir die Gelassenheit, vielleicht hätte ich ein paar mehr Freundinnen gehabt, was aber ziemlich sicher nicht das ist, was meinte Mutter damals meinte und ironischerweise auch das Teilgebiet meines Lebens, auf dem ich mich zumindest gefühlt am meisten angestrengt habe.

Ich hatte auch nie echte Ziele im Leben, auf die ich dann zielstrebig hingearbeitet habe. Ich bin mehr so das Blatt auf dem Fluß, dass die gegen den Strom schwimmenden Fische unter sich vorbeiziehen sieht, sich dabei oft vergegenwärtigend, dass wir irgendwann doch beide als Sediment im Festlandsockel landen. Der Fisch vielleicht noch über den Umweg Bärenmagen.

Nicht, dass das falsch rüberkommt, ich bewundere Menschen mit Zielen und ich finde es spannend sie bei ihrer Erreichung zu beobachten, es ist halt nur nichts für mich das mit den Zielen und dem konsequenten Handeln diesbezüglich. Wie bereits an der einen oder anderen Stelle geschrieben, schweife ich zu sehr ab und spätestens an der dritten Abzweigung stirbt das Ziel vor Gram und Verzweiflung. So ein Ziel will ja gepflegt werden.

Es gibt natürlich Dinge, die mir wichtig sind. Aber das sind alles keine Dinge, die sich in irgendeiner Art und Weise in fassbare Ziele formulieren lassen. Ich höre viel und intensiv Musik, ich unterhalte mich extrem gerne mit anderen Menschen über alles mögliche und ich möchte Dinge verstehen und zwar nicht nur oberflächlich, sondern richtig.

Viel wichtiger als Dinge sind mir aber Menschen. Meine Familie, meine Freunde und der Typ der sich verlaufen hat und mich nach dem Weg fragt. Menschen faszinieren mich viel mehr, als es zum Beispiel Technik, Geld oder exotische Urlaubsziele vermögen. Als ich vor 17 Jahren 2 Wochen alleine durch die norwegische Hardangervidda gewandert bin, habe ich zum ersten Mal wirklich gemerkt, dass ich nicht nur einsam doof finde, sondern auch allein.

Die amerikanische Familie, der ich dann auf der Busfahrt zurück nach Oslo ein Ohr abgequatscht habe, erinnert sich bestimmt heute noch an den crazy german labersack. Das letzte Wort ist übrigens deutsch, nur falls sich jemand wundert, dass er es nicht im Lexikon findet.

Vermutlich sind fehlende Ziele mit ein Grund, warum ich extrinsisch so schwer zu motivieren bin. Es gibt einfach nichts, was ich wirklich will und was andere mir ermöglichen oder verschaffen könnten. Während ich den letzten Satz geschrieben habe ist mir eingefallen, dass es doch genau 3 Dinge gibt, aber das gehört nicht hierher, ist teilweise personengebunden und mir fällt momentan auch nichts ein, was ich machen können sollte, dass man es mir als Motivationsschub anböte.

Für den Großteil gilt entsprechend des Sprichworts, dass man den Charakter eines Menschen am besten daran erkennt, wie er mit Leuten umgeht, die nichts für ihn tun können, dass sie meinen wahren Charakter jeden Tag im Umgang mit sich selbst sehen können.

Ah die Muse kommt, aber das klären wir lieber hinter dem

– Vorhang –

III. Akt, 4. Szene

Wenn man mich letzte Woche nach einer Gemeinsamkeit von einem gut gewürztem Hundeeintopf und Tokio Hotel gefragt hätte, wäre mir auf Anhieb vermutlich nicht viel vernünftiges eingefallen.

Mittlerweile bin ich eine Woche älter und mir fällt viel mehr dazu ein. Vernünftig ist es zwar immer noch nicht, aber das muss eine Beziehung von etwas ziemlich ekligem, bei dem es mich beim bloßen Gedanken daran schüttelt und einem koreanischen Nationalgericht eigentlich auch nicht sein.

Ich habe, so weit ich weiß, bislang noch kein poshintang gegessen, ich habe allerdings ein Lied von Tokio Hotel zur Gänze gehört und das sogar zweimal. Wer sich jetzt erschüttert von diesem blog abwendet hat mein vollstes Verständnis und alle Entschuldigungsversuche, so ernstgemeint sie auch sind, können bei einem Tabubruch dieser Dimension eigentlich nur lahm und schal klingen.

Es bringt auch nichts darauf hinzuweisen, dass ich am Anfang gar nicht mitbekommen habe, dass in meinem näheren Umfeld jemand ein Lied dieser, Band will ich sie nicht nennen, dieser Ansammlung teilweise verwandter, Musiker will ich sie nicht nennen, dieser Instrumentevergewaltiger, sein Eigen nennt und auch noch hört. Das würde mich beim Hundeeintopf schliesslich auch nicht retten.

Ich bilde mir ein, in der Auswahl meines Umfelds nur höchste Standards gelten zu lassen und wenn auf dem Fragebogen, den ich dazu ausgearbeitet habe, Das Nein-Kreuz bei der Frage „ich mag Tokio Hotel“ auf Seite 17 nicht bis mindestens Seite 21 durchdrückt, dann wird das in aller Regel nichts. Aber da das nicht die Regel ohne Ausnahme ist, die existieren müsste, wenn „keine Regel ohne Ausnahme“ auch eine Regel ist, hat es mich trotzdem erwischt.

Schlimmer kann sich Cäsar nicht gefühlt haben, als er im Moment seines Todes ein letztes „et tu brute“ ausstossend erkennen musste, wer ihm da den Dolch in den Rücken gerammt hatte.

Es hat mich in einer Situation getroffen, in der ich geistig nicht voll auf der Höhe, weil vermutlich ein wenig dehydriert war, in einem Moment, in dem mein Blut anderes zu tun hatte, als die höheren Hirnfunktionen in gewohnter Weise zu unterstützen. Ich rede von einem Augenblick, in dem sich schweißnasse Körper in einem gemeinsamen Rhythmus bewegten, in dem ein bestimmtes Körperteil zum 5-fachen seiner normalen Größe angewachsen war.

Es war beim Sport in einer nicht so gut ausgeleuchteten Halle, weswegen die Pupille auch ganz offen war. Weil das hektisch aber schrecklich ineffektiv durch meinen Körper gepumpte Blut in den Ohren rauschte, weil das vegetative dem somatischen Nervensystem schon lange den Rang abgelaufen hatte, es ging ja um mein Überleben, war ich etwas abgelenkt.

Das alles ist keine Entschuldigung, ich selbst würde das schliesslich auch nicht gelten lassen, aber vielleicht macht es das Ganze ein wenig verständlicher.

Ich weiß nicht, wie ich jetzt mit dieser Schmach umgehen soll. All diejenigen, die mir immer alles brühwarm über diese Gruppe berichtet haben, zum Beispiel dass sie einen MTV Music Latin-Award gewonnen haben, oder dass sie bei Madame Tussauds zu besichtigen sind, müssen sich doch jetzt insgeheim bestätigt vorkommen.

Ich habe Angst. Wer weiß, irgendwann werde ich mit einem Tetrapak französischen Landweins unter irgendeiner Brücke sitzen dabei „durch den Monsun“ singen und mein eigenes Schicksal verfluchen.

Ich geh schon mal ein bisschen üben, aber lieber hinter dem

– Vorhang –

III. Akt, 3. Szene

Irgendjemand hat mich mal einen humorvollen und entspannten Menschen genannt. Humorvoll kann ich von innen nicht beurteilen und für das entspannt sein habe ich einiges getan.

Neben dem Schatz und der Tatsache, dass ich andere auch lieb habe, hilft mir in vielen Situationen, denen ich nicht entfliehen kann, mein virtueller Statler.

Menschen in meinem Alter kennen vermutlich noch die 2 Alten aus der Muppet-Show, die über dem Ganzen sitzend, die Show kommentieren. Genau das mach ich auch.

Immer dann, wenn sich die Diskutanten in einer Besprechung gegenseitig versichern, wie wichtig ein professioneller Umgang miteinander ist und dass man die vertrauensvolle Zusammenarbeit schätzt und ich genau weiß, dass das die beiden eigentlich einen Scheißdreck interessiert und sie nur auf der Suche nach einer Pfanne sind, in die sie ihr Gegenüber bei nächster Gelegenheit hauen können, immer dann wenn zwar schon alles gesagt wurde aber leider noch nicht von allen, immer dann pack ich meinen virtuellen Statler und eine Tüte virtuelles Popcorn, verzieh mich mit ihm in die Loge und wir beginnen das Ganze zu analysieren.

Früher habe ich den Fehler gemacht, in solchen Situationen komplett abzuschalten, was vor allem dann unvorteilhaft war, wenn plötzlich doch jemand eine Frage an mich hatte oder ich im Protokoll nachlesen musste, welche Aufgaben ich alle übernommen hatte.

Seit ich mit Statler das Ganze scharf beobachte, um ja keine Spitze zu überhören und um bei Bedarf Salz und Öl nachzureichen, weil schon alles in Wunden gestreut beziehungsweise ins Feuer geschüttet wurde, passiert mir das nicht mehr. Ich sage das nicht laut, ich denke die Worte „noch jemand Salz?“ nur. Man will ja weder auffallen noch das Leiden verlängern.

Seit ich viele Meetings ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch auf einer Metaebene wahrnehme fällt es mir um einiges leichter, entspannt zu bleiben.

Wenn in der zwanzigsten Besprechung zum hundertsten Mal gesagt wird, was man eigentlich tun müsste um jetzt endlich durchzustarten, regt mich das nicht mehr auf. Ich werfe einen virtuellen Euro ins Phrasenschwein und lächle lautlos vor mich hin.

Wenn man aus blindem Aktionismus durch bloßes Umdefinieren planvolles und strukturiertes Handeln zu machen versucht, bleib ich still, freue mich auf die nächste Wendung und stoße mit Statler auf die Darbietung an. Ich bin da ganz bei Lenka, die schon vor über 5 Jahren wusste: „I know I’ve got to let it go, and just enjoy the show“, um auch mal zeitgenössische Musik zu zitieren und nicht nur irgendwelche alten griechischen oder deutschen Philosophen. In Liedtexten steckt manchmal erstaunlich viel Wahrheit.

Ich bin natürlich nicht so durchgeknallt, mich mit einer Stoffpuppe zu unterhalten. Je nach Situation wird Statler von verschiedenen Personen in meinem Umfeld gespielt, bei denen ich das Gefühl habe, wir würden auf einer Wellenlänge liegen.

Zumindest was die Grundschwingung angeht, gibt es da wirklich ein paar wenige, auch wenn sie das nach Lesen dieses Textes vermutlich vehement abstreiten würden.

Aber ich kann sie beruhigen, für die Oberwellen gilt das vermutlich nicht, alleine schon deswegen, weil ich da einige Phasenverschiebungen drin habe, aber wem erzähl ich das.

Es würde mich auch überhaupt nicht wundern, wenn man irgendwann mal die Tabletten absetzt und ich feststelle, dass ich seit 20 Jahren eine Jacke trage, die man hinten an den Ärmeln schließt, während ich sabbernd auf einem Stuhl sitzend eine weiße Wand anstarre und dabei Unverständliches vor mich hinmurmle. Aber noch zahlt die Versicherung glücklicherweise ja die Medikation, was soll ich mich über ungelegte Eier aufregen.

Zurück zum Thema.

Völlig unabhängig davon, ob man das Ganze zu einer großen Waldorf-und-Statler-Show mit Gastauftritten aufbläst, oder nur ab und an mal versucht die 90% des Eisbergs zu sehen, die unsichtbar unter der Wasserlinie lauern, offiziell nie angesprochen werden, aber den Verlauf der Diskussion entscheidend prägen, es hilft ungemein die Diskussion mal auf einer Metaebene zu sehen, weil man dann den Anderen nicht nur als den Idioten wahrnimmt, den ziemlich überzeugend zu spielen er sich anscheinend gerade vorgenommen hat.

Manche bleiben auch dann Idioten, aber glücklicherweise längst nicht alle.

Fast hätte ich den Vorhang vergessen, aber der fällt ja von alleine

– Vorhang –

III. Akt, Zwischenspiel

Die Hälfte der Geschichte ist geschafft und irgendwie habe ich das Gefühl, ich hätte erst einen Bereich halbwegs geschafft: Frauen und ich. Deshalb heute mal ein kleiner Gesellschafts rant & rave zum Thema mangelnde Würdigung von Intelligenz in der Gesellschaft.

„Ich war in Mathe schon in der Schule schlecht“ ist nicht das Eingeständnis eigener Unfähigkeit, sondern in großen Teilen so was wie ein Ritterschlag. Dabei ist Schulmathematik nicht mal Mathematik, sondern bloßes Rechnen. Auf jeden Fall erntet man mehr Verständnis, als wenn man erzählt, dass man im Sportunterricht mal einen Kasten umgeschmissen hat, weil man dagegen gerannt statt darüber gesprungen ist. Die Ehrenurkunden bei den Bundesjugendspielen wurden selbstverständlich immer prahlend rumgezeigt. Wer das gleiche mit der Eins in Mathe gemacht hat, wurde als Streber bezeichnet. Man ahnt, ich hatte von letzteren viele, von ersteren keine einzige. Und wenn sich nicht die weitenmessenden 12t-Klässler einmal bei den Bundesjugendspielen erbarmt hätten, hätte ich nicht einmal eine Siegerurkunde.

Und das setzt sich später fort. Wenn man nach z.B. deutschen Nobelpreisträgern der letzten 20 Jahre fragt, bekommen wahrscheinlich wenige auch nur zwei hin. Natürlich ist das fürs tägliche Leben herzlich irrelevant, aber wenn man nach den genau so irrelevanten deutschen Formel-1-Weltmeistern der letzten 20 Jahre fragt, kommt man wahrscheinlich relativ häufig auf eine Quote von 100%. Dabei ist die Entdeckung des Riesenmagnetwiderstands für das tägliche Leben dann doch viel relevanter als das Wissen, wer denn wie oft verhältnismäßig schneller als die Anderen Rennen auf Hochgeschwindigkeitsstrecken beendet hat.

Das könnte mir ja alles egal sein, genauso wie die Tatsache, dass „Schwiegertochter gesucht“ zehnmal so hohe Einschaltquoten hat wie z.B. „nano“. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Leute immer mehr verblöden. Wenn mir jemand erzählt, er hätte jetzt Ökostrom weil er was für die Umwelt tun will, oder mir erzählen, das mit dem Mehrwertsteuer schenken bei Mediamarkt würde stimmen, weil sie 19% weniger zahlen mussten, stehe ich innerlich immer kurz vorm ausrasten.

Da bringt es mir auch nichts, wenn ich den Dunning-Kruger-Effekt kenne und seine Bestätigung live und in Farbe betrachten kann. Bei mir habe ich wenigstens das Gefühl, zumindest lernwillig zu sein, ob das dann mit dem lernfähig auch immer klappt, lasse ich mal dahingestellt.

Aber gegen Begründungen wie „das ist halt so“ komme ich einfach nicht an. Manchmal hätte ich einfach gute Lust, einen Flieger nach Westafrika zu chartern, ihn mit Homöopathen, Anthroposophen und Leuten die nicht an die Existenz von Viren glauben, vollzustopfen. Die können dann gerne anfangen, die Leute da unten mit Ausdruckstanz und Zuckerkügelchen zu heilen. Und die, bei denen das nicht klappt, hatten einfach schlechtes Karma. Ein wenig Schwund ist immer.

„Mir haben die toll geholfen und meinem Hund auch und der hat keine Ahnung vom Placebo-Effekt“ kann ich als ernsthafte Entgegnung nicht gelten lassen. Wir können uns gerne darüber unterhalten, wenn mein Gegenüber das Konzept von kognitiven Verzerrungen verstanden hat und mit Attributions- und Bestätigungsfehlern etwas anfangen kann.

Ja, das ist ziemlich überheblich, aber auch nicht viel mehr als die Einstellung „das ist mein Weltbild und ich kann es zwar nicht erklären, aber es ist richtig und Deine Meinung ist deshalb falsch“.

Ich weiß definitiv auch nicht alles, aber ich bemühe mich wenigstens bei den Dingen, die mich interessieren, gesundes Halbwissen aufzubauen. Ich musste mühsam lernen, dass Fakten, Zahlen, Statistiken allesamt hinderlich sind. Wichtig ist, beim Gegenüber ein gutes Gefühl aufkommen zu lassen. Überprüfbare Tatsachen stören da nur.
Das kann natürlich alles an mir liegen.

Meine Nachbarin kam vermutlich nicht zufällig auf die Idee, dass ich Lehrer bin. Andererseits kann ich mir nicht vorstellen, dass sich Leute zusammentun, um sich etwas möglichst abstruses zusammenzuzimmern, mit dem sie mich dann auf die Palme bringen. Zum Beispiel in dem sie mich fragen, ob ich mir wegen Fukushima jetzt auch Jodtabletten gekauft hätte. Wer bin ich, ihnen erklären zu wollen, wo Japan liegt, wie sich Partikel ausbreiten, wie hoch die Belastung durch natürliche Radioaktivität hier ist, oder was die Leute meinen, wenn sie Halbwertszeit sagen.

Manchmal bin ich müde, so schrecklich müde und frage mich, ob es nicht einfacher wäre, „Bauer sucht Frau“ zu schauen, auf Ökostrom umzustellen weil das so toll für die Umwelt ist und bei der nächsten Grippe einfach meinen Namen zu tanzen. Ich würde es mir und meinem Umfeld vermutlich viel einfacher machen.
Ich gehe jetzt schlafen und zwar hinter dem

– Vorhang –