Die Angst vor dem (Wahl-)volk

Ich bin ja durchaus dankbar für Kommentare, weshalb ich einfach mal frech den da aufgreife:

Oft gehörte Argumente, wenn es darum geht, alle Gewalt, die laut Artikel 20 des Grundgesetzes vom Volke ausgeht, dahingehend zu beschränken, dass man alle 4 bis 5 Jahre Kommunal- und Länderparlamente wählt und als Krönung noch ein bisschen Bundestag und Europaparlament  sind die folgenden:

  1. Das Volk ist zu leicht beeinflussbar; Wenn man es richtig in Stimmung bringt, führt es die Todesstrafe ein.
  2. Die Vorlagen, über die es abzustimmen gilt, sind zu kompliziert.
  3. Dauernde Volksabstimmungen lähmen die Fortentwicklung.

Diese Argumente sind meines Erachtens bei einer genaueren Betrachtung nicht haltbar.

Die erste Aussage geht stillschweigend davon aus, dass man Parlamentarier nicht so leicht beeinflussen kann und dass die grosse Masse des Wahlvolks einer genaueren Analyse von Gesetzesvorhaben nicht zugänglich ist.
Betrachtet man allerdings einmal, wie schnell, inhaltlich falsch und unausgereift auf die Bild-Schlagzeilen von „Florida-Rolf “ reagiert wurde, dann gewinnt man nicht den Eindruck des abgeklärten Parlamentariers. Auch das Vorgehen bei den diversen Kampfhundeverordnungen auf Länderebene macht eher den Eindruck von blindem Aktionismus und ergebnislosem Schaumschlagen. Auf der anderen Seite verhalten sich Bürger dort, wo sie die Gelegenheit zum Abstimmen haben, durchaus verantwortungsbewusst, wie der Ausgang von diversen Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene zeigt.

Die zweite Aussage geht stillschweigend davon aus, dass Parlamentarier mehr Ahnung von den Zusammenhängen haben. Dass das nicht der Fall ist, beginnt schon bei den Kommunen mit dubiosen Cross-Border-Leasing-Verträgen für die nächsten hundert Jahre, oder die Dimensionierung von Müllverbrennungsanlagen und Klärwerken. Auch auf Bundesebene scheint es nicht unbedingt immer den Durchblick zu geben, wenn es um die Verabschiedung von Gesetzen geht, wie man sehr schön bei der Ratifizierung der europäischen Verfassung im Bundestag gesehen hat. Die befragten Parlamentarier waren kurz nach der Sitzung nicht in der Lage, die wesentlichen Punkte dieses Gesetzeswerkes herauszuarbeiten, dem sie kaum eine Stunde zuvor voller Inbrunst zugestimmt hatten. Auch bei der Umsetzung diverser EU-Richtlinien scheint in den entsprechenden Ausschüssen Unklarheit darüber zu herrschen, um was es eigentlich geht. Kämen verschiedene Vorlagen vors Volk, so hätte das zumindest den einen grossen Vorteil, dass man nicht mehr in Fraktionssitzungen via basta oder Verweis auf die eigene Regierungsfähigkeit das ganze Thema vom Tisch wischen kann. Es wäre dann erforderlich, dass sich ein Parlamentarier damit auseinandersetzt und sei es nur, damit er daheim im Wahlkreis auf stimmenfang gehen kann.

Die dritte Aussage steht stillschweigend davon aus, dass es ohne Volksabstimmungen zu schnellerer politischer Entscheidungsfindung kommt. Dazu muss man in Anbetracht der jetzigen Situation wirklich nichts mehr schreiben.

2 Gedanken zu „Die Angst vor dem (Wahl-)volk“

  1. Ein weiteres Argument gegen direkte Demokratie ist die Haushaltspolitik. Wer würde schon freiwillig Steuern bezahlen? Die Mehrheit würde also beschließen, daß die Besserverdienenden mehr von ihrem Geld abgeben. Auch wenn ich für gerechtere Besteuerung bin, widerspricht dies eindeutig dem Leistungsgedanken.

  2. Die Schweiz, der Hort der Millionäre und Milliardäre kennt sowohl das Instrument des Referendums, als auch viele gut bezahlte Jobs und zehntausende von hochqualifizierten Menschen, die sich um einen Job in diesem Land reissen. Es scheint kein Widerspruch zu sein.

    Ich arbeite jetzt seit 6 Jahren in der Schweiz und habe viele Referenden mitbekommen, die sich auch online bei http://www.admin.ch/ nachlesen lassen. Ich hatte bisher weder den Eindruck, dass sich die unterdrückten Massen ungehemmt an den Fleischtöpfen des Grosskapitals bedienen, noch hatte ich den Eindruck, dass über gezielte Stimmungsmache in den Boulevardblättern gross die Vorstellungen der Millionäre durchgedrückt werden.

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