Weil mich auf meinen letzten Blogbeitrag wirklich 2 (in Worten: zwei) Männer angesprochen haben und weil ich ja meine Tarnidentität als Paartherapeut festigen muss, folgt jetzt ein ganz allgemeiner Beitrag zu mittelalten Ehen.
Liebe Männer:
Nur weil etwas so läuft wie immer, bedeutet das nicht, dass es auch gut läuft. Die Zeiten ändern sich ebenso wie die Ansprüche und Bedürfnisse. Auch wenn das bei Euch vielleicht nicht der Fall ist, heißt das nicht automatisch, dass Eure bessere Hälfte ähnlich empfindet.
Liebe Frauen:
Männer verstehen grundsätzlich keine Andeutungen. Wenn ihr etwas wollt, müsst ihr das auch klar und deutlich sagen.
Drei der Ehen, deren Ende ich bisher miterleben musste, scheiterten nicht in einer spektakulären Explosion, sondern erodierten jahrelang still und leise vor sich hin, bis am Ende nur noch ein Häufchen Sand und Rost von dem übrig war, was eigentlich das Fundament einer lebenslangen und erfüllten Beziehung hätte sein sollen. Begraben unter einer meterdicken Schicht aus Alltag, Stress im Beruf, Erziehung der Kinder und den vielen anderen kleinen Dingen, die im jeweiligen Moment immer ein bisschen wichtiger waren als der Partner. Und irgendwie war keiner wirklich schuld.
Für viele mittelalte Männer ist der Hafen der Ehe wirklich ein Hafen. Man ist vor Urzeiten von den heimischen Gestaden aufgebrochen, hat eine gewisse Zeit auf dem Meer verbracht, was damals oft auch ganz lustig war, aber das war es dann auch.
Hauptsächlich war es nämlich anstrengend und kompliziert. Dass der Zweck eines Schiffes ist, mit Wind in den Segeln auf dem Wasser zu fahren und nicht, an einer Kaimauer herumzudümpeln, kommt den wenigsten in den Sinn.
Ist doch gerade so gemütlich und sicher und bequem. Außerdem ist der PC so nahe, an dem man rumbasteln kann, oder das Buch, das unbedingt gelesen werden will, oder die Kumpels, die am Steg warten um einen draufzumachen.
Dass Ehe kein statischer Zustand sondern ein sich ständig verändernder Prozess ist, haben viele nicht wirklich verstanden.
Der Spruch „Frauen brauchen keinen Mittelfinger, die können das mit den Augen“ stimmt zwar, aber auch genau nur dafür. Als Mann bekommt man durchaus mit, wenn man den Unmut seiner Frau erregt hat, aber leider hat man keine Ahnung, was man tun müsste, damit daraus mal wieder öfter ein Lächeln wird. Niemand entwickelt sich über Nacht vom Don Juan, der Wünsche von den Augen ablesen kann in einen komplett empathielosen Volltrottel. Umgekehrt funktioniert das übrigens genau so wenig. Liebe Frauen, ihr müsst mit dem arbeiten, was ihr damals geheiratet habt. Irgendwann nutzt sich das mit den Augen nämlich ab und weil er der Meinung ist, sowieso immer alles falsch zu machen, lässt er es ganz bleiben. In den wenigsten Fällen, die ich kenne, haben sich die Männer verändert, es waren die Ansprüche der Frauen. Was durchaus legitim ist, aber es muss halt auch klar und deutlich kommuniziert werden. Augen alleine reichen nicht. Es handelt sich um Männer, da braucht es mehr.
Es gibt genau zwei Möglichkeiten, wie aus solchen mittelalten Ehen, alte Ehen werden.
Die Frau resigniert und akzeptiert, dass es in diesem Leben wohl nichts mehr wird mit dem Mann, der aufmerksam ist, ihre Bedürfnisse erkennt und ihr das Gefühl gibt, die wichtigste und begehrenswerteste Frau in seinem Leben zu sein. Immerhin tropft der Wasserhahn nicht, der Garten sieht auch ordentlich aus und am Ende des Monats ist noch genügend Geld vorhanden. Man flüchtet sich in die Religion, weil da wenigstens einer zuhört, in den Sport, weil man da die Rückmeldung bekommt, es noch zu können oder in irgendwelche Ehrenämter, weil da die eigenen Bemühungen wenigstens bemerkt und anerkannt werden.
Oder der Mann bekommt einen Impuls von außen. Manchen reicht ein kleiner Anstupser, andere brauchen einen Schwerlasttransporter, der sie ordentlich durchrüttelt.
Nur eines passiert garantiert nie: Dass sich ein Mann plötzlich und ohne äußeren Einfluss des Status seiner Ehe bewusst wird und beginnt, daran zu arbeiten. So ganz von alleine kommt er nicht darauf, dass er etwas tun muss. Hat sich ja nichts geändert, läuft doch gut, so wie es läuft.
Ihr, die ihr eintretet, lasst alle Hoffnung fahren.
Liebe Männer:
Falls Eure Frau innen schon so klingt (nicht von der Musik irritieren lassen, oder der Tatsache, dass ein Mann singt. Text lesen):
Solltet ihr langsam anfangen zu überlegen, was ihr ändern könnt. Wenn ihr sie wirklich liebt, ist das Hoffen auf resignative Akzeptanz keine Lösung. Und ja, das kann man hören. Man muss dann allerdings auch zuhören.
Liebe Frauen:
Es gibt ein schönes Zitat von Tucholsky über das Leben:
Erst habe ich gemerkt, wie das Leben ist.
Und dann habe ich verstanden, warum es so ist,
und dann habe ich begriffen, warum es nicht anders sein kann.
Und doch möchte ich, daß es anders wird.
Möchten alleine reicht nicht.