Dr. Joachim Wuermeling und der verbale Griff ins Klo

Anders kann man es beim besten Willen nicht nennen, was Dr. Joachim Wuermeling, seines Zeichens beamteter Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium bei seinem Vortrag für den  „Tag des geistigen Eigentums“, veranstaltet und bezahlt vom BDI, vom Stapel gelassen hat.

Leider werden auch ahnungslose Leute aufgrund des Parteienproporz in wichtige Ämter gespült, so wie Herr Wuermeling, der auf 7 Jahre Europaparlamentskarriere zurückblicken kann und was viel wichtiger ist, ein CSU-Parteibuch sein Eigen nennt.

Michael Glos sein Dienstherr stand wahrscheinlich vor der Qual der Wahl, entweder fähige Mitarbeiter zu benennen, die ihm zuarbeiten können, ihn aber vermutlich in einem schlechten Licht dastehen lassen, oder aber er greift auf Mitarbeiter wie Herrn Wuermeling zurück, bei denen zumindest letzteres nicht der Fall ist.

Der Grund meiner Aufregung lässt sich beispielsweise hier bei heise nachlesen, den blutdrucksteigernden Absatz zitiere ich mal:

Auf den Tisch kam zudem wieder der langjährige Streit um die Softwarepatent-Richtlinie der EU. [..] Joachim Wuermeling, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, monierte, dass eine „geistige Bewegung“, die „dem Freakbereich verbunden“ sei und sich mit dem „Antifaschismus im Internet“ vereint habe, „den Mittelstand irregeführt“ habe.

Im Gegensatz zu Befürwortern der Softwarepatent-Richtlinie, wie z.B. Herr Wuermeling, die immer nur sehr diffus von Chancen für den Mittelstand und hunderttausender Dank Softwarepatent-Richtlinie neu zu schaffender Arbeitsplätze reden, hat sich bspw. der FFII, der Förderverein für eine freie Informationelle Infrastruktur sehr detailliert um die Auswirkungen gekümmert, die eine Patentrichtlinie hätte und hat dies mit dem Beispiel des patentierten Europäischen Online-Shop auch sehr gut demonstriert.

Das niemand bereitwillig „Hier“ schreit, wenn es darum geht Nutzungsgebühren dafür zu bezahlen, dass bei einem Klick auf ein kleines Bild ein grosses Bild in einem neuen Fenster aufgeht, verwundert vermutlich nur Menschen wie Herrn Wuermeling.

Ansonsten ist die Wortwahl, zurückhaltend formuliert, gewöhnungsbedürftig. Ich weiss nicht, ob Herr Würmeling den BDI für eine geistige Bewegung hält, etwas anderes als bspw. der FFII ist der nämlich auch nicht: Eine Interessenvertretung, die die verschiedenen Vorstellungen bündelt und die sich aufgrund ihrer Anzahl der Mitglieder Gehör verschaffen kann. Darin unterscheidet sich der FFII dann allerdings doch teilweise vom BDI; Beim FFII wird man als Abgeordneter vermutlich nicht mit Honoraren für Reden in teilweise 5-stelliger Höhe angelockt und auch das Büffett und die Getränkekarte bei Informationsveranstaltungen wird vermutlich einige Nummern kleiner ausfallen.

Dann hätten wir da noch Sätze wie „dem Freakbereich verbunden“. Herr Wuermeling sollte sich vor dem Aussprechen solcher Sätze vielleicht mal die Liste der Gegner der Sotwarepatent-Richtlinie anschauen; Dort findet sich beispielsweise Deutschlands grösster Webhoster 1&1 mit 356 Millionen EUR Jahresumsatz genauso wie kleine Ingenieurbüros. Diesen Menschen abzusprechen zu wissen worüber sie reden, ist gerade dann ziemlich vermessen, wenn man selbst Zeit seines Lebens aber auch gar nichts mit Informationstechnik zu tun gehabt hatte.

Dass Herr Wuermeling „Antifaschismus im Internet“ als Schimpfwort gebraucht, ist vermutlich seiner bayrischen Herkunft und dem Parteibuch geschuldet, und beschäftigt mich im Gegensatz zu anderen auch nicht weiter.

Das Weltbild des US-Justizministers

Man mag sich fragen welchen Einflüsterungen Alberto Gonzales lauscht, der davon ausgeht, dass die Einnahmen aus dem Diebstahl geistigen Eigentums auch für die Finanzierung terroristischer Aktivitäten verwendet werden.

Der Grossteil des „Diebstahls“ findet in Tauschbörsen statt, ohne das überhaupt Geld fliesst. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein nennenswerter Anteil von Tauschbörsennutzern das gesparte Geld an Al-Kaida spenden oder sich davon Schnellfeuergewehre (legal) und Munition (auch noch legal) kaufen um Bundeseinrichtungen zu stürmen (nicht mehr legal).

Auch abseits von Tauschbörsen wird weiter munter an der Entrechtung des Verbrauchers gearbeitet. Während ich für die Verfolgung kommerzieller Urheberrechtsverletzer durchaus Verständnis habe, finde ich eine Höchststrafe von 10 Jahren für bspw. das Zusammenstellen einer CD fürs Auto oder das Kopieren eines Liedes auf den MP3-Player etwas überzogen. Es geht hier wohlgemerkt darum, dass man so etwas mit seinen eigenen persönlich gekauften CD macht.

Vielleicht gehen den Gefängnissen in den USA auch nur die Insassen aus und da dort ja fleissig privatisiert wurde, drängen die Betreiber jetzt auf die Mindestbelegungszahlen, weil die Gefangenen als billige Arbeiter fest eingeplant sind.

Zwei Seiten der gleichen Medaille

Am Wochenende wurde jeweils ein Artikel bei heise und bei Spiegel-Online veröffentlicht, die diejenigen bestätigen, die von Anfang an gewusst haben wollen, dass es beim ALG II nie ums „fordern und fördern“ ging, sondern einfach nur ums sparen, wenn man es positiv ausdrücken will bzw. ums Arbeitssklaven züchten, wenn man es überspitzt formuliert.

Doch der Reihe nach. Heise wartet am Sonntag mit dieser Meldung auf:

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat von Januar bis März 2006 einen Überschuss von 1,72 Milliarden Euro erwirtschaftet.[..] Dem Gutachten zufolge hängen die Überschüsse mit der sich weiter öffnenden Schere zwischen den Kurzzeitarbeitslosen (ALG-1, von der BA zu zahlen) und den Langzeitarbeitslosen (ALG-2, vom Bund zu zahlen) zusammen. „Jeder abgebaute ALG1-Bezieher wird teuer mit zwei ALG2-Beziehern erkauft, und das sind die wesentlich teureren Arbeitslosen – nur eben nicht für die BA“

Mit einem Spider-Suchprogramm wurden für das Gutachten drei Berufe [..] abgefragt und [..] ausgewertet. Anschließend wurde die Anzahl der ALG1- und ALG2-Bewerberprofile zueinander ins Verhältnis gesetzt. Dabei ergab sich, dass wesentlich weniger ALG-2 Bezieher gefunden wurden, als nach der ALG-1/ALG-2 Relation in den jeweiligen Städten vorhanden sein müssten. Firmen, die über Arbeitsagentur.de Mitarbeiter suchen, bekommen bevorzugt ALG-1-Bezieher angeboten. „Bei sehr qualifizierten Berufen findet man fast überhaupt keine ALG2-Bewerberprofile mehr. Und zwar keineswegs, weil es die Menschen nicht gäbe, sondern weil die BA nur eine Liste von 100 Bewerberprofilen anzeigt, der größte Teil der ALG2-Bezieher also den Sprung in diese Liste gar nicht schafft und damit auch nicht gefunden und mit Stellenangeboten kontaktiert werden kann.

Die andere Meldung steht im Spiegel und beschäftigt sich damit, dass Menschen, die bereits nach 23 Jahren Berufstätigkeit den Höchstsatz an Pension bekommen (und weil das parlieren so auf die Knochen geht, teilweise auch schon ab 55 Jahren), darüber diskutieren, wie man denn den ALG2-Beziehern die Daumenschrauben noch enger anziehen könnte:

Ähnlich äußerte sich Brandner: „Dem Grundsatz des Forderns müssen wir jetzt mehr Nachdruck verleihen. Wer Leistungen in Anspruch nehmen will, muss auch sagen, was er dafür tun will.“

Klaus Brandner ist seit 1998 Mitglied des Bundestages und war vorher 25 Jahre lang Funktionär in der IG Metall. Wenn er 2009 aus dem Bundestag ausscheiden sollte, wird er sich mit seinen 11 Jahren Zugehörigkeit zum Bundestag einen Ruhestand mit 62 ersessen haben, der ihm mit 35% der Diät, momentan 2312 EUR pro Monat versüsst wird, selbstverständlich nicht ohne noch 11 Monate als Pensionär die volle Pension in Höhe von 7009 EUR als Übergangsgeld zu bekommen.

Die Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung, Marie-Luise Dött, sagte der „Bild“-Zeitung: „In der Diskussion um den Kombi-Lohn ist das Arbeitslosengeld II in der Höhe nicht unantastbar.“ Wer arbeite, müsse mehr bekommen als der, der nicht arbeite.

Für Frau Dött gilt bzgl. Pension und Diäten das gleiche wie für Herrn Brandner, ausser dass Frau Dött bis 1998 selbständig war.

Die Debatte hatte der Unions-Haushälter Steffen Kampeter angestoßen, der Kürzungen des Regelsatzes von 345 Euro monatlich nicht ausgeschlossen hatte.

Steffen Kampeter ist seit 1990 Mitglied des Bundestages. Wenn er 2009 aus dem Bundestag ausscheiden sollte, wird er sich mit seinen 19 Jahren Zugehörigkeit zum Bundestag einen Ruhestand mit 55 ersessen haben, der ihm mit 75% der Diät, momentan 5257 EUR pro Monat versüsst wird, selbstverständlich nicht ohne noch 18 Monate als Pensionär die volle Pension in Höhe von 7009 EUR als Übergangsgeld zu bekommen.

Wie diese Menschen meinen ernsthaft darüber diskutieren zu können, ob 345 EUR pro Monat für Strom, Wasser/Abwasser, Essen, Kleidung, Möbel, Telefon zu üppig sind, erschliesst sich mir nicht.

Vielleicht sollen die Leute auch einfach nicht mehr so viel essen (kaufen) können, wie sie kotzen möchten, um mal wieder Max Liebermann zu zitieren.

Ich missgönne den Abgeordneten keinesfalls ihre Diäten (ihre Überversorgung nach dem Ausscheiden aus dem BT allerdings schon) und ich bin weit davon entfernt, sozialistische Löhne für alle zu fordern, allerdings ist den Herren Brandner und Kampeter und auch Frau Dött ein wenig das Gespür dafür entgangen, was denn ausserhalb der Insel der Glückseligen aka Bundestag vor sich geht.

Die Devolution des Menschen

Vom Bürger über den Konsumenten zum Zahldeppen.

Anders lässt sich nicht erklären, dass Philips ernsthaft an einer Technik forscht, die das Umschalten in den Werbepausen ebenso unterbinden soll, wie den schnellen Vorlauf bei aufgezeichneten Sendungen. Das ganze ist auch schon patentiert:

An apparatus and method is disclosed for preventing a viewer from switching from a channel when an advertisement is being displayed on the channel.

[..] and prevents a viewer of a recorded program from fast forwarding the recorded program in order to skip past advertisements that were recorded with the program.

Wer sich jetzt freut, dass dann andere Firmen dieses Werbeflag dazu nutzen könnten, Werbung gar nicht erst aufzuzeichnen, mag vor der Öffnung der Schampus-Flasche einen Blick auf den Rechtsstreit von RTL gegen die Entwickler der Fernseh-Fee werfen, der immerhin bis zum BGH ging.

Wenn man zur Umgehung von Werbung ein Signal nutzte, dass vom Fernsehsender selbst ausgestrahlt wird, hätte man vermutlich schlechte Karten. Und für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Privatsender vor Gericht doch unterliegen, kann man sich ja immer noch eine Privatsender-Werbeverbotsumgehungskausel im UrhG kaufen, bzw. durch massiven Lobby-Einsatz („Dadurch gehen zehntausende Arbeitsplätze verloren“ bzw. „niemand investiert mehr in Deutschland bei solchen Gesetzen“) auch ganz umsonst bekommen.

Lobbyismus in Deutschland

Beginnen möchte ich mit einem Zitat vom Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier, entnommen einem Vortrag den er anlässlich der Vorstellung des Buches „Die fünfte Gewalt. Lobbyismus in Deutschland“ im Berliner Reichstag hielt.

Zunächst einmal ist offensichtlich, dass nicht alle innerhalb der Gesellschaft relevanten Interessen in gleicher Weise von gut organisierten Lobbyisten repräsentiert sind. Vielmehr entscheidet nicht zuletzt die wirtschaftliche Potenz einer Interessengruppe darüber, wie effizient deren Lobbyarbeit gestaltet wird und in welchem Maße die Interessengruppe auf den Politikbetrieb Einfluss nehmen kann.
Eine echte Waffengleichheit der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen bei der Wahrnehmung ihrer Interessen mittels Lobbying wird es deshalb kaum geben. Schwächer repräsentierte Interessen können so leicht auch unter die Räder geraten.

Wenn man sich anschaut, wie beispielsweise die Softwarepatentrichtlinie oder der 2. Korb zur Anpassung des Urheberrechtgesetzes massiv von der jeweiligen Industrielobby „begleitet“ wird, muss man sich nicht wundern, dass die ausfliessenden Gesetze fast 1 zu 1 Umsetzungen der Vorstellungen der Industrie sind. Spannend entwickelt sich gerade beim UrhG der „Kampf“ um die Verbindungsdaten bei den Providern. Der „alte“ Rechtsstaat sah im Entwurf vor, dass die Provider bei einem Richter darlegen müssen, warum die Daten vom Provider geholt werden sollen, während die Rechteinhaber das ganze als zu bürokratisch ablehnen und völlig ohne staatliche Kontrolle Verbindungsdaten abrufen wollen. Aber auch bei der Umgehung von Kopierschutzsperren zeigt sich meines Erachtens das Ungleichgewicht zwischen Verbrauchern und Rechteinhabern. Selbstverständlich braucht der Rechteinhaber die Gewähr, dass sich kein zweiter kostenloser Markt seiner Waren auftut, dass man ihm dann bspw. allerdings faktisch verbietet, von seinen legal gekauften CD eine Best-of für’s Auto zu erstellen oder das ganze auf den MP3-Player zu packen, ist zu weit geschossen.

Wer übrigens mal wissen will, wer als Verband alles beim Bundestag akkreditiert ist und somit bspw. von Ausschüssen angehört, kann das hier mal nachlesen.