Wir können das Buch selber schreiben,
es gibt genug freie Seiten.
(Ja, manchmal fehlt der Stift)
Es gibt eine Million Gründe, warum es keine gute Idee ist, bei meinem Arbeitgeber ein 7-monatiges Sabbatical zu beantragen, Frau und Kinder zu schnappen und die Zeit in Kanada zu verbringen. Ich glaube, ich kenne sie fast alle. Und es gibt vier gute Gründe, es trotzdem zu machen. Meine Frau, meine Kinder und mich.
Vielleicht sollte ich aber viel weiter vorne beginnen.
Ich bin in meinem Leben ganz unterschiedlichen Menschen begegnet und habe auch jetzt noch einen ziemlich heterogenen Bekannten- und Freundeskreis.
Da findet sich alles, vom Teilzeit-Aussteiger, der eine 3-jährige Weltumfahrung mit seiner Frau und seinem Land Rover plant, bis zum Ex-Kommilitonen, der schon bei der Überreichung des Diploms vor mittlerweile 17 Jahren wusste, wie die nächsten 25 Jahre seines Lebens aussehen sollen (und der das bis jetzt auch erstaunlich gut hinbekommen hat).
Vom Lebemann, der sein Motto direkt von George Best übernommen haben könnte bis zum bodenständigen Menschen mit 40-Stunden-Woche, Frau, Kindern, Haus, 2 Daimler in der Garage und dem jährlichen 10-Tage-All-inclusive-Urlaub irgendwo, wo es warm ist.
Von der Juristin, die irgendwann genug hatte von Mietrechtsstreitigkeiten und Gedöns und mittlerweile Kletterkurse auf den Kanaren anbietet, bis zum Consultant, der für seinen Arbeitgeber die Welt bereist und in einem halben Jahr mehr Bonusmeilen sammelt und mehr Hotelzimmer von innen sieht, als ich vermutlich in meinem ganzen Leben.
Die interessantesten Gespräche haben sich immer dann entwickelt, wenn zwei von da oben aufeinander geprallt sind und vergeblich versucht haben, sich gegenseitig davon zu überzeugen, dass der eigene Plan fürs Leben der einzig Wahre und der des Gegenübers völlig bescheuert ist. In solchen Situationen hole ich mir mittlerweile je nach Tageszeit und Ort einen Kaffee oder Gin Tonic, setz‘ mich hin und hör‘ einfach zu.
Man kann da ja so viel lernen.
Manche fühlen sich von alternativen Herangehensweisen schon fast physisch herausgefordert, andere reagieren relativ gelassen darauf, dass es da noch was außerhalb der eigenen Pfade und Vorstellungen gibt. Die für mich wichtigste Erkenntnis ist, dass man nur ein Leben lebt und zwar das eigene.
Lustig und spannend ist es auf jeden Fall immer.
Das sind so völlig unterschiedliche Lebensentwürfe, die teilweise genauestens geplant waren und für die teilweise das schwäbische ’s isch halt so worre gilt. Manchen merkt man an, dass das genau das ist, was sie vom Leben erwartet haben. Die ruhen in sich selbst und strahlen eine tiefe Gelassenheit aus. Bei anderen spürt man, dass es manchmal flackert und brodelt und im Kopfkino oft das Stück „was wäre wenn …“ läuft.
Wer mich schon etwas länger und besser kennt, wird vielleicht den oberen Absatz in genau der Reihenfolge an mir beobachtet haben.
Ich zumindest habe das.
Und irgendwann bin ich dann an den Punkt gekommen, an dem ich mich gefragt habe, was ich denn jetzt mit der Erkenntnis anfange.
Ich kann mich einreihen in die Legionen von Facebook-Weisheiten-Postern, die tagtäglich und in den unterschiedlichsten Variationen verkünden, dass man sein Leben nur einmal lebt und die es dabei doch so leben, als wäre es nur auf Probe und sie hätten irgendwo da draußen noch ein zweites „richtiges“ zur Verfügung, das auf sie wartet und in dem sie es dann mal so richtig krachen lassen. Irgendwann einmal, wenn die Kinder groß sind, das Haus abgezahlt ist, wenn man die Eltern nicht mehr pflegen muss, wenn endlich die Rente kommt, wenn …
Das kann gut gehen und man kann schließlich auch mit knapp 70 und grauen Haaren bzw. Halbglatze noch den Highway No. 1 im Cabrio entlangbrausen und als „Golden Ager“ durch den „Golden State“ cruisen.
Es kann aber auch schiefgehen und man verbringt die Zeit in einer 7-Liter-Windel im Pflegeheim, weil Herr Alzheimer zugeschlagen hat oder in einer schnuckligen 2qm-Parzelle auf dem städtischen Friedhof, weil ein Aneurysma meinte, platzen zu müssen oder man kämpft ganz banal mit Verschleißerscheinungen und einer Tablettenbox in Schrankkoffergröße, weil die Arthrose im Knie aufmuckt, der Blutdruck nicht da ist, wo er sein sollte, die Knochendichte zu wünschen übrig läßt, die Nieren nicht mehr so wollen, wie sie sollen, …
Man weiß es halt nicht.
Ich könnte mich auf mein Glück verlassen und hoffen, dass das alles schon so wird, wie ich es mir vorstelle. Oder ich arbeite einfach mal aktiv daran, so dass das Leben auch eine realistische Chance hat, so zu werden.
Die Idee, für eine begrenzte Zeit ins Ausland zu gehen hatten wir schon vor ein paar Jahren, als mein Ex-Arbeitgeber für 2 Jahre einen IT’ler in den USA gesucht hat. Dummerweise wurde er dann aufgekauft und die ganzen Expat-Programme fielen dem Rotstift zum Opfer, irgendwer musste ja die Übernahme finanzieren. In meinem jetzigen Unternehmen gibt es zwar auch Expats, aber da falle ich einerseits durchs offizielle Raster und andererseits gibt es gerade nichts, was mich wirklich reizen würde.
Aber es gibt eine schöne Betriebsvereinbarung zum Sabbatical und da der Hauptgrund für den Auslandsaufenthalt damals ja nicht war, irgendwelche Karriere-Bausteine zu sammeln, sondern das Arbeiten eher nur notwendiger Nebenaspekt gewesen wäre, versuche ich einfach, die zu nutzen.
Die ersten Gespräche liefen durchaus positiv, was ein bisschen tricky war, da ich ja einerseits argumentieren musste, dass es auch ein halbes Jahr ohne mich geht, während ich andererseits dadurch die Stelle als solches nicht in Frage stellen darf. Aber läuft.
Was der Sinn des Lebens ist,
weiß keiner genau.
Jedenfalls hat es wenig Sinn,
der reichste Mann auf dem Friedhof zu sein.
Peter Ustinov
Mal ganz davon abgesehen, dass ich das sowieso nicht schaffen würde, bin ich in der glücklichen Situation, dass ich genug Geld habe um all das machen zu können, was ich auch möchte. Mir kommt natürlich entgegen, dass ich nicht so sehr an Dingen hänge sondern an Menschen und eher in Momenten denke als in Besitz. Aber da hat ja jeder seins und wenn mich mein Umfeld eins gelehrt hat, dann das, dass Glück etwas sehr individuelles ist.
Was mir ein bisschen fehlt ist Zeit und deshalb mache ich jetzt das, was einer meiner Profs vor 20 Jahren schon zu uns meinte „Sie bringen momentan viel Zeit auf, um Geld zu bekommen aber irgendwann werden Sie ihr Geld dazu benutzen, Zeit zu bekommen“.
Das „irgendwann“ ist jetzt. BTDTNT
Lange Rede kurzer Sinn:
Wir sind dann vermutlich irgendwann mal weg.
Wenn es wie gewünscht funktioniert von August 2018 bis Februar 2019.
In Kanada.
Da ich das bisher noch nie gemacht habe, wird die Planung sicher ziemlich oft über den Haufen geschmissen werden. Ich vertraue da jetzt einfach mal auf meine Intelligenz und die Fähigkeit zur unkonventionellen Problemlösung.
Wer das mitverfolgen möchte, kann das hier im Blog tun. Ich verspreche, auch die Niederlagen ausführlich zu dokumentieren. Aus denen lernt man ja bekanntlich am meisten. Und die von Anderen tun auch nicht so weh.
Wer hilfreiche Tipps hat (zum Beispiel „Du weißt schon, dass die da anders sprechen“ oder „da soll es im Winter ziemlich kalt sein“), darf sich gerne melden, ich bin für jeden Hinweis dankbar. Meine Kinder würden sich zwar momentan wünschen, dass ich das mit ihrem Schulbesuch nicht hinbekomme, aber sie müssen auch lernen, dass man nicht immer alles haben kann.
Wer mir mitteilen möchte, dass und vielleicht noch warum das die dämlichste Idee ist von der er je gehört hat, kann das selbstverständlich und ausführlichst in den Kommentaren tun, oder mir das persönlich bei einem Kaffee, Gin Tonic, Apfelschorle oder einem anderen beliebigen alkoholhaltigen oder -freien Kalt- oder Heißgetränk mit oder ohne Kohlensäure erklären.
Ich werde mein Bestes geben und zuhören, ohne dabei Liedgut von Leslie Clio zu pfeifen.