Auf heise.de findet sich der Hinweis auf eine interessante britische Studie, die schon im Vorwort recht markige Töne anschlägt
It is a report about giving people real influence over the bread and butter issues which affect their lives.
The disengagement from politics described in these pages cannot be dismissed as the preoccupation of the chattering classes. Its substance has come from the voices of thousands of people around the country who feel quietly angry or depressed.
Meine Übersetzung klingt viel holpriger. Wenn sie jemand haben will, schreibe ich sie trotzdem drunter 🙂
Es werden verschiedene Gründe für die Entfremdung von Wählern zu Gewählten ausgemacht, unter anderem:
- Entscheidungen werden von einem immer kleiner werdenden Zirkel getroffen.
Das trifft auch auf die Bundesrepublik zu. Wenn man sich beispielsweise mal das ganze hin und her um Hartz-IV anschaut, dann war da keinswegs eine überwältigende Mehrheit der SPD-Abgeordneten für die Umsetzung. Die Fraktion wurde mit guten Worten und kaum kaschierten Drohungen zur Zustimmung gedrängt. - Entscheidungen werden nicht mehr im Parlament getroffen.
Das trifft ebenfalls auf die Bundesrepublik zu. Man muss sich hierzu nur das jämmerliche Schauspiel der Parlamentarier beim europäischen Haftbefehl anschauen, bei dem sich Herr Kauder „normativ unfrei“ gefühlt hat oder bei der Umsetzung des Vorratsdatenspeicherungsbeschlusses, bei dem Herr Tauss den Vorschlag zwar inakzeptabel fand, aber dann trotzdem zustimmte, weil EU-Richtlinien halt umgesetzt werden müssen. Man sieht es aber auch beispielsweise daran, dass die Länderparlamente zwar über die Höhe der Rundfunkgebühren abstimmen müssen, aber durch sehr enge Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls zu einem Ja genötigt werden sollen. - Der Einfluss durch eine Stimmabgabe ist zu gering.
Dieses Problem haben wir in Deutschland ebenfalls. Man darf alle 4 Jahre ein Kreuzchen machen und übergibt damit die Gewalt, die laut Grundgesetz vom Volke ausgeht, an einen Politiker. Der entscheidet dann für den Souverän, ob man am Jugoslawien-Krieg teilnimmt, wie die Wiedervereinigung abläuft, oder ob und zu welchen Bedingungen man den Euro und eine europäische Verfassung einführt. All diese Punkte fanden sich vor den entsprechenden Wahlen nicht in den Parteiprogrammen, ich konnte also gar nicht entscheiden, wie ich eines der genannten Themen behandelt wissen will.
Eine interessante Zustandsbeschreibung, die aber vermutlich ungehört verhallen wird, denn sie stört beim Regieren. Eine Landesliste, die dynamisch durch die Wahl der Bürger entsteht und nicht auf Nominierungsparteitagen, beraubt die Parteiführung verschiedener Sanktionierungsmethoden, eine europäische Verfassung, die dem Bürger vorgelegt wird, verlangt etwas mehr Aufklärung als ein Basta in der entsprechenden Fraktionssitzung.
Um die Nachteile der parlamentarischen Demokratie zu entschärfen, könnte man mehr auf Volksabstimmungen setzen. Aber auch diese bergen Gefahren. Denn die entsprechenden Einheizer vorausgesetzt, würde sich in der Bevölkerung auch sicher eine Mehrheit für die Todesstrafe oder ähnliches finden.