Zwei Seiten der gleichen Medaille

Am Wochenende wurde jeweils ein Artikel bei heise und bei Spiegel-Online veröffentlicht, die diejenigen bestätigen, die von Anfang an gewusst haben wollen, dass es beim ALG II nie ums „fordern und fördern“ ging, sondern einfach nur ums sparen, wenn man es positiv ausdrücken will bzw. ums Arbeitssklaven züchten, wenn man es überspitzt formuliert.

Doch der Reihe nach. Heise wartet am Sonntag mit dieser Meldung auf:

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat von Januar bis März 2006 einen Überschuss von 1,72 Milliarden Euro erwirtschaftet.[..] Dem Gutachten zufolge hängen die Überschüsse mit der sich weiter öffnenden Schere zwischen den Kurzzeitarbeitslosen (ALG-1, von der BA zu zahlen) und den Langzeitarbeitslosen (ALG-2, vom Bund zu zahlen) zusammen. „Jeder abgebaute ALG1-Bezieher wird teuer mit zwei ALG2-Beziehern erkauft, und das sind die wesentlich teureren Arbeitslosen – nur eben nicht für die BA“

Mit einem Spider-Suchprogramm wurden für das Gutachten drei Berufe [..] abgefragt und [..] ausgewertet. Anschließend wurde die Anzahl der ALG1- und ALG2-Bewerberprofile zueinander ins Verhältnis gesetzt. Dabei ergab sich, dass wesentlich weniger ALG-2 Bezieher gefunden wurden, als nach der ALG-1/ALG-2 Relation in den jeweiligen Städten vorhanden sein müssten. Firmen, die über Arbeitsagentur.de Mitarbeiter suchen, bekommen bevorzugt ALG-1-Bezieher angeboten. „Bei sehr qualifizierten Berufen findet man fast überhaupt keine ALG2-Bewerberprofile mehr. Und zwar keineswegs, weil es die Menschen nicht gäbe, sondern weil die BA nur eine Liste von 100 Bewerberprofilen anzeigt, der größte Teil der ALG2-Bezieher also den Sprung in diese Liste gar nicht schafft und damit auch nicht gefunden und mit Stellenangeboten kontaktiert werden kann.

Die andere Meldung steht im Spiegel und beschäftigt sich damit, dass Menschen, die bereits nach 23 Jahren Berufstätigkeit den Höchstsatz an Pension bekommen (und weil das parlieren so auf die Knochen geht, teilweise auch schon ab 55 Jahren), darüber diskutieren, wie man denn den ALG2-Beziehern die Daumenschrauben noch enger anziehen könnte:

Ähnlich äußerte sich Brandner: „Dem Grundsatz des Forderns müssen wir jetzt mehr Nachdruck verleihen. Wer Leistungen in Anspruch nehmen will, muss auch sagen, was er dafür tun will.“

Klaus Brandner ist seit 1998 Mitglied des Bundestages und war vorher 25 Jahre lang Funktionär in der IG Metall. Wenn er 2009 aus dem Bundestag ausscheiden sollte, wird er sich mit seinen 11 Jahren Zugehörigkeit zum Bundestag einen Ruhestand mit 62 ersessen haben, der ihm mit 35% der Diät, momentan 2312 EUR pro Monat versüsst wird, selbstverständlich nicht ohne noch 11 Monate als Pensionär die volle Pension in Höhe von 7009 EUR als Übergangsgeld zu bekommen.

Die Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung, Marie-Luise Dött, sagte der „Bild“-Zeitung: „In der Diskussion um den Kombi-Lohn ist das Arbeitslosengeld II in der Höhe nicht unantastbar.“ Wer arbeite, müsse mehr bekommen als der, der nicht arbeite.

Für Frau Dött gilt bzgl. Pension und Diäten das gleiche wie für Herrn Brandner, ausser dass Frau Dött bis 1998 selbständig war.

Die Debatte hatte der Unions-Haushälter Steffen Kampeter angestoßen, der Kürzungen des Regelsatzes von 345 Euro monatlich nicht ausgeschlossen hatte.

Steffen Kampeter ist seit 1990 Mitglied des Bundestages. Wenn er 2009 aus dem Bundestag ausscheiden sollte, wird er sich mit seinen 19 Jahren Zugehörigkeit zum Bundestag einen Ruhestand mit 55 ersessen haben, der ihm mit 75% der Diät, momentan 5257 EUR pro Monat versüsst wird, selbstverständlich nicht ohne noch 18 Monate als Pensionär die volle Pension in Höhe von 7009 EUR als Übergangsgeld zu bekommen.

Wie diese Menschen meinen ernsthaft darüber diskutieren zu können, ob 345 EUR pro Monat für Strom, Wasser/Abwasser, Essen, Kleidung, Möbel, Telefon zu üppig sind, erschliesst sich mir nicht.

Vielleicht sollen die Leute auch einfach nicht mehr so viel essen (kaufen) können, wie sie kotzen möchten, um mal wieder Max Liebermann zu zitieren.

Ich missgönne den Abgeordneten keinesfalls ihre Diäten (ihre Überversorgung nach dem Ausscheiden aus dem BT allerdings schon) und ich bin weit davon entfernt, sozialistische Löhne für alle zu fordern, allerdings ist den Herren Brandner und Kampeter und auch Frau Dött ein wenig das Gespür dafür entgangen, was denn ausserhalb der Insel der Glückseligen aka Bundestag vor sich geht.

Ein Gedanke zu „Zwei Seiten der gleichen Medaille“

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