Vorbemerkung:
In Zeiten, in denen Politiker-Ehrenworte nicht mehr direkt in schweizerischen Badewannen, amerikanischen Thinktanks oder mit ungeöffneten Fallschirmen enden, fühle ich mich an meine Versprechen diesbezüglich auch nicht mehr so recht gebunden. Auch wenn es erst ein paar Stunden alt ist. Wie schon Adenauer wusste, hindert mich nichts daran, weiser zu werden
Wenn man die Prognosen für RLP und Ba-Wü vergleicht, ist es schon sehr offensichtlich, wie wahlentscheidend Einzelpersonen sind.
Partei |
Ba-Wü |
RLP |
CDU |
30% |
35% |
Grüne |
32% |
7% |
SPD |
13% |
35% |
Die Bundespolitik kann zwar wunderbar den „Absturz“ der CDU um 10-12% seit letzten Herbst erklären, aber während die SPD in Rheinland-Pfalz in den Umfragen seit Herbst um 3-5% zugelegt hat, ist sie in Baden-Württemberg noch mal um 5-7% gefallen, und das von einem viel niedrigeren Niveau kommend.
Die Grünen in Baden-Württemberg haben seit Herbst um 5-8% zugelegt, in Rheinland-Pfalz sind sie um 3-4% gesunken.
Ihre Politik will ich jetzt gar nicht bewerten, aber alleine das Standing von Kretschmann, Klöckner und Dreyer ist so komplett anders als das von Lemke, Schmid und Wolf.
Baden-Württemberg war für die SPD in den letzten 50 Jahren nie ein erfolgreiches Pflaster, über einen Stimmenanteil von 33,3% ist sie nie hinausgekommen.
Aber wenn die jetzigen Prognosen halbwegs stimmen, dann bedeutet das noch mal fast eine Halbierung des bisher schlechtesten Landesergebnisses aus dem Jahr 2011. Natürlich kann man das alles darauf schieben, dass man als kleiner Koalitionspartner immer ein bisschen untergeht. Viel entscheidender ist meines Erachtens aber die Tatsache, dass der Baden-Württemberger den Posten des Ministerpräsidenten immer noch mit der Rolle des Landesvaters assoziiert. Und da kann Herr Schmid noch 20 Jahre warten, bis er das auch nur im Ansatz erfüllt. Ganz symptomatisch dafür ist die SWR3-Comedy, bei der der Landes-Finanzminister nur als „der kleine Nils“ vorkommt. Natürlich verliert man dadurch keine Wahlen, aber das ist ja auch nur Ergebnis der gefühlten Stimmung und nicht ihre Ursache.
Für die CDU war Baden-Württemberg eigentlich immer eine sichere Bank. Egal ob bei Bundestagswahlen oder der Beteiligung an Landesregierungen. Das ging 2011 ein bisschen zu Ende, als zu Fukushima und Stuttgart21 noch Mappus kam, der wirklich nur überzeugte CDU-Wähler dazu gebracht hat, ihr Kreuzchen ganz oben auf dem Stimmzettel zu machen.
Man hatte zwar die Regierungsbeteiligung verloren, durfte aber immer noch 60% mehr Abgeordnete stellen, als die Zweitplatzierten Grünen.
Baden-Württemberg war schwarz.
War.
Das hat sich, wenn die Prognosen nur halbwegs stimmen, komplett gedreht. Weil man in der CDU-Basis nach Mappus genug von polarisierenden Kandidaten hatte, hat man sich für einen entschieden, der gar nicht vorkommt. Ich sehe seine Plakate und ab und zu lese ich was von Wahlkampfveranstaltungen, bei denen er aufgetreten ist. Aber ansonsten kommt der Mann nicht vor. Ich weiß über die CDU-Kandidatin in Rheinland-Pfalz viel mehr, als über den Spitzenkandidaten meines Bundeslands. Zur Ehrenrettung der CDU-Basis kann man noch anführen, dass der Schwiegersohn von Herrn Schäuble, dessen Namen ich leider vergessen habe, auch nicht wirklich als Identifikationsfigur getaugt hat und mehr stand da halt auch nicht zur Auswahl.
Und jetzt zu den Grünen. Wobei eigentlich müsste da stehen „und jetzt zu Winfried Kretschmann“. Eigentlich völlig egal, für wen der antritt, oder was für eine Politik die Partei macht, die er in die Regierung bringt.
Der läuft unter Landesvater. Das kann man gut finden oder schlecht, aber es ist bei ganz vielen Menschen so. Aus meinem Umfeld, das zum größten Teil das Stadium der resignativen Akzeptanz erreicht hat, was Parteien und Wahlen angeht, kommen Sprüche wie „der beste CDU-Ministerpräsident der letzten 20 Jahre“. Dass man dafür die Grünen wählen muss, schlucken die meisten als Kröte mit. Menschen, die in ihrem Leben bei Landtagswahlen noch nie weiter als bis zum ersten Eintrag auf dem Stimmzettel gekommen sind, gehen plötzlich eine Zeile tiefer. Und entgegen aller Prognosen ist Baden-Württemberg imer noch ein erfolgreiches Bundesland mit prosperierenden Unternehmen und einer Schaffer-Mentalität, die viel wichtiger ist, als das Parteibuch des jeweiligen Ministerpräsidenten.
Noch ein Wort zu den AfD-Wählern, denen ich gar nicht unterstellen will, dass sie das Wahlprogramm gelesen haben, weil schon die Inhalte der Plakate irgendwie intellektuell so anstrengend waren, dass mehr als ein „ich zeig’s denen da oben“ nicht hängen geblieben ist und die die vielen Buchstaben nur verwirren würden.
In einem Land, in dem wegen einer Reaktorkatastrophe, die in 9’500 Kilometer Entfernung stattgefunden hat, die Jodtabletten ausgehen, sind 10% für so eine Partei eigentlich nicht das alarmierendste Zeichen des geistigen Niedergangs.
Zurück zu den restlichen 90%. Da habe ich das Gefühl, dass viel taktischer gewählt wird, als das noch vor ein paar Jahren der Fall war.
So kurz vor dem Wahlgang ist denen, die den Prognosen halbwegs vertrauen klar, dass es mit grün-rot nichts mehr wird. Das verleitet dann viele ehemalige SPD-Wähler dazu, ihre Stimme bei den Grünen zu machen, weil man auf jeden Fall verhindern will, dass Herr Wolf Ministerpräsident wird. Auf der anderen Seite gibt es einige FDP-Sympathisanten, die der Wahlaussage zur schwarz-rot-gelben Koalition wenig abgewinnen können und deshalb zur CDU wechseln, damit Kretschmann auf jeden Fall nicht noch mal Ministerpräsident wird. Das reicht allerdings nicht, um die in Scharen von der CDU davoneilenden Wähler aufzufangen, die zwar ein bisschen schwarz in der neuen Landesregierung haben wollen, aber bitte doch nicht in der Führungsposition mit einem Monchichi besetzt. Ausserdem ist klar, dass ohne die CDU nichts gehen wird, da kann man ruhig ein bisschen fremdgehen, sieht ja keiner.
In 6 Tagen sind wir schlauer.