Anlässlich der Vorstellung des Haushaltsjahres 2009 meiner Gemeinde Horgenzell, rücken für mich mal wieder das Konjunkturprogramm II der (alten) Bundesregierung und die Folgen daraus in den Vordergrund.
Meine Gemeinde hat Ende 2008 den Haushalt für das Jahr 2009 aufgestellt, noch nicht ahnend, dass es in naher Zukunft einmal einen Geldsegen aus Berlin erwarten könnte.
Massnahmen im Haushalt wurden nach Dringlichkeit und Sinnhaftigkeit abgearbeitet (hoffe ich zumindest). Das Konjunkturprogramm II der Bundesregierung änderte alles. Zuschüsse winkten. Dummerweise nicht für Massnahmen, die bereits im Haushalt beschlossen waren, sondern nur für zusätzliche Massnahmen. Der Gedanke dahinter war, dass man Wachstumsimpulse setzen wollte, was nur geht, wenn zusätzlich investiert wird.
Zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts unterstützen Bund und Land mit dem Zukunftsinvestitionsprogramm 2009-2011 zusätzliche Investitionen der Kommunen und sonstiger Träger, soweit sie Aufgaben der Kommunen erfüllen.
Quelle: Bundeswirtschaftsministerium
Der Schuss ging in vielen Fällen komplett nach hinten los.
Die Gemeinden waren und sind am Rande ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit angelangt, für zusätzliche Investitionen war kein Spielraum mehr. Auf der anderen lockte das Geld, mit dem man das Wohlwollen der Bürger sichern kann.
Was tun?
Einige Gemeinden haben sich mit dem Aufstellen des Haushaltes so lange Zeit gelassen, bis das Paket beschlossen war. Dadurch wurde jede Investition zu einer zusätzlichen Investition.
Eigentlich wollte der Gemeinderat vor drei Wochen Haushaltssatzung und Haushaltsplan für 2009 beschließen. Aber Bürgermeister Knut Simon hatte diesen Punkt bereits in der Einladung zur Sitzung von der Tagesordnung genommen. Weil man nicht wisse, was das Konjunkturprogramm II den Kommunen bringe, sei es sinnvoll, noch abzuwarten. Diese Strategie bewährt sich offenbar: Die energetische Sanierung des Gebäudes der Grund- und Hauptschule in Wittenhofen entspricht nach Simons Worten genau den Anforderungen für das Konjunkturpaket II. Bedingung für die Finanzierung mit diesen Mitteln ist, dass es sich um eine „zusätzliche“ Maßnahme handelt. Sprich: Sie darf nicht bereits im Haushalt eingeplant sein. Also ist die Sanierung des Schulgebäudes aus der Haushaltssatzung entfallen.
Quelle: Schwäbische Zeitung vom 06.03.2009
Andere Gemeinden haben geplante Ausgaben zurückgestellt und stattdessen neue Massnahmen beschlossen, die förderungsfähig waren.
Einer der Schwerpunkte im Vermögenshaushalt war die Sanierung des Hauptschulgebäudes für 738 000 Euro. Sie war im Haushalt ursprünglich gar nicht eingeplant. Erst die Zuschüsse aus dem Konjunkturpaket II haben die Sanierung möglich gemacht. [..] Die Sanierung des Kindergartens in Zogenweiler wurde verschoben.
Quelle: Schwäbische Zeitung vom 23.06.2010
Dass das nicht unbedingt im Sinne der Erfinder war, hat auch der Bundesrechnungshof festgestellt, der deshalb innerhalb der nächsten 3 Jahre die einzelnen Zuschüsse und Gemeindehaushalte unter die Lupe nehmen wird. Die Ergebnisse dürften für manchen Gemeinderat und Kämmerer überraschend sein.
Ganz allgemein bildet das Konjunkturprogramm II der Bundesregierung aber das ganze Dilemma der kommunalen Politik ab.
Zuschussfuchs gilt mittlerweile als Prädikat für Bürgermeisterkandidaten.
[..] und natürlich, da bekanntlich das Geld in den eigenen Kassen knapp ist, Fördermittel organisieren, Letzteres könne er gut: „Ich bin ein Zuschussfuchs“, sagt Rapp.
Quelle: Schwäbische Zeitung vom 09.03.2010
Auf der einen Seite versuchen natürlich alle, möglichst hohe Zuschüsse zu erhalten, auf der anderen Seite vergessen sie scheinbar völlig, dass dieses Geld nicht etwa vom Himmel fällt oder in Berlin gedruckt wird. Die Zuschüsse, die es aus Brüssel, Berlin und Stuttgart gibt, sind vorher von der Bevölkerung über Steuern erwirtschaftet worden.
Gemeinden, die sich dem allgemeinen Zuschusswahn widersetzen sind die Verlierer dieses Spiels, weil die höheren Abgaben bzw. Schulden die Bürger in diesen Gemeinden natürlich genau so treffen, wie die Bürger von „Zuschussfuchs“-Gemeinden, der Vorteil der Zuschüsse entfällt allerdings.
Am Ende verlieren aber alle:
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Massnahmen werden nicht mehr nach Dringlichkeit oder Sinnhaftigkeit durchgeführt, sondern danach, wie hoch die Zuschüsse ausfallen.
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Wenn alle Zuschüsse beantragen sinkt die Steuerlast nicht, sondern durch die vielfältigen Umschichtungsmassnahmen steigt die allgemeine Abgabenlast.
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Die Transparenz und Verlässlichkeit geht völlig verloren. Niemand weiss mehr, was man macht und wann oder wieso.
Das zu ändern wird nur schwer gelingen, wenn die Bevölkerung nicht umdenkt. Da man als „umgedacht habende“ Bevölkerung am Anfang aber verliert, ist das meines Erachtens eine Veränderung, die nur von oben kommen kann.
Jüngst hat mir ein Politiker geschrieben, er fühle sich zu unsinnigen Ausgaben genötigt, um eine „mediale Hinrichtung“ zu vermeiden. Konkret geht es um die Renovierung von Schulen in einem Landkreis, der für diese Aufgabe in den vergangenen Jahren viel Geld aufgewendet hat. Das Konjunkturprogramm erzwingt eine erneute „Renovierung“, die zum Kummer des Politikers wohl auch Schulen betreffen wird, die bald aufgrund der demografischen Entwicklung schließen müssen.
Quelle: Wirtschaftswoche vom 10.02.2009