McCreevy-Richtlinie

Wenn ein EU-Kommissar Stellungnahmen, die nicht mit der von der Industrie bezahlten seiner Meinung übereinstimmen, unterschlägt und weiterhin Märchen erzählt, läuft dass dann noch unter Politik?

Heise.de erklärt es wie üblich viel besser als ich es könnte, aber ich versuch’s trotzdem mal:

In einer perfekten Welt erhält ein Künstler, der beim Einspielen einer LP/CD/MiniDisc/MP3-File mitgewirkt hat, 50 Jahre lang immer dann Geld, wenn das entsprechende Lied im Radio, in der Disco oder bei sonstigen öffentlichen Aufführungen gespielt wird. Dabei ist unerheblich, ob er es komponiert/getextet hat.

In einer nicht-perfekten Welt (also diese hier), hat er dieses Recht oft komplett an das entsprechende Label abgetreten.

In einer perfekten Welt, würden es Musiker honorieren, dass der Kommissar mit seinen Initiativen:

auf einen Mix aus sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Maßnahmen und [..] darauf ab[zielen], Europa für Kulturschaffende in Unterhaltungs- und Wissensindustrie als attraktiven Standort zu erhalten.

In einer nicht-perfekten Welt (das um uns rum), macht wohl kein Pop/Rockstar seine Entscheidung, ob er in einem New Yorker Studio oder einem in London einspielt davon abhängig, ob er jetzt 50 oder 95 Jahre für das Abspielen genau dieser Version entschädigt werden könnte, hätte er seine Rechte nicht komplett abgetreten.

In einer perfekten Welt würde man vermutlich am sogenannten Buy-Out ansetzen (also an der kompletten Abtretung aller Rechte der Musiker an das Musiklabel).

In einer nicht-perfekten Welt (der geduldige Mitleser wird schon ahnen, welche das sein könnte), passiert das nicht, weil der EU-Kommissar von denen bezahlt wird, die von der bisherigen Praktik profitieren, das unausgereift (im Dokument auf Seite 8) findet.

In einer perfekten Welt hätte sich die Kommission unabhängigen Expertenwissens von ausserhalb z.B. dem Max-Planck-Institut für geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht versichert.

In einer nicht-perfekten Welt brauchten [Experten] nicht in Anspruch genommen zu werden, weil sie das Bild ge- und zerstört hätten, dass die Musiklobby in Brüssel gezeichnet hat.

Abseits jeder Polemik (ja, das geht auch wenn ich es nicht gut kann), frage ich mich, ob der Kommissar an das glaubt, was er schreiben lässt.

Viele europäische ausübende Künstler (Musiker oder Sänger) starten ihre Karriere mit Anfang 20. Wenn die aktuelle 50jährige Schutzfrist ausläuft, haben sie also gerade die 70 überschritten, d.h. sie haben wahrscheinlich ohne Weiteres noch 10 oder 20 Jahre vor sich (die durchschnittliche Lebenserwartung in der EU liegt für Männer bei 75 und für Frauen bei 81 Jahren). Folge ist, dass ausübende Künstler am Lebensabend in ein Einkommensloch stürzen, da die Lizenzeinnahmen von Plattenfirmen ebenso auslaufen wie das Einkommen aus der öffentlichen Sendung oder Wiedergabe ihrer Stücke. Für Studiomusiker und weniger bekannte Künstler bedeutet dies, dass die Einkünfte aus der öffentlichen Sendung und Wiedergabe genau zu dem Zeitpunkt wegbrechen, zu dem sie am meisten darauf angewiesen sind, nämlich wenn sie aufs Rentenalter zugehen.

Es geht dem Kommissar also vorrangig um die Musiker, die am Anfang ihres Erwerbslebens einen einzigen Hit hatten und dann 50 Jahre davon gezehrt haben. Innerhalb dieser 50 Jahre muss das Lied auch noch so oft gespielt werden, dass nach Abzug der Verwaltungskosten der GEMA auch noch ein nennenswerter Betrag beim Künstler ankommt.

Wenn die Richtlinie so durchgeht, würde Andrew Ridgley nicht bis zum Jahr 2034 Geld bekommen, wenn last christmas gespielt wird, sondern bis zum Jahr 2079. Effektiv bekommen tut er eh keins, George Michael ist ja nicht blöd.

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