III. Akt, Zwischenspiel

Die Hälfte der Geschichte ist geschafft und irgendwie habe ich das Gefühl, ich hätte erst einen Bereich halbwegs geschafft: Frauen und ich. Deshalb heute mal ein kleiner Gesellschafts rant & rave zum Thema mangelnde Würdigung von Intelligenz in der Gesellschaft.

„Ich war in Mathe schon in der Schule schlecht“ ist nicht das Eingeständnis eigener Unfähigkeit, sondern in großen Teilen so was wie ein Ritterschlag. Dabei ist Schulmathematik nicht mal Mathematik, sondern bloßes Rechnen. Auf jeden Fall erntet man mehr Verständnis, als wenn man erzählt, dass man im Sportunterricht mal einen Kasten umgeschmissen hat, weil man dagegen gerannt statt darüber gesprungen ist. Die Ehrenurkunden bei den Bundesjugendspielen wurden selbstverständlich immer prahlend rumgezeigt. Wer das gleiche mit der Eins in Mathe gemacht hat, wurde als Streber bezeichnet. Man ahnt, ich hatte von letzteren viele, von ersteren keine einzige. Und wenn sich nicht die weitenmessenden 12t-Klässler einmal bei den Bundesjugendspielen erbarmt hätten, hätte ich nicht einmal eine Siegerurkunde.

Und das setzt sich später fort. Wenn man nach z.B. deutschen Nobelpreisträgern der letzten 20 Jahre fragt, bekommen wahrscheinlich wenige auch nur zwei hin. Natürlich ist das fürs tägliche Leben herzlich irrelevant, aber wenn man nach den genau so irrelevanten deutschen Formel-1-Weltmeistern der letzten 20 Jahre fragt, kommt man wahrscheinlich relativ häufig auf eine Quote von 100%. Dabei ist die Entdeckung des Riesenmagnetwiderstands für das tägliche Leben dann doch viel relevanter als das Wissen, wer denn wie oft verhältnismäßig schneller als die Anderen Rennen auf Hochgeschwindigkeitsstrecken beendet hat.

Das könnte mir ja alles egal sein, genauso wie die Tatsache, dass „Schwiegertochter gesucht“ zehnmal so hohe Einschaltquoten hat wie z.B. „nano“. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Leute immer mehr verblöden. Wenn mir jemand erzählt, er hätte jetzt Ökostrom weil er was für die Umwelt tun will, oder mir erzählen, das mit dem Mehrwertsteuer schenken bei Mediamarkt würde stimmen, weil sie 19% weniger zahlen mussten, stehe ich innerlich immer kurz vorm ausrasten.

Da bringt es mir auch nichts, wenn ich den Dunning-Kruger-Effekt kenne und seine Bestätigung live und in Farbe betrachten kann. Bei mir habe ich wenigstens das Gefühl, zumindest lernwillig zu sein, ob das dann mit dem lernfähig auch immer klappt, lasse ich mal dahingestellt.

Aber gegen Begründungen wie „das ist halt so“ komme ich einfach nicht an. Manchmal hätte ich einfach gute Lust, einen Flieger nach Westafrika zu chartern, ihn mit Homöopathen, Anthroposophen und Leuten die nicht an die Existenz von Viren glauben, vollzustopfen. Die können dann gerne anfangen, die Leute da unten mit Ausdruckstanz und Zuckerkügelchen zu heilen. Und die, bei denen das nicht klappt, hatten einfach schlechtes Karma. Ein wenig Schwund ist immer.

„Mir haben die toll geholfen und meinem Hund auch und der hat keine Ahnung vom Placebo-Effekt“ kann ich als ernsthafte Entgegnung nicht gelten lassen. Wir können uns gerne darüber unterhalten, wenn mein Gegenüber das Konzept von kognitiven Verzerrungen verstanden hat und mit Attributions- und Bestätigungsfehlern etwas anfangen kann.

Ja, das ist ziemlich überheblich, aber auch nicht viel mehr als die Einstellung „das ist mein Weltbild und ich kann es zwar nicht erklären, aber es ist richtig und Deine Meinung ist deshalb falsch“.

Ich weiß definitiv auch nicht alles, aber ich bemühe mich wenigstens bei den Dingen, die mich interessieren, gesundes Halbwissen aufzubauen. Ich musste mühsam lernen, dass Fakten, Zahlen, Statistiken allesamt hinderlich sind. Wichtig ist, beim Gegenüber ein gutes Gefühl aufkommen zu lassen. Überprüfbare Tatsachen stören da nur.
Das kann natürlich alles an mir liegen.

Meine Nachbarin kam vermutlich nicht zufällig auf die Idee, dass ich Lehrer bin. Andererseits kann ich mir nicht vorstellen, dass sich Leute zusammentun, um sich etwas möglichst abstruses zusammenzuzimmern, mit dem sie mich dann auf die Palme bringen. Zum Beispiel in dem sie mich fragen, ob ich mir wegen Fukushima jetzt auch Jodtabletten gekauft hätte. Wer bin ich, ihnen erklären zu wollen, wo Japan liegt, wie sich Partikel ausbreiten, wie hoch die Belastung durch natürliche Radioaktivität hier ist, oder was die Leute meinen, wenn sie Halbwertszeit sagen.

Manchmal bin ich müde, so schrecklich müde und frage mich, ob es nicht einfacher wäre, „Bauer sucht Frau“ zu schauen, auf Ökostrom umzustellen weil das so toll für die Umwelt ist und bei der nächsten Grippe einfach meinen Namen zu tanzen. Ich würde es mir und meinem Umfeld vermutlich viel einfacher machen.
Ich gehe jetzt schlafen und zwar hinter dem

– Vorhang –

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