Man sollte sich beim CH-bashing wenigstens ein wenig Mühe geben

Bei Facebook bin ich über folgende Aussage gestolpert:

Niedrige Steuersätze in der Schweiz. Powered by Deutsches Schwarzgeld.

Man hat es als Deutscher in der Schweiz momentan sowieso schwer genug. Da brauche ich nicht noch inhaltlich falsche Parolen von Mitgliedern der Jugendorganisation einer ehemaligen deutschen Volkspartei, deren aktuelle Vorsitzende noch nicht einmal den Unterschied zwischen Steuern und Sozialabgaben zu kennen scheint (einfach mal nach Franziska Drohsel OECD-Studie googeln und eine eigene Meinung bilden).

Ich möchte den Verfasser der Zeilen auf facebook ja nicht mit unnötig vielen Fakten langweilen, aber ein einfacher Vergleich der beiden Bundeshaushalte könnte einige Hinweise liefern, warum die Steuersätze in der Schweiz zum grossen Teil niedriger liegen.

Im Bundeshaushalt der Bundesrepublik Deutschland sind beispielsweise rund 80 Milliarden EUR Leistungen an die Rentenversicherung enthalten. Das sind rund 28% des Bundeshaushaltes. Diesen Riesenbatzen hat die Schweiz nicht, weil die AHV nur eine Grundrente garantiert und alles weitere über private Absicherung (auch von Arbeitgeberseite) aufgebaut wird. Die Schweizer mussten auch nicht ein Fünftel der Bevölkerung und Infrastruktur innerhalb von 20 Jahren von einem (gehobenen) Ostblock-Niveau auf (fast) westdeutsches Niveau hieven. Die Schweizer haben eine geringere Arbeitslosigkeit, einen geringeren Anteil an prekär Beschäftigten …

Aber wenn man den bösen deutschen Steuerhinterzieher mit dem bösen schweizerischen Banker in einen Sack stecken und draufschlagen kann, muss man sich die Welt ja nicht komplizierter machen, als man sie verstehen kann.

Als Einstiegspunkt bezüglich des schweizerischen Steuersystems bietet sich

http://www.estv.admin.ch/dokumentation/00075/00076/index.html?lang=de

an.

So, das musste mal raus.

2 Gedanken zu „Man sollte sich beim CH-bashing wenigstens ein wenig Mühe geben“

  1. 😉 Ja, das Vergleichen von Äpfeln und Birnen.
    Die DDR war so „arm“, dass die Treuhand nach Carsten Rohwedder unter der „Ägide“ der Fr. Breuel so freigiebig mit Betrieben und deren Vermögen umgehen konnte, dass sie (im Regelfall) für 1 DM quasi verschenkt wurden. Eine gigantische Umverteilung, denn finanziert wurde das Ganze über das „Ausbluten“ der gesetzlichen Rentenversicherung. Fürwahr eine Kohlsche „Meisterleistung“.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Treuhandanstalt
    Ansonsten ist Deine historische Betrachtung richtig.
    Woher allerdings so manches schweizerische Vermögen stammt, das kann zum Teil Quell der Fantasie sein- und bleiben.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Verfahren_um_j%C3%BCdische_Verm%C3%B6gen_bei_Schweizer_Banken

  2. Ich sehe das mit dem Ausbluten der Rentenversicherung anders. Es wäre doch 1990 keine einzige müde Mark mehr in der Rentenversicherung gewesen, wenn die Ostdeutschen da ebenfalls fleissig einbezahlt hätten. Das Geld, das die Westrentner einbezahlt hatten, war ja auch weg. Die 18 Monate Reserve, die die BfA Anfang der Siebziger mal hatte, wurde Schritt für Schritt auf 1 Monat Reserve verringert (unter Brandt, Schmidt und Kohl gleichermassen). Problematisch war allenfalls der Umrechnungsfaktor zwischen Ost- und Westrente.

    Zu diesem Milliardengrab (28% des Bundeshaushaltes wird an die DRV überwiesen) wurde die Rentenversicherung doch dadurch, dass die Einzahler-Generation weggebrochen ist (vor allem im Osten, nicht durch deren Schuld, aber sie waren halt weg). Ein Umlagesystem funktioniert nur, wenn genügend Einzahler vorhanden sind. Hohe Arbeitslosigkeit, Abkehr von sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit (Minijob, Scheinselbständigkeit etc.) haben die Einnahmen verringert, bzw. nicht so stark erhöht, wie die Zahl der Empfänger gestiegen ist.

    Kennst Du eigentlich „die blaue Liste“ von Wolfgang Schorlau? Deutsche Krimis können auch gut sein 🙂

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