Addendum I

Don’t blame it on me.

Ich wollte wirklich aufhören.

Aber eine Frau, in deren Händen ich zu gewöhnlichem Wachs verkomme, hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich die Geschichte mit dem Hammer noch nicht aufgelöst habe. Also beiße ich in den sauren Apfel und schreibe halt noch mal was. Dafür hat sie jetzt klebrige Finger.

Echt jetzt? Wegen des Wachses natürlich. Man könnte meinen, ich schriebe für eine Horde pubertierender fünfzehnjähriger. Ja, auch wenn das Wachs metaphorisch für mich steht, bedeutet das nicht, dass sie irgendwelche klebrigen Sachen von mir an den Händen hat.

Wo war ich? Richtig, ich war beim Nageln. Oh Jungs, werdet erwachsen. Ihr müsst mich nicht ständig falsch verstehen, nur weil sich dann eine wie auch immer geartete sexuelle Konnotation ergibt. Wenn ich so wäre wie ihr, hätte mich ihre Einladung, doch noch mal in sie zu gehen, vermutlich irritiert.

Zurück zum Thema. Die kinetische Energie eines Hammers ergibt sich aus Masse mal Geschwindigkeit zum Quadrat durch zwei. Ich lasse die Formel hier weg, weil sich Texte mit Formeln nie jemand durchliest.

Das bedeutet allerdings auch, dass bei einem Hammer in einem gewissen Bereich fehlende Masse beziehungsweise Größe durch Geschwindigkeit kompensiert werden kann und weil die Geschwindigkeit im Quadrat in die Energie eingeht, reicht bei einer halbierten Masse, die anderthalbfache Geschwindigkeit um das gleiche Ergebnis zu erhalten. Das geht natürlich nur in einem gewissen Bereich.

Irgendwann ist mit der Geschwindigkeitserhöhung Schluss, wenn man nicht will, dass es nach verbranntem Gummi riecht. Da hilft dann nur noch Technik. Beim Nageln geht es ja in erster Linie um die Übertragung des Impulses auf das Zielobjekt. Ohne jetzt zu sehr ins Detail gehen zu wollen, ist zum Beispiel der Winkel entscheidend. Bei einer Abweichung von 30° vermindert sich die Effektivität um über 20%.

Ich muss mich also korrigieren: Auch bei einem Hammer ist die reine Größe nicht so entscheidend, mindestens ebenso wichtig sind die Frequenz und die Treffgenauigkeit. Man kann durch konzentriertes Arbeiten auch mit einem kleinen Hammer sein Ziel erreichen. Und weil Nageln nicht für Alle ein Sport ist, sondern manchmal auch ein kontemplativer Akt, kann man auch mit einem kleinen Hammer Spaß haben.

Epilog

Eigentlich wollte ich hier etwas über Goa schreiben und die erstaunlich gute ärztliche Versorgung. Aber da ich am Wochenende ein längeres Gespräch mit jemandem hatte, der zurecht eine Führungskraft ist, wollte ich die letzte Möglichkeit nutzen, etwas über mich zu schreiben.

Ich wäre als Vorgesetzter völlig ungeeignet und ich habe auch gar keine Lust einer zu sein. Allein schon der Gedanke, ich hätte Mitarbeiter wie mich.

Wenn ich mich am Montag morgen auf dem Gang sehen würde und wüsste, ich hätte gleich jour fix mit mir, wäre die Woche schon gelaufen.

Da bin ich doch lieber einfacher Mitarbeiter, der genug Zeit hat, Blödsinn in Worte zu giessen um damit ein blog zu füllen.

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Das war’s.

Inklusive der ausgefallenen Szene1 füllt das ganze 96 Seiten im Taschenbuchformat und irgendwann werde ich das Ganze vermutlich wirklich in Buchform giessen, einfach weil ich’s kann.

Danke an alle, die bisher durchgehalten haben. Ich habe es mir gerade eben noch mal von vorne bis hinten durchgelesen und vermutlich habe ich das nur durchgehalten, weil ich es selbst geschrieben habe. Falls irgend jemand einen Vorschlag hat, über was ich sonst so schreiben könnte, nehme ich das gerne in den Kommentaren oder per mail an erzaehl@markus-ritter.de entgegen. Das ist ein catch-all-account, von daher geht auch labersack@markus-ritter.de oder irgendwas anderes.

  1. für diejenigen, die es nicht bei facebook gelesen haben: Nachdem das Lektoren-Team der 4. Szene der einhelligen Meinung war, dass so ein Text frühestens posthum veröffentlicht werden sollte, bleibt er unveröffentlicht. Ich verrate auch nicht, wer den Text kennt und diejenigen, die ihn kennen, tun das hoffentlich auch nicht []

IV. Akt, 3. Szene

Wo war ich stehengeblieben?
Ach ja, dass das Leben vor 22 Jahren schon manchmal ein ziemlich mieses Arschloch sein konnte.
Dummerweise hat sich das seither nicht sehr geändert und das Leben ist es manchmal auch heute noch. Während ich dem ganzen früher eher hilflos gegenüberstand, haben sich sowohl mein Sarkasmus als auch mein Zynismus weiterentwickelt und stehen in voller Blüte.

Wenn man Nietzsche glauben mag, dann verdirbt die Gewöhnung an Ironie, ebenso wie die an Sarkasmus den Charakter, sie verleiht allmählich die Eigenschaft einer schadenfrohen Überlegenheit: man ist zuletzt einem bissigen Hunde gleich, der noch das Lachen gelernt hat, außer dem Beißen.

In letzter Zeit musste ich dummerweise feststellen, dass ich vom Lachen vermehrt zum Beißen übergegangen bin und ich habe leider keine Ahnung warum.
Während früher Sarkasmus meine letzte Verteidigungslinie war, hinter die ich mich zurückgezogen habe, bevor mich wirklich jemand trifft, scheint es mittlerweile teilweise so zu sein, dass es die erste ist und ich mit allem zurückschieße was ich habe und oft viel zu spät aufhöre.
Weil Nachtreten bisher nicht zu den Eigenschaften gehört hat, die ich bei mir vermutete und ich mich wirklich für einen ausgeglichenen Menschen gehalten habe, weiß ich manchmal echt nicht, was mich da wieder gerade reitet. Mein Über-Ich schaut zu und erinnert an einen Fußballspieler kurz nach einem bösen Foul, der scheinbar auch gar nichts damit zu tun hat, dass da einer liegt und sich schmerzverzerrt das Schienbein hält.

Da ich mich prinzipiell immer noch für einen analytischen, rationalen Menschen halte, versuche ich mich mal an ein wenig Ursachenforschung.
Nach längerem Nachdenken sind mir 3 mögliche Gründe eingefallen. Zwei und den Cliffhanger zum Dritten gibt’s heute bevor ich dann damit den IV. Akt und das Buch schließen werde. Ich war zumindest gefühlt immer irgendwie ein Nonkonformist und 4 Akte sind selten genug, um mich in meinem Gefühl zu bestärken.
Der Grund bei dem ich mich am wenigstens schuldig fühlen müsste, ist der, dass sich aufgrund meiner Diät der Glucose-Spiegel im Blut gesenkt hat, was meinem Gehirn gar nicht gefällt, das täglich auf ungefähr 140 Gramm Glucose angewiesen ist. Und wenn mein Gehirn schlechte Laune hat, wird es mit dem Dopamin ein wenig knausrig. Ich habe also keine schlechte Laune, mein Gehirn ist einfach nur auf Entzug. Wen das genauer interessiert, kann sich ein wenig in die Selfish-Brain-Theorie einlesen.
Dieser Grund hätte den Vorteil, dass es sich mit der schlechten Laune vermutlich bald legt. Ich hoffe jedenfalls nicht, dass sich nicht-dicke Menschen die ganze Zeit so fühlen wie ich jetzt, denn dann bin ich lieber dick.

Der zweite Grund ist mein Jobwechsel. In meiner alten Firma hatte mein Sarkasmus jeden Tag genug damit zu tun, die Situation zu kommentieren, um sie halbwegs erträglich zu machen. Abends und am Wochenende war einfach nichts mehr übrig und der kleine Sonnenschein-Markus durfte raus zum Spielen. In meinem jetzigen Job ist das nicht so, der macht sogar Spaß. Da ich mich auch nicht mehr für Politik interessiere, fällt ein weiterer großer Block weg, an dem sich mein Sarkasmus bisher abarbeiten konnte.
Das würde bedeuten, dass sich der Ironie-Anteil in meinem Leben gar nicht erhöht hat, sondern nur zu anderen Tageszeiten und gegenüber anderen Personen auftritt. Das wiederum hieße, ich müsste ernsthaft an mir arbeiten, um das irgendwie in den Griff zu bekommen. Oder ich fange wieder an, über Politik zu bloggen.

Und nun zum dritten Grund.

Eine Bekannte, der meine Veränderung auch irgendwie aufgefallen ist, hat nachgebohrt was denn los sei. Da ich es zu dem Zeitpunkt nicht so richtig in Worte fassen konnte, hat sie mir Vorschläge gemacht. Es waren sehr interessante und teilweise auch sehr abwegige dabei und einer, bei dem ich mich gefragt habe, wie man so unfassbar weit mit einer Antwort von der Wahrheit entfernt sein kann, die man dann doch genau trifft.

War irgendwie gar nicht komisch heute, aber das muss es ja auch nicht immer sein. Ich geh jetzt noch ein wenig sardonisch lachen hinter dem

– Vorhang –

IV. Akt, Zwischenspiel

„Ja, das Leben kann manchmal schon ein ziemlich mieses Arschloch sein.“

Diesen Satz habe ich vor 22 Jahren zum ersten Mal gehört, als ich nach unserer Abi-Feier und im sicheren Wissen, dass der einzige nüchterne Mensch auf dem Schulgelände der Vertrauenslehrer war, dem Mädchen, dass ich gefühlt meine halbe Schulzeit angehimmelt hatte, volltrunken meine Liebe gestand. Was man eben mit 19 so unter Liebe versteht. Das war allerdings nicht meine einzige Fehleinschätzung, denn wie sich herausstellte, war sie die zweite nüchterne Person. Dafür, dass sie so entspannt reagiert hat, stieg sie in meiner Achtung die letzten Stufen zum Olymp hoch und ich war mir sicher, diese Frau für immer zu lieben. 19 halt.

Wie komme ich jetzt darauf? Ich hatte eine kleine Kreativ-Blockade und anders als andere empfinde ich Ohr abschneiden und mich dann selbst malen nicht als passende Therapie, vor allem, weil das auch nur zweimal geht.
Stattdessen war ich auf dem Weihnachtsmarkt, habe dem Glühwein gefrönt und ziemlich viele Erkenntnisse gewonnen, die ich hier verwursten kann.
Für die erste Erkenntnis muss ich ein wenig ausholen. Freud teilte die Psyche in drei Bereiche ein, die man am ehesten als unterkellerten Bungalow mit aufgesetztem Obergeschoß beschreiben kann. Im Keller wohnen die Triebe, das sogenannte Es, die alles kontrollieren wollende Schwiegermutter wohnt als Über-Ich ganz oben und in der Mitte wohnt das Ich, das mit der Umwelt kommuniziert und dabei von unten immer „poppen, poppen, poppen“ zu hören bekommt und von oben immer „reiß Dich zusammen, tu das nicht“.
Das Über-Ich reagiert relativ schnell und umfassend auf Alkohol, in dem es das Licht ausmacht, schlafen geht und das Feld dem Es und dem Ich überlässt. Dieses Konstrukt kann man auf einem stinknormalen Weihnachtsmarkt zu späterer Stunde schön überprüfen.
Ich wäre nicht ich, wenn mein Über-Ich nicht auch ein wenig absonderlich wäre. Wenn ich betrunken bin, gehen oben nicht einfach die Lichter aus, sondern mein Über-Ich holt Popcorn, setzt sich auf die Couch und fängt an witzig werden zu wollen. Mit durchaus gemischten Ergebnissen. Ja, jetzt kommt die Wurstwasser-Geschichte für all diejenigen, die sie schon vermisst haben.

Aus Gründen, die ich jetzt nicht näher erläutern werde, haben wir vor 23 Jahren mal zu fünft versucht, die Hausbar der Eltern eines Freundes leerzutrinken. Bei manchen wäre das schnell gegangen, bei manchen wäre das zur Lebensaufgabe verkommen. Die ausgesuchte Bar lag so in der Mitte. Nachdem der Campari Cordial komplett geleert war, hatte irgendjemand die Idee, dass man zwischendurch ja mal was essen könnte. Die Bar lag im Keller und keiner hatte Lust Treppen zu steigen, weil dann aus der Vermutung ziemlich betrunken zu sein, Gewissheit geworden wäre. Also blieb der Keller und wir fanden Würstchen im Glas.
Die Qualität war damals schon bescheiden aber nach relativ kurzer Zeit waren die Würstchen weg und übrig blieb das Wasser, auf dessen Oberfläche ganz seltsam schillernde Öllachen trieben. Mein Über-Ich, das sich damals schon so seltsam verhielt beobachtete ziemlich genau, wie einer meiner Freunde dieses Wasser in ein Glas schüttete und zu mir schob. Und weil mein Über-Ich eher diesen lustiges-Papphütchen-mit-Clownsnase-Humor hatte, fand es es extrem witzig, mich das Glas auf einen Zug austrinken zu lassen. Seither teilt sich mein Bekanntenkreis in zwei Lager: Auf der einen Seite diejenigen, die mir nicht glauben, dass ich es erstens gesehen und zweitens geschmeckt habe und auf der anderen Seite, diejenigen die mir glauben wobei ich der Ehrlichkeit halber zugestehen muss, dass auf der einen Seite nur ich bin. Nach dem Wurstwasser gab es übrigens noch ziemlich ungewöhnlich schmeckenden irischen Kaffeelikör, der definitiv keine Verbesserung darstellte.
Hätten wir das also auch. Zurück zum Weihnachtsmarkt und der ersten Erkenntnis:
Mein Über-Ich hat immer noch diesen lustiges-Papphütchen-mit-Clownsnase-Humor.

Falls noch jemand ein Weihnachtsgeschenk für mich sucht, ich bräuchte noch ein T-Shirt mit der Aufschrift „Nein, ich friere nicht“. Die Anzahl der Menschen, die es scheinbar nicht aushalten können, andere Menschen nur mit Pullover bekleidet zu sehen, ist auf Weihnachtsmärkten extrem hoch. Ich hatte auch eine Hose und Schuhe an, nur falls jemand gerade intensiv an tote Ratten denken muss damit sich der andere Eindruck nicht im Gehirn festsetzt. Erst als ich den Pulli ausgezogen habe, hat sich das gelegt.

Was leider mal wieder nicht funktioniert hat, war das Vergessen von Tokio Hotel im Allgemeinen und des Tokio-Hotel-Vorfalls von letzter Woche im Besonderen.
Ich muss vermutlich noch an meiner Theorie arbeiten, die besagt, dass wenn bei einem Rausch Gehirnzellen und Synapsen absterben, man steuern kann, was man vergisst, in dem man während des Trinkens intensiv daran denkt, was zu einer höheren lokalen Durchblutung, dadurch höherem Ethanolgehalt und damit höherer Absterbewahrscheinlichkeit führt. Hat aber wie gesagt nicht geklappt. Ich weiß noch alles. Tokio-Hotel scheint alkoholresistent zu sein, was daran liegen könnte, dass es sowieso nur die härtesten Synapsen auf sich nehmen, solche Dinge zu speichern.
Während ich mir den Glühwein gestern noch mal durch den Kopf gehen ließ, ist mir die Frage gekommen, ob es eigentlich mittlerweile Smartphones mit integriertem Alkoholtester gibt, der ab 1 Promille automatisch WhatsApp und Facebook sperrt und ein Taxi ruft. Wäre gestern vorteilhafter gewesen.
Kommen wir zur letzten Erkenntnis des Abends. Wenn der Körper auf Fettstoffwechsel umgestellt hat, ist er viel leichter betrunken zu bekommen. Ich hatte nämlich einerseits nicht das Gefühl mehr zu trinken als die anderen, kam mir allerdings andererseits deutlich betrunkener vor.