Der Pulverdampf der Bundestagswahl hat sich verzogen, die bisherigen FDP-Abgeordneten räumen ihre Büros und das Hauen und Stechen um die besten Plätze am Futtertrog hat begonnen.
Lichtgestalten werden präsentiert bzw. präsentieren und zelebrieren sich selbst, Abweichlern wird vom Ehrenvorsitzenden der Austritt nahe gelegt in den sozialen Netzwerken toben Schlachten zwischen Vertretern der reinen Lehre (wobei es mehrere reine Lehren gibt) und den eher pragmatisch denkenden Vertretern die unbedingt wieder in die Parlamente wollen und deshalb ihr Produkt (die Politik) dem Markt (den Wählern) anpassen, der scheinbar nach einer 5. sozialdemokratischen Partei verlangt.
Währenddessen bereiten sich die Bundesparteitagsdelegierten darauf vor, im Dezember einen neuen Bundesvorstand und -präsidium zu wählen. Ziemlich genau die Delegierten übrigens, die im März diesen Jahres die Idee mit einem Spitzenkandidaten toll fanden und Rösler als Parteichef bestätigt hatten. Die Schnittmenge mit den Delegierten, die 2009 den Koalitionsvertrag abgesegnet hatten und 2011 dann Westerwelle durch Rösler ersetzten ist immer noch erstaunlich hoch.
Jetzt setzt die Basis also alle Hoffnung auf diese knapp 700 FDP-Mitglieder.
Wahnsinn ist, wenn man immer wieder das Gleiche tut, aber andere Resultate erwartet.
(Albert Einstein zugeschrieben)
And now for something completely different.
Ziemlich unbestritten ist die FDP bei den letzten Wahlen sehr oft abgestraft worden. Warum das so war ist ziemlich offensichtlich und die einzelnen Analysen unterscheiden sich nur graduell. Da noch meine hinzuzufügen, weil zwar schon alles gesagt wurde, allerdings noch nicht von allen, wäre eine Zeitverschwendung für die Leser dieses blogs und ich möchte die 3 nicht vergrätzen.
Zuwenig Aufmerksamkeit hat man meines Erachtens 3 der 4 Wahlerfolge gegönnt, die die FDP in den letzten 4 Jahren hatte
- den Wiedereinzug in die hamburgische Bürgerschaft
- die Verbesserung des FDP-Ergebnisses in Nordrhein-Westfalen
- die Verbesserung des FDP-Ergebnisses in Schleswig-Holstein
Ohne die Leistungen von Frau Suding, Herrn Kubicki oder Herrn Lindner schmälern zu wollen, liegt der Erfolg meines Erachtens zum Großteil an einem jeweils ziemlich schwachen CDU-Kandidaten.
- Christoph Ahlhaus in Hamburg halbierte 2010 praktisch vorherige CDU-Ergebnis. Das schwarz-grüne Experiment ging schief, einige wollten wohl partout keine Wiederholung und wenn, dann nicht mit einem Süddeuschen Neigschmecktem. Das Ergebnis war das bisher schlechteste CDU-Ergebnis in der Hansestadt.
- Über Norbert Röttgens Wahlkampf muß man eigentlich nichts mehr schreiben. Auch er konnte das bisher schlechteste Wahlergebnis der CDU in NRW noch um 8% unterbieten.
- In Schleswig-Holstein reichte es für die CDU auch nur zum schlechtesten Landesergebnis seit Gründung des Landes. Das mag mit einem blassen Kandidaten und dem eher unrühmlichen Abgang des eigentlichen Spitzenkandidaten der CDU zusammenzuhängen, aber für „bürgerliche“ Wähler war das Angebot der CDU halt nicht ganz so attraktiv und mit Herrn Kubicki stand ein durchaus charismatischer Kopf an der Spitze der FDP, der zudem der Bundes-FDP immer mal wieder (berechtigterweise) ans Bein pinkelte.
Zum verifizieren der These kann man sich ja die anderen Landtagswahlen anschauen.
- Bayern. Horst Seehofer kann vor Kraft kaum laufen, ein Politiker, der sich als Landesvater präsentieren kann. Die FDP war in den letzten 50 Jahren öfter außerparlamentarisch als im Landtag. Profitieren kann die bayrische FDP oft nur von einer schwachen CSU. Mit den Freien Wählern ist ihr zudem eine Konkurrenz erwachsen, die den ganzen bundespolitischen Schmoder, der sich in der Regierungsbeteiligung so ansammelt, nicht hat.
- Baden-Württemberg. Glücklicherweise war Stefan Mappus unbeliebt, sonst hätte es vermutlich nicht einmal zum Einzug gelangt und es ist auch keine CDU-Lichtgestalt in Sicht, die für 2016 einen respektablen Ministerpräsidentendarsteller hergäbe. Aber es sind ja noch 3 Jahre.
- Rheinland-Pfalz. Julia Glöckner passt zu Rheinland-Pfalz wie die Faust aufs Auge, auch da gab es für den FDP-Spitzenkandidaten eigentlich nichts zu holen.
- Saarland. Okay, da liegt es vermutlich an den Streitereien innerhalb der Fraktion.
- Berlin. Das schreibe ich eher dem Piraten-Hype zu. Es soll ja mal bürgerrechtlich engagierte Menschen gegeben haben, die FDP wählten. Tempus fugit.
- Mecklenburg-Vorpommern. Dort haben sowohl CDU als auch FDP verloren, aber MeckPomm war auch noch nie liberales Stammland.
Bis auf Rheinland-Pfalz, wo sie von 1991 bis 2006 mit der SPD von Kurt Beck regiert hat, wird die FDP seit 30 Jahren als Unionsanhängsel betrachtet und so wird sie auch gewählt. Echte Unterscheidungsmerkmale sind im Tun (anders als in den Programmen) nicht erkennbar. Und das wird das Hauptproblem der FDP werden. Die Wähler glauben und einfach nichts mehr. Guido Westerwelle ist ein begnadeter Oppositionspolitiker (gewesen), der der FDP Spitzenresultate gebracht hat, aber auch er hat eigentlich nur enttäuschte Unionswähler absorbiert.
Bei den letzten 4 Bundestagswahlen lag das Ergebnis von CDU+CSU+FDP immer zwischen 45,0 und 48,6%.
Wenn die FDP wieder eine Chance haben will, dann bleiben ihr mehrere Möglichkeiten:
- Angela Merkel dem Wahlvolk madig machen. Die Erfolgsaussichten sind relativ gering, es sei denn, man kann glaubhaft ihre bisherige und vermutlich zukünftige Euro-Rettungspolitik angreifen.
Da die FDP immer in der ersten Reihe beim zustmmen war und der Ehrenvorsitzende Diskussionen über die Euro-Politik zum Austrittsgrund erklärt hat (also nicht für ihn, sondern für die anderen), kann man da vermutlich keinen Stich machen. Bleibt Möglichkeit - Ein eigenständiges Profil liberaler Politik.
Guido Westerwelle hat durch die Differenz zwischen „Klappe aufreissen in der Opposition“ und „liefern in der Regierung“ den Boden mindestens so nachhaltig verbrannt wie Genscher 1982 mitdem Sturzder Abwahl von Schmidt. Momentan haben eigentlich nur die Sachsen die Möglichkeit, zu liefern. Ich bin gespannt, wie sich die Koalition in den nächsten 10 Monaten bis zu Wahl entwickeln wird. Bleibt noch Möglichkeit - Einfach auf die Vergesslichkeit des Wahlvolks und die schlechte Politik einer kommenden großen Koalition setzen.
Auch die Grünen sind zurückgekommen, nachdem sie aus der rot-grünen Koalition ausgeschieden waren und zweitweise der Freiburger OB der Grün mit dem höchsten Wahlamt war.
Alle Möglichkeiten haben Vor- und Nachteile.
- Bei Variante 1 wird man gleich in die rechte Ecke gedrängt und dafür verantwortlich gemacht, dass Frankreich und Deutschland wieder mobilmachen1.
- Bei Variante 2 müsste man erstmal überlegen, was das eigentlich ist2.
- Bei Variante 3 besteht die Gefahr, dass das Wahlvolk irgendeine der anderen Parteien wählt, die auf dem Wahlzettel so auftauchen, statt der FDP.
Persönliche Freiheit und Sozialordnung
“Der historische Liberalismus hat versagt – nicht als Liberalismus, sondern in seiner verhängnisvollen Verquickung mit dem Kapitalismus. Er hat versagt – nicht weil er zuviel, sondern weil er zu wenig Freiheit verwirklichte. Hier liegt der folgenschwere Trugschluss der sozialistischen Gegenströmung. Die liberalistische Wirtschaft war in Wahrheit keine freie, sondern eine vermachtete Wirtschaft, vermachtet durch Monopolbildung, kapitalistische Machtballungen, durch Konzerne und Trusts, die das Wirtschaftsleben über Preise, Zinsen und Löhne nach ihren eigenen Interessen bestimmten. Wo durch Monopole und Oligopole, durch Konzerne und Trusts der freie Wettbewerb entstellt und gefälscht, die freie Konkurrenzwirtschaft unterbunden und zerstört wird, da fehlt die elementare Grundlage eines liberalistischen Systems im ursprünglichen, klaren und eindeutigen Sinn dieses Wortes.
Der Sozialismus ersetzt die private Vermachtung durch die staatliche Vermachtung der Wirtschaft mit dem Ergebnis, daß die soziale Gerechtigkeit keinesfalls erhöht, aber die automatische und rationelle Funktionstüchtigkeit der Wirtschaft entscheidend geschwächt wird. Der historische Weg, die unerwünschten sozialen Auswirkungen einer fehlerhaften Wirtschaftsordnung durch politische Maßnahmen und staatliche Eingriffe zu beseitigen, musste notwendig scheitern. Eine brauchbare Sozialordnung kann nicht mit bürokratischen Mitteln erzwungen werden, sondern nur aus einer richtig funktionierenden Wirtschaftsordnung erwachsen. Nur eine natürliche, dynamische Gesellschaftsordnung auf der gesicherten Basis einer natürlichen, dynamischen Wirtschaftsordnung ist stabil und kann ohne großen Aufwand an bürokratischen Mitteln und gesetzlichen Regelungen nachträglich noch politisch-rechtlich gesichert werden, soweit dies überhaupt noch erforderlich ist.”
Dr. Ernst Winkler (aus Magna Charta der Sozialen Marktwirtschaft, 1951)
Nicht nur die „Liberalen“ haben nie begriffen, was echter Liberalismus ist, nämlich nichts anderes als das uneingeschränkte Recht zur Beteiligung am Wettbewerb:
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2013/02/marktgerechtigkeit.html