IV. Akt, 2. Szene

Vor kurzem hat jemand die scherzhafte Frage gestellt, warum Vogelscheuchen eigentlich fast immer männlich sind. Die Frage kam natürlich von einer Frau und sie hat weder ernsthafte Antworten erwartet, noch welche bekommen.

Vermutlich hätte sie mit der Antwort „Eine weibliche Vogelscheuche ist in der Herstellung aufwändiger und ihre Sexualdimorphismen sind den von ihr abzuschreckenden Vögeln genauso egal wie ihre Existenz im Allgemeinen“ auch gar nichts anfangen können.
Das ist hier natürlich anders, weswegen ich mich jetzt mal an einer ausführlicheren Antwort mit Abstechern in die hobbypsychologischen Abgründe der unterschiedlichen Körperwahrnehmung von Frauen und Männern im Allgemeinen und meiner im Speziellen versuche.

Mein Umfeld ist vermutlich nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung, sonst hätte „Bauer sucht Frau“ und „Schwiegertochter gesucht“ nicht so hohe Einschaltquoten, aber ich meine doch auch in meiner Bekanntschaft Tendenzen erkennen zu können, die allgemeinverbindlich sein dürften.

Männer haben in aller Regel ein relativ entspanntes Verhältnis zu ihrem Körper, Frauen in ihrer eher nicht. Diesen Satz ruhig noch mal lesen, ich habe auch gebraucht um ihn zu verstehen, dabei ist er von mir. Das endet dann auch nicht an den Körpergrenzen, weshalb bei durchschnittlichen Versandkatalogen die Aufteilung Frauenklamotten – die diese selbst allerdings nie als Klamotten bezeichnen würden – und Männerklamotten relativ konstant bei ungefähr 3:1 liegt. Männer brauchen auch nicht mehr. Wenn eine Hose passt, dann kaufen wir sie 3x, statt nach anderen Ausschau zu halten, die wir dann doch wieder nur anprobieren müssten und die im Endeffekt ja doch den gleichen Zweck erfüllen: Die Verhinderung von vorläufigen Festnahmen wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses, das Warmhalten im Winter und die Unterbringung von Kleinkram, den man ansonsten umständlich in der Hand halten müsste. Bevor ich jetzt völlig abschweife, in dem ich noch auf völlig unnötige Accessoires eingehe, bei denen ich erst mal schauen musste, ob ich sie richtig schreibe nur um dann festzustellen, dass sie richtigerweise mit nebensächlich übersetzt werden, komme ich zum Thema zurück.

Männer und Frauen und ihr Verhältnis zum eigenen Körper. Ich will jetzt nicht auf die ganzen Klischees diesbezüglich eingehen, wobei sie ja häufig schon stimmen. Irgendwas hat ein Klischee ja schließlich zum Klischee gemacht.

Vielleicht ein wohlmeinender Hinweis an alle, die das während des Essens lesen und eine blühende Phantasie haben: Erst nach Beendigung des Essens weiterlesen. Lassen wir die allgemeine Betrachtung mal hinter uns und wenden uns einem uninteressanteren Thema zu: Mir. Je besser ich aussehe, umso so unzufriedener bin ich. Da steht ein Komparativ, kein Positiv, ich gehe also nicht davon aus, gut auszusehen. Wenn ich das auf einer halblogarithmischen Achse von 0,01 bis 100 aufzeichnen würde, wobei 0,01 ich vor einem Jahr und 100 die Region von Brad Pitt und George Clooney ist, habe ich erst die Hälfte des Wegs hinter mir. Ein weiterer positiver Aspekt wenn man Mathematik beherrscht, ist, dass man sich die Achsen passend definieren kann, um deren freundliche Beachtung ich auch bitte, bevor jetzt jemand glaubt, ich würde mich momentan bei knapp unter 50 einstufen. Wo wir gerade bei Komparativ sind: Vergleiche mit dem Komparativ werden mit „als“ gebildet, nicht mit „wie“. Der Satz „Ich bin klüger wie Du“ ist also sowohl grammatikalisch als auch inhaltlich immer falsch, während das „wie“ im Satz „ich kann schlechter Deutsch wie Du“ auf einer subtilen Ebene den Inhalt in perfekter Weise unterstreicht. Aber es geht hier ja nicht um Grammatik, auch wenn ich meinen Bildungsauftrag sehr ernst nehme und um Subtilität geht es schon zweimal nicht.

Ich bestreite nicht, dass ich eitel war und bin, allerdings hat sich das bisher eher auf meinen Kopf bezogen, als auf meinen Körper. Das ist mittlerweile ein wenig im Umbruch. Ich bilde mir zwar immer noch viel auf meine Intelligenz ein, aber so langsam kümmere ich mich auch ein wenig um mein Außenbild. Während es mir früher völlig egal war, ob ich gerade einem Ausstellungsplakat zum Thema „Die Presswurst, modern interpretiert“ entsprungen zu sein schien oder ob mich Leute fragten, wo denn der Zirkus auftritt, wenn ich ganz augenscheinlich sein Zelt anhabe, bin ich da in letzter Zeit ein wenig selbstkritischer und versuche sowohl das eine, als auch das andere zu vermeiden. Hilfreich ist, dass die ehemaligen Presswurt-Shirts mittlerweile passen, wobei, sie würden passen, wenn die nicht irgendein Idiot so ausgebeult hätte.

Zurück zum Thema Eitelkeit. Früher, als es diese elektronischen Seuchen noch nicht gab und man explizit einen Fotoapparat kaufen musste, die Bilder zum Entwickeln bringen und sie am Ende in ein verstaubtes Album einklebte, habe ich ziemlich wenig Bilder von mir gesehen. Seit ein paar Jahren sehe ich mich relativ häufig und relativ unvorteilhaft, was nicht nur mit den prinzipiell schlechteren Linsen von Smartphones zusammenhängt. Vielleicht mit ein Grund, warum ich in letzter Zeit durch den Wald laufe und den Kontext von Ritter Sport geändert habe. Das würde allerdings bedeuten, dass ich früher diesbezüglich schon eitel war, allerdings mit einem relativ hohen Toleranz- und Akzeptanzlevel. Wenn ich mir die Bilder anschaue, dann muss es allerdings ziemlich hoch gewesen sein und es scheint sich seltsamerweise zu verringern. Wahrscheinlich irgend so eine Prozentsache.

Ich beginne allerdings auch die Vorteile meines bisherigen Lebens zu entdecken. Ich kann körperlich noch aufbauen. Zwar von einem ganz niedrigen Niveau her, aber es kommt ja nie auf absolute Größen an. Ich könnte jetzt wieder den Hammer erwähnen, bei dem das nicht so ist, aber dummerweise habe ich mittlerweile vergessen, welche Geschichte dahintersteckt und ich will ja keine Erwartungen wecken, die ich hinterher nicht erfüllen kann. Gerade wo ich füllen schreibe, fällts mir wieder ein. Aber das ist ein anderes Thema. Wir waren bei Vorteilen. Vermutlich ist es wesentlich leichter, mit Mitte 40 mit dem trainieren anzufangen als versuchen zu wollen, die Endlichkeit jedweden Seins intellektuell zu erfassen, zu verarbeiten und zu akzeptieren. Mit letzterem habe ich zwar auch noch Probleme, aber ich kenne viele, die schon beim ersten Punkt aussteigen.

Ich versuche jetzt ein wenig an der Akteptanz zu arbeiten. Weil es allerdings dabei vorkommen könnte, dass ich hemmungslos zu schluchzen beginne, mach ich das lieber hinter dem
– Vorhang –

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