ging ich bisher davon aus, dass es sich bei der Abstimmung über die Vorratsdatenspeicherung im Bundestag bereits um die nationale Umsetzung der Richtlinie gehandelt hat, wurde ich auch dank Carnet d’Europe eines besseren belehrt.Es ging im Bundestag nur darum, der Bundesregierung zu empfehlen, dem gefundenen Kompromiss zuzustimmen. Die Abstimmung im Bundestag hatte nichts, aber auch wirklich gar nichts mit einer zwingenden Umsetzung von EU-Richtlinien zu tun. Es ging gemäß Drucksache 16/545, über die abgestimmt wurde um folgendes:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. dem in der Sitzung der EU-Justizminister am 2. Dezember 2005 gefundenen Kompromisstext für eine Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlicher elektronischer Kommunikationsdienste verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG, welcher dem vom Europäischen Parlament in dessen Plenarsitzung am 14. Dezember 2005 angenommenen Beschluss entspricht, bei der abschließenden Befassung des Rates der Europäischen Union zuzustimmen;
Für Sie noch einmal die entscheidende Aussage ohne Füllwörter
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, dem gefundenen Kompromisstext bei der abschließenden Befassung des Rates der Europäischen Union zuzustimmen;
Wenn man das jetzt in Verbindung bringt mit Ihren Äusserungen während der Debatte, dann fragt sich schon, ob sie entweder nicht verstanden haben, welchen Antrag sie da eigentlich eingereicht haben (der Name Jörg Tauss findet sich zumindest unter den Antragstellern), oder ob sie die Leute für dumm verkaufen wollen. Da Sie ja schon länger im Parlament sitzen, gehe ich von zweiterem aus.
Wie ich sehe, sind sie morgen Abend, am 1. März, in meiner Heimatstadt Achern auf Wahlkampftour. Leider kann ich nicht dort sein, um Ihnen die Fragen direkt zu stellen, aber vielleicht findet sich ja der ein oder andere Blogleser, der das tut, wenn sie mal wieder im Wahlkreis oder in Berlin sind. Achso, falls die eigentliche Fragestellung untergegangen sein soll (man wirft mir des öfteren einen zu konfusen Satzbau vor), hier noch einmal:
Als Sie am 16. Februar 2006 Ihrem eigenen Antrag, den Sie laut eigener Aussage inakzeptabel finden, zugestimmt haben, wussten Sie da, dass es sich nur um die Beschlussempfehlung an die Bundesregierung handelt?
War Ihnen klar, dass der Zwang zur Zustimmung zur EU-Richtlinie unter anderem erst dadurch zustande kommen kann, dass sie dieser Beschlussempfehlung zustimmen?
War Ihnen nicht klar, dass sich Deutschland in der entsprechenden Ratssitzung auch einfach hätte enthalten oder mit Nein stimmen können, wie das anscheinend Irland und die Slowakei getan haben?
Und zum Schluss noch zwei Fragen, die scheinbar nichts damit zu tun haben: Wundern Sie sich wirklich, wenn sich der Normalbürger mit Grausen von Politikern abwendet?
Kennen Sie das Zitat von Max Liebermann mit dem essen und dem kotzen?
Da würde mich ja wirklich mal interessieren, was der Herr Tauss dazu zu sagen hätte. Ein „Nein“ Deutschlands im Rat hätte aber auch nicht mehr viel gebracht: eine qualifizierte Mehrheit der Stimmen der Ratsmitglieder reichte für die Verabschiedung völlig aus.
Ich hab’s ihm auch als Email geschickt. Wenn ich eine Antwort bekomme und sie veröffentlichen darf, stell ich sie hier dazu.
Was mich stört ist ja nicht einmal so sehr, dass er dieser Beschlussempfehlung zugestimmt hat, das haben ein paar hundert Abgeordnete ebenfalls getan.
Was mich stört ist dieser Pathos, mit dem er sich zum Bewahrer des Datenschutzes aufschwingen will, der dann vom bösen Europaparlament gestoppt wird.
Wenn man sich dann allerdings die Beschlussempfehlung genau anschaut, dann findet man sogar eine Verschärfung des Richtlinienentwurfs
Si tacuisses und so …
Jetzt ist er ja wieder oben, der Artikel 😉
Was mich interessieren würde, ist die Frage, ob der Passus „oder mittels Telekommunikation begangener Straftaten“ nicht auch lediglich eine Umsetzung von in der EU-Richtlinie enthaltenen Mindestvorgaben ist. Dagegen spricht, dass von dieser Art Kriminalität nichts in der Richtlinie steht (habe jedenfalls nichts gefunden).
Ich bekomme jedoch auf der anderen Seite immer mehr den Eindruck, als würde der Beschluss des Bundestages tatsächlich lediglich auf eine Mindestumsetzung der Richtlinie in allen Punkten abziehlen. Max. Speicherdauer von 6 Monaten, etc. – alles am unteren Limit.
Zweck des Ganzen: Dadurch wäre das nationale Umsetzungsgesetz voraussichtlich nicht vor dem BVerfG angreifbar. Die Chancen, dass die Richtlinie vor dem EuGH gekippt werden, scheinen eher gering zu sein.
Wenn jetzt durch das Umsetzungsgesetz jedoch der Spielraum weiter ausgeschöpft wird, kann ich mir durchaus vorstellen, dass der BVerfG nicht ungerne annimmt. Daher meine Unsicherheit über den Passus…