Sabbatical – Kassensturz

Ich bin zurück aus Kanada, sitze tagsüber wieder im Büro und was bleibt sind die Erinnerungen, eine Festplatte voller Bilder und ein fettes Grinsen im Gesicht.

Ich wurde schon vor Beginn des Sabbaticals relativ häufig gefragt, was das denn alles kosten würde, aber damals hatte ich nur eine grobe Budgetplanung.
Mittlerweile sind alle Rechnungen eingegangen und ich kann festhalten: Ich habe das Budget aber sowas von gerissen. Das ist nicht weiter schlimm, es war ja keine fixe Obergrenze sondern nur „roughly estimated“.

Die Frage kann ich allerdings immer noch nicht richtig beantworten. Das liegt nicht daran, dass ich es nicht weiß, sondern daran, dass wir ja eigentlich mehrere Dinge gleichzeitig gemacht haben:

Ich habe ein Sabbatical gemacht, meine Kinder haben ein Auslandsjahr in der Schule genossen und meine Frau hat genaugenommen zwei sehr lange Urlaube in Kanada verbracht, die durch zweieinhalb Monate Arbeitsaufenthalt zuhause miteinander verbunden waren.

Dann haben wir in der Zeit auch noch mehrere „Kurzurlaube“ gemacht, bei denen man geteilter Meinung sein kann, ob sie jetzt dazu zählen oder nicht. Man muss schließlich nicht nach New York fliegen und einen Marathon laufen, oder für 4 Tage mit der ganzen Familie nach Vancouver fliegen um die Stadt, Wale und Otter anzuschauen.

Aber weil zumindest einige gesagt haben, dass sie so was auch planen und für einen Überblick dankbar wären, liste ich jetzt die Kosten einfach nach Kategorien auf. Zusammenzählen muss jeder selbst.

Mindereinnahmen

Gehaltseinbußen

Die Mindereinnahme lässt sich relativ einfach berechnen, denn prinzipiell habe ich für die 6 Monate kein Gehalt bekommen. Es fehlt also ein halbes Jahreseinkommen.
Das sind in einem tarifgebundenen Metallunternehmen in der Gehaltsgruppe EG15 mit allen Sonder- und Zusatzleistungen in Lohnsteuerklasse 3 ungefähr 28’000€ netto und damit auch der größte Posten der Gesamtrechnung. Da steht ein ungefähr, weil ich sowohl in der Anspar- als auch der Freistellungsphase ein vermindertes Gehalt bekommen habe und damit die Steuerprogression reingespielt hat und ich Tarifsteigerungen mitgemacht habe, die bei einem unbezahlten Urlaub so nicht gewirkt hätten.

Rentenminderung

Ich hätte das nicht extra aufgeführt, aber da ich explizit danach gefragt wurde, kommt es auch in die Aufstellung.
Weil ich mit dem verminderten Gehalt unter der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung liege, wirkt sich obige Mindereinnahme auch teilweise auf die Rente aus, die ich später irgendwann mal bekommen werde. Wegen des sabbaticals habe ich 0,8 Rentenpunkte weniger auf dem Konto, was zur Zeit einer Bruttorente von 24€ pro Monat entspricht.

Wieviel das am Ende sein wird, könnte ich erst sagen, wenn ich tot bin, aber dann kann ich es aus naheliegenden Gründen nicht mehr und selbst wenn ich es könnte, wäre es mir vermutlich egal.

Fixkosten

Darunter fasse ich grob alles zusammen, was in Blöcken und größtenteils schon vor Beginn des Kanada-Aufenthalts bezahlt werden musste.

Schulausgaben für die Kinder

Die Kinder sind über das Rocky Mountain International Student Program RMISP des School District No. 6 in British Columbia, Canada an ihren Schulplatz gekommen. Ich habe das direkt mit dem Büro des RMISP ausgekaspert, mittlerweile kommt man wohl nur noch über die diversen „study abroad“-Anbieter rein.
Ich möchte an dieser Stelle kurz betonen, dass diese Änderung meines Wissens nicht an mir, meinem Verhalten oder an meinen Kindern liegt.

Sei’s drum, ich habe ja die Rechnungen. Da wären zum einen meine Tochter, die 5 Monate Schulgebühren (4’400€), Programmgebühren (670€) und eine Krankenversicherung (350€) für die Zeit benötigt hat. Den größeren Batzen hat mein Sohn gekostet, der mit 10 Monaten Schulgebühren (8’700€), Programmgebühren (670€), Krankenversicherung (700€) und 5 Monaten Aufenthalt in einer Gastfamilie (3’200€) zu Buche schlägt.

Zusammen also 18’690€.

Unterkunft

Wie wir zu dem Haus gekommen sind, wäre vielleicht einen eigenen Beitrag wert, aber hier soll es ja nur um die Kosten gehen.

Die Vorgaben waren relativ klar: Wir brauchen für 7 Monate eine möblierte Wohnung oder Haus mit mindestens 3 Schlafzimmern und 2 Bädern.
Ich habe eine gemischtgeschlechtliche Nachkommenschaft im Teenager-Alter. Ich wollte mir weder die Nerverei antun, die beiden in ein Zimmer zu sperren noch wollte ich stundenlang vor der geschlossenen Bad-Tür verbringen.

Die Angebote waren dementsprechend dünn gesät, weil der Markt dort entweder „groß“ oder „möbliert“ im Angebot hat, aber nur sehr selten beides. Mit Hilfe eines Maklers vor Ort habe ich das perfekte Haus gefunden, was allerdings mit insgesamt 12’500€ all-inclusive (Strom, Gas, Wasser, Internet) zu den Gesamtkosten beiträgt.

Auto

Die ursprüngliche Planung, ein Auto zu kaufen, zuzulassen und am Ende wieder abzustossen habe ich aufgrund vielfältiger Stolpersteine sein gelassen (für Fachleute möchte ich nur kurz einwerfen, dass das Steuersystem in British Columbia im Gegensatz zum deutschen kein „Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug“-System ist).

Da man ohne Auto in Kanada ziemlich aufgeschmissen ist, wurde es am Ende ein Mietwagen. Es lohnt sich, im Web nach Gutschein-Codes und ähnlichem zu suchen, überraschenderweise haben die bei Avis funktioniert, was aber trotzdem nichts daran geändert hat, dass ich am Ende für 205 Tage Mittelklasse-Auto (das dann in Vancouver kostenlos in einen SUV upgegraded wurde) mit Vollkasko-Versicherung 4’750€ bezahlen musste.

Flüge

Meine Kinder und ich sind jeweils einmal hin und zurück, meine Frau zweimal, insgesamt also 10 Flüge mit einer Menge Übergepäck, die mit insgesamt 4’150€ in die Gesamtrechnung eingehen. Da hätte man sicher noch etwas optimieren können, aber wir wollten alle eher nicht so oft zwischenlanden (Das hat zumindest für meine Frau und meine Tochter nicht so gut geklappt, aber auch das ist eine andere Geschichte).

Krankenversicherung

Meine Kinder waren über die Schule versichert und meine Frau war als Beamtin und dank des gesplitteten Aufenthalts über ihre deutsche Krankenversicherung abgedeckt, so dass nur ich eine Versicherung benötigte, die dann auch noch erstaunlich günstig war. Für 780€ konnte ich einen Haken hinter den Punkt auf der Checkliste setzen.
Bernd, der mich im Februar besucht hat, hat auf seiner Seite bodensee-overlander.de dankenswerterweise einen tollen Überblick geschrieben, den ich selbst genutzt und an dieser Stelle nur wärmstens weiterempfehlen kann. Nicht nur die Übersicht, sondern den ganzen Blog.

Variable Kosten

Lebenshaltung

Auch in Deutschland hätten wir essen, trinken, Geschirr spülen und Popo abputzen müssen, weswegen ich da jetzt mal überschlägig von 15% höheren Lebenshaltungskosten ausgehe. Manche Dinge sind billiger, manche Dinge sind teurer und wir haben ca. 1’000€ mehr für die Dinge des täglichen Bedarfs ausgegeben.

Insgesamt liefen ungefähr 1’700 Liter Benzin durch den Mietwagen, was ungefähr das doppelte von dem ist, was wir in einem halben Jahr in Deutschland verfahren. Da der Sprit in Alberta aber nur ca. 65 ct/L kostet, ergeben sich am Ende zumindest für mich da keine Mehrkosten und es bleibt bei den 1’000€.

Chichi

Dieses Wort kenne ich schon länger. Die griffige Definition, dass man damit all das bezeichnet, was nichts zur reinen Funktionalität beiträgt, am Ende aber den entscheidenden Unterschied zwischen einem „so lala“-Ergebnis und einem „adventure of a lifetime“ ausmacht, verdanke ich allerdings meiner Nachbarin, Lauftrainerin und Freundin Claudie, die damit die perfekte Überschrift für diese Kategorie geliefert hat.

Ich liste da jetzt nicht alles auf, sondern nur beispielhaft den New York Marathon, der inklusive Flug, Hotel und Startgeld mit 1’500€ in der Liste steht, der Jahres-Ski-Pass für meinen Sohn, der im Vorverkauf 520€ gekostet hat, die Whale-Watching-Tour in Vancouver mit 400€ und last but not least der Besuch des Icefield-Parkway, der durch die 2 Übernachtungen auch auf 300€ kommt (konnte ja auch keiner ahnen, dass wir in den frühesten Wintereinbruch seit über 50 Jahren kommen. Schön war’s trotzdem).

Insgesamt ist der Chichi-Anteil an den Gesamtkosten mit knapp 12’000€ relativ hoch, aber ich halte es da ein wenig mit George Best, der meinte

„I spent a lot of money on booze, birds and fast cars. The rest I just squandered.“

Bei mir waren es zwar andere Sachen, aber die Grundeinstellung ist die gleiche.

Zusammenfassung (tldr)

Die Antwort auf die Frage, was das denn jetzt alles gekostet hat, ist mit  „Knapp 80’000€“ also genau so richtig oder falsch beantwortet wie mit jedem kleineren Betrag. Ich persönlich würde die Einkommenseinbuße und verschiedene Chichi-Sachen nicht mitrechnen, hatte in Deutschland auch ein paar Einsparungen (Auto, Strom, Wasser) und lande dann irgendwo bei etwas über 45’000€.

Ja, das klingt im ersten Moment erschreckend viel, auf der anderen Seite bekommt man für das Geld gerade mal einen mittelmäßig ausgestatteten Range Rover Evoque, BMW 318i Touring oder VW Passat und ich sammle halt eher Momente als Dinge.
Andere sehen das anders und kaufen sich zum Glück Autos mit Getrieben, Lenkungen oder Dämpfern meines Arbeitgebers, weil die mich schon längst hätten entlassen müssen, wenn es nur Leute wie mich gäbe.

An dieser Stelle also ein ehrliches Danke, durch das Erfüllen Eurer Träume finanziert ihr meine Träume quasi mit.

Falls irgendjemand spezifische Fragen hat, kann er mir gerne schreiben (in die Kommentare oder per Mail), anrufen, auf einen Kaffee vorbeikommen oder sich sonst irgendwie melden. Ich versuche alles so  umfänglich wie möglich zu beantworten.

 

 

4 Gedanken zu „Sabbatical – Kassensturz“

  1. Super! Ich finde es toll, wenn jemand sowas macht und sich nicht von „guten Ratschlägen“ „guter Freunde“ von so einem Vorhaben abbringen lässt.

    Mein Mann und ich sind auch extrem reisebegeistert und reiselustig und sind jedes Jahr im Winter 2 Monate unterwegs, immer da, wo’s warm ist. Ich kann total verstehen und nachvollziehen, was Ihr gemacht habt.

    1. Danke, es war wirklich für alle eine spannende und intensive Erfahrung und als Papa hat es mich unheimlich gefreut und stolz gemacht, wie meine Kinder in diesem Abenteuer aufgegangen sind und sich entwickelt haben.

      Und ich kann das „wo’s warm ist“ jetzt auch nachvollziehen. Das nächste Mal wird es irgendwas, was man auch im T-Shirt bereisen kann 🙂
      (Obwohl, die Kanadier waren teilweise auch bei -30°C in kurzen Hosen unterwegs)

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