Voller Stolz und vielleicht auch ein klein wenig Wehmut1 präsentiere ich mein inoffizielles Verlobungslied aus dem Jahr 1994.
Nein, ich war nicht mit einer imaginären Freundin verlobt, aber ich war natürlich auch nicht wirklich verlobt, wobei ich zu meiner Ehrenrettung vorbringen kann, dass es wirklich einen Antrag gab und sie ihn gemacht hat. Er war auch sehr unkonventionell.
Also nicht unkonventionell romantisch wie in amerikanischen Liebeskomödien, eher unkonventionell in dem Sinne, dass ich eines Abends nach Hause kam und auf meinem Anrufbeantworter sinngemäß die Nachricht hatte: „Scheisse Markus, die wollen mir kein Visum geben, wenn ich ihnen keinen Grund dafür liefere, dass ich nach einem Jahr wieder nach Deutschland zurückkomme. Können wir uns verloben?“
Jetzt auszuführen, was der zweite Satz mir bedeutet hätte, wäre da der erste nicht gewesen, würde eindeutig zu weit führen, weshalb ich es an dieser Stelle auch lasse.
Aber ich sollte vermutlich vorne anfangen.
Eine gute Freundin2 wollte nach dem Abitur für ein Jahr als Au-Pair in die USA und benötigte dafür ein Visum. Zum damaligen Zeitpunkt musste man manchmal noch seine Rückkehrwilligkeit unter Beweis stellen. Irgendwas, mit dem man dem Konsulat glaubhaft machen konnte, dass man nicht für immer im land of the free bleiben will, wenn man schon mal dort ist.
Da man als Abiturientin (zumindest in meinen Kreisen) nicht über ausgedehnte Ländereien verfügte, deren Bestellung die eigene Anwesenheit nötig gemacht hätten, fiel Grundbesitz schon mal raus. Die familiäre Bindung zu den Eltern ist bei Teenagern nicht immer so tief, dass sie ausgereicht hätte und mehr hatte sie nicht.
Das Konsulat hatte Richtlinien und „verheiratet“ wäre ausreichend für die Visumsbewilligung gewesen. Und weil meine Freundin intelligent und schlagfertig war3, hat sie gefragt, ob denn auch verlobt ausreichen würde. Verlobt würde reichen bekam sie beschieden, aber da es dabei keine offiziellen Dokumente gäbe, müsste ihr Verlobter was schreiben und eventuell mal zu einer Befragung mitkommen. Ich konnte schreiben, ich hatte Zeit und so kam ich zu meiner ersten Verlobung.
Ich habe meine Sache mit dem Schreiben vermutlich zu gut gemacht, denn es hat ausgereicht. Ich habe sogar von einer amerikanischen Konsularbeamtin bescheinigt bekommen, dass ich ein sehr poetischer Verlobter sei. Hätte ich mich ein wenig weniger angestrengt (also nicht die Wahrheit geschrieben), hätte ich sie vermutlich nach Frankfurt begleiten und vor Zeugen küssen dürfen.
Na ja, realistisch und in der Rückschau betrachtet hätte das auch nichts geändert. Manchmal ist es ja durchaus besser, wenn die Vermutung, was man gerade verpasst nicht durch Gewissheit ersetzt wird. Meinem damaligen Ich wäre es das vermutlich trotzdem wert gewesen, aber man wird ja älter und abgeklärter. Reifer würde ich jetzt nicht direkt sagen.
Wer beim Lesen dieser Zeilen übrigens irgendwo im Hinterkopf hat, dass es sich doch um die Dokumentation der Rückkehrwilligkeit hätte handeln sollen und eine Verlobung mit mir damit doch ausgesprochen kontraproduktiv gewesen sei, geht jetzt bitte mal in die Ecke und schämt sich kurz. Danke, reicht.
Weil wir gar nichts hatten, was Verlobte irgendwie haben (Ringe zum Beispiel) haben wir uns dann die kostengünstige Variante Verlobungslied ausgesucht.
„Love is all around“ war die perfekte Wahl, weil es einerseits kitschig-romantisch war und sich damit nahtlos in meinen Brief eingefügt hat und andererseits im dazugehörigen Film die letzte Hochzeit auch nicht stattfand.
- no offense intended. Wehmut nur, weil ich gerade festgestellt habe, dass das schon über ein halbes Leben zurückliegt [↩]
- kein Possessivpronomen sondern ein unbestimmter Artikel, falls das jemand falsch gelesen habe sollte [↩]
- meine generelle Schwäche für intelligente und schlagfertige Frauen, die noch etwas Chaos in sich tragen habe ich nie wirklich überwunden. Aber das gehört allerhöchstens in eine Fußnote [↩]
„Jetzt auszuführen, was der zweite Satz mir bedeutet hätte, wäre da der erste nicht gewesen, würde eindeutig zu weit führen, weshalb ich es an dieser Stelle auch lasse.“
Bin ja so penetrant… Ich kann mir da nur zwei Alternativen denken
1) ja bitte
2) och nöö
Da gibt es so unendlich viele Abstufungen zwischen 1 und 2.
Hätte ich aber alle nicht gebraucht