31 – turn the page

Ende 1998 – das Studienende lag in Reichweite – fuhren wir zu neunt über Silvester in die Bretagne. In 3 Autos. Dem Raucherauto, einem ganz normalen Auto und einem Auto, bei dem die Fensterscheiben runter fuhren, wenn es begann zu regnen.

Weil Studenten damals noch arm waren, haben wir die teuren Autobahnen verschmäht und sind auf diversen routes nationales einmal quer durchs Land gefahren, wobei im Raucherauto relativ viel Metallica lief, unter anderem untenstehendes Lied.

Unser Ferienhaus hatte einen elektrisch beheizten Innen-Pool und da wir Einsparpotenzialen gegenüber immer aufgeschlossen waren, wurde relativ rasch die Entscheidung gefällt, dass der Pool nicht benutzt wird, weil alleine die Stromkosten den Preis der Reise verdoppeln würden.

Und weil da 8 angehende Ingenieure und ich1 dabei waren, fing gleich die Diskussion an, was denn günstiger wäre. Den Pool durchgängig warm halten, oder abkühlen lassen und am Schluss wieder aufheizen.
Ich bin aus dieser Diskussion nach gefühlten 20 Sekunden ausgestiegen, aber es war interessant zu erfahren, was ich alles hätte wissen können, wenn ich in den Vorlesungen aufgepasst hätte.
Am Ende gewann die Fraktion „wir stellen den Pool ab und heizen am Schluß wieder hoch“.
Ich würde jetzt gerne „gesagt, getan“ schreiben, aber wir hatten nicht mit einer französischen Poolsteuerung ohne Bedienungsanleitung gerechnet, die den Anwesenden alles abverlangte. Die fehlende Bedienungsanleitung wäre verkraftbar gewesen, denn erstens wäre sie vermutlich in französisch verfasst gewesen und zweitens liest ein echter(TM) Ingenieur sowieso keine.

Hätte ich den Mietvertrag bereits am Anfang richtig gelesen, wäre mir aufgefallen, dass wir pauschal Strom bezahlen und nicht den echten Verbrauch.

Einerseits wären wir dann vermutlich mal schwimmen gegangen, andererseits gäbe es diese Geschichte nicht.

  1. technisch gesehen war ich auch angehender Ingenieur, aber die wussten Dinge … []

32 – love is all around

Voller Stolz und vielleicht auch ein klein wenig Wehmut1 präsentiere ich mein inoffizielles Verlobungslied aus dem Jahr 1994.

Nein, ich war nicht mit einer imaginären Freundin verlobt, aber ich war natürlich auch nicht wirklich verlobt, wobei ich zu meiner Ehrenrettung vorbringen kann, dass es wirklich einen Antrag gab und sie ihn gemacht hat. Er war auch sehr unkonventionell.
Also nicht unkonventionell romantisch wie in amerikanischen Liebeskomödien, eher unkonventionell in dem Sinne, dass ich eines Abends nach Hause kam und auf meinem Anrufbeantworter sinngemäß die Nachricht hatte: „Scheisse Markus, die wollen mir kein Visum geben, wenn ich ihnen keinen Grund dafür liefere, dass ich nach einem Jahr wieder nach Deutschland zurückkomme. Können wir uns verloben?“

Jetzt auszuführen, was der zweite Satz mir bedeutet hätte, wäre da der erste nicht gewesen, würde eindeutig zu weit führen, weshalb ich es an dieser Stelle auch lasse.

Aber ich sollte vermutlich vorne anfangen.

Eine gute Freundin2 wollte nach dem Abitur für ein Jahr als Au-Pair in die USA und benötigte dafür ein Visum. Zum damaligen Zeitpunkt musste man manchmal noch seine Rückkehrwilligkeit unter Beweis stellen. Irgendwas, mit dem man dem Konsulat glaubhaft machen konnte, dass man nicht für immer im land of the free bleiben will, wenn man schon mal dort ist.
Da man als Abiturientin (zumindest in meinen Kreisen) nicht über ausgedehnte Ländereien verfügte, deren Bestellung die eigene Anwesenheit nötig gemacht hätten, fiel Grundbesitz schon mal raus. Die familiäre Bindung zu den Eltern ist bei Teenagern nicht immer so tief, dass sie ausgereicht hätte und mehr hatte sie nicht.

Das Konsulat hatte Richtlinien und „verheiratet“ wäre ausreichend für die Visumsbewilligung gewesen. Und weil meine Freundin intelligent und schlagfertig war3, hat sie gefragt, ob denn auch verlobt ausreichen würde. Verlobt würde reichen bekam sie beschieden, aber da es dabei keine offiziellen Dokumente gäbe, müsste ihr Verlobter was schreiben und eventuell mal zu einer Befragung mitkommen. Ich konnte schreiben, ich hatte Zeit und so kam ich zu meiner ersten Verlobung.

Ich habe meine Sache mit dem Schreiben vermutlich zu gut gemacht, denn es hat ausgereicht. Ich habe sogar von einer amerikanischen Konsularbeamtin bescheinigt bekommen, dass ich ein sehr poetischer Verlobter sei. Hätte ich mich ein wenig weniger angestrengt (also nicht die Wahrheit geschrieben), hätte ich sie vermutlich nach Frankfurt begleiten und vor Zeugen küssen dürfen.

Na ja, realistisch und in der Rückschau betrachtet hätte das auch nichts geändert. Manchmal ist es ja durchaus besser, wenn die Vermutung, was man gerade verpasst nicht durch Gewissheit ersetzt wird. Meinem damaligen Ich wäre es das vermutlich trotzdem wert gewesen, aber man wird ja älter und abgeklärter. Reifer würde ich jetzt nicht direkt sagen.

Wer beim Lesen dieser Zeilen übrigens irgendwo im Hinterkopf hat, dass es sich doch um die Dokumentation der Rückkehrwilligkeit hätte handeln sollen und eine Verlobung mit mir damit doch ausgesprochen kontraproduktiv gewesen sei, geht jetzt bitte mal in die Ecke und schämt sich kurz. Danke, reicht.

Weil wir gar nichts hatten, was Verlobte irgendwie haben (Ringe zum Beispiel) haben wir uns dann die kostengünstige Variante Verlobungslied ausgesucht.

„Love is all around“ war die perfekte Wahl, weil es einerseits kitschig-romantisch war und sich damit nahtlos in meinen Brief eingefügt hat und andererseits im dazugehörigen Film die letzte Hochzeit auch nicht stattfand.

  1. no offense intended. Wehmut nur, weil ich gerade festgestellt habe, dass das schon über ein halbes Leben zurückliegt []
  2. kein Possessivpronomen sondern ein unbestimmter Artikel, falls das jemand falsch gelesen habe sollte []
  3. meine generelle Schwäche für intelligente und schlagfertige Frauen, die noch etwas Chaos in sich tragen habe ich nie wirklich überwunden. Aber das gehört allerhöchstens in eine Fußnote []

33 – in your room

Einfach ein schönes Lied, das ich jetzt keinesfalls mit meinem Gelaber totquatschen werde

34 – last resort

Wer mir Freitag nachmittags auf dem Heimweg begegnet, kann mich das manchmal singen hören. Laut und falsch1, aber inbrünstig.
Weil ich um meine eigenen Unzulänglichkeiten weiß, mittlerweile aber zumindest bezüglich dieser speziellen im Stadium der resignativen Akzeptanz angekommen bin, sind Besuche im Autohaus mit mir auch immer ein klein wenig verstörend, weil meine Entscheidungskriterien, wann ein Auto in Frage kommt, nicht dem gängigen Bild entsprechen, das Autoverkäufer vermutlich haben.

Während andere zu besonderen Alu-Felgen, getönten Scheiben, einer anderen Farbe oder der Kofferraumgröße Fragen haben, ist für mich ein Kaufkriterium, ob ich mich noch singen höre, wenn das Radio voll aufgedreht ist. Und weil ich Aussagen nicht blind vertraue, probiere ich das auch aus.

Und dann kann man Autoverkäufer beim Denken beobachten:

„Darf der überhaupt ein Auto kaufen, oder taucht morgen sein gerichtlich bestellter Betreuer auf und macht den Kauf rückgängig?“

„Scheisse ist das laut“

„Vielleicht hätten wir das Auto in die Werkstatt stellen sollen, bevor er das ausprobiert“

„Vielleicht hätten wir das Auto vom Gelände fahren sollen, bevor er das ausprobiert“

„Der hört jetzt nicht wirklich noch ein zweites Lied“

„Ich hätte was gescheites lernen sollen, irgendwas mit Holz“

Natürlich könnte man Boxen und Verstärker auch einfach nachträglich einbauen, aber dafür bekomme ich von meiner standesamtlich bestellten Betreuerin keine Genehmigung, weil das unnötiger Schnickschnack ist. Dabei ist es wirklich extrem entspannend, also das laut mitsingen.

  1. Falsch dergestalt, dass ich fast keinen einzigen Ton treffe. Na gut, das fast kann man eigentlich streichen []

35 – Kryptonite

Mal wieder so ein Lied, bei dem ich hauptsächlich unverständige Blicke dafür ernte, Luftgitarre spielend und laut mitsingend durchs Wohnzimmer zu hüpfen.
Irgendwann werden Eltern nun mal peinlich.
Textsichere Eltern ein wenig später, weil nur „lalala“ singend auf der nach unten offenen Peinlichkeitsskala noch etwas tiefer rangiert, aber das rettet einen allerhöchstens 2 Minuten. Wahrscheinlich eher nur 1 Minute und auch nur dann, wenn die Sekunden sehr kurz sind.
Aber wenn ich mir aussuchen kann, ob ich wegen sowas peinlich bin, oder wegen des Mitschunkelns beim Musikantenstadl, entscheide ich mich für ersteres, das macht wenigstens Spaß.

Kommen wir zum Inhalt des Lieds und den Problemen die entstehen, wenn die Kinder den Text verstehen.
Da bekommt man schon mal zu hören, da wäre ein „if“ zuviel in der ersten Zeile des Refrains, die Zeit wäre zumindest in meinem Falle falsch, das müsse simple past sein und nein, er würde das nicht mehr tun, hätte er im übrigen auch noch nie. Dabei wird man dann angeschaut mit einem Blick, der irgendwo zwischen Missbilligung und müdem Lächeln schwankt, während er sich im Hinterkopf vermutlich schon überlegt, wieviel ihn später die Umschläge ans Pflegepersonal kosten werden, weil der Alte mal wieder völlig ausgetickt ist.
Grundsätzlich macht mich sowas ja stolz (also auf meine Kinder), aber vermutlich steige ich doch auf französische Chansons um.

Um noch mal kurz zum Text zurückzukehren. Nicht, dass ich Superkräfte hätte, aber Kryptonit gibt’s trotzdem für mich.