Weingarten macht’s vor

Vor Kurzem hatte ich hier einen kleinen Beitrag zu Bürgerbegehren und Bürgerentscheid und die scheinbare Unfähigkeit der Ravensburger Bürgerinnen und Bürger, das Schicksal der Stadt in die eigenen Hände zu nehmen und Beschlüsse des Gemeinderats vors Volk zu bringen (so heisst das in meiner WahlArbeitsheimat Schweiz).

In Weingarten scheint man begriffen zu haben, dass sich politische Teilhabe nicht auf das Ausfüllen von Stimmzetteln alle 5 Jahre beschränkt.

In der Online-Ausgabe der schwäbischen Zeitung durfte ich heute lesen:

Reutebühl: FDP plant Bürgerbegehren

Worum es im Kern bei diesem geplanten Bürgerbegehren geht, erschliesst sich mir als Auswärtigem nicht, das ist meines Erachtens aber auch nicht entscheidend.

Entscheidend ist, dass jemand die Initiative ergreift und nicht nur die Faust in der Tasche ballt.

Auch wenn die Initiative einige Hürden zu umschiffen hat (das Bürgerbegehren scheint mir mit § 21 II Nr. 6 GemO zu kollidieren), so ist doch ein Anfang gemacht, der aus gehorsamen (wenn auch murrenden) Untertanen selbstbewußte Bürger macht.

Der Vollständigkeit halber:

§ 21 GemO – Bürgerentscheid, Bürgerbegehren

[..]

(2) Ein Bürgerentscheid findet nicht statt über

[..]

6. Bauleitpläne und örtliche Bauvorschriften

Lokalpolitik

Einen kleinen Ausflug in die Lokalpolitik kann ich mir nicht verkneifen, wenn ich die aktuelle Berichterstattung rund um das neue Ravensburger Museum und die Art und Weise der Finanzierung sehe.

Neu in das Konzert der Kritiker ist der Bund der Steuerzahler aufgerückt.

Trotz des Verständnisses dafür, dass man mit dem Museum in Ravensburg große Chancen für die Stadt sehe, sei das Projekt angesichts der Finanzlage der Stadt eine Nummer zu groß.

In den Kommentaren finden sich Sätze wie:

hält die absolute Mehrheit des Gemeinderates (mit einiger Sicherheit offenbar komplett gegen die Mehrheit der Bevölkerung!) für goldrichtig (es ist ja auch überwiegend nicht das eigene Geld).

Das [Ablehnung des Konzerthauses in Konstanz] hätten wir auch gern mit dem Museum gemacht, zumindest mit der Entscheidung, zu welchen Bedingungen es realisiert werden soll. Aber leider hat die Ravensburger Mauscheltruppe mitsamt Herrn Dr. Vogler alles vorher bereits abgehakt. Es wird höchste Zeit, daß wir mitreden dürfen.

Und so weiter …

Dabei wäre die Sache in Baden-Württemberg eigentlich relativ einfach. Die Gemeindeordnung stellt den Bürgerinnen und Bürgern ein Instrument zur Verfügung, aktiv in die Geschicke der Gemeinde einzugreifen und nicht nur alle 5 Jahre für ihr Kreuzchen aufs Spielfeld zu dürfen um den Rest grummelnd in der Kabine zu verbringen.

§ 21 III Gemeindeordnung

Über eine Angelegenheit des Wirkungskreises der Gemeinde, für die der Gemeinderat zuständig ist, kann die Bürgerschaft einen Bürgerentscheid beantragen (Bürgerbegehren). Ein Bürgerbegehren darf nur Angelegenheiten zum Gegenstand haben, über die innerhalb der letzten drei Jahre nicht bereits ein Bürgerentscheid auf Grund eines Bürgerbegehrens durchgeführt worden ist. Das Bürgerbegehren muß schriftlich eingereicht werden; richtet es sich gegen einen Beschluß des Gemeinderats, muß es innerhalb von sechs Wochen nach der Bekanntgabe des Beschlusses eingereicht sein.

Ravensburg hat noch eine relativ intakte Innenstadt, was jeder bestätigen wird, der mal Samstag morgens durchgelaufen ist. Das bietet die Möglichkeit, eine grosse Zahl von Bürgerinnen und Bürgern im direkten Gespräch zu erreichen. Durch die Möglichkeiten des Internets kann man sein Anliegen auch ohne großen Geldbeutel und zahlungskräftige Sponsoren verbreiten. Allein, man muss es tun. Man muss die Anonymität der Nörgler und der „ich-habs-ja-gleich-gesagt“-Mauler verlassen und sich für seine Vorstellungen einsetzen.

Dass die Gemeinderatsfraktionen hilfreich zur Seite springen ist vergebliches Hoffen. Die haben viel zu viel Angst, dass sich ein – seiner Macht bewusster – Souverän auch mal gegen die eigenen Beschlüsse richten könnte, die man so mühsam in den Hinterzimmern mit den anderen Fraktionen ausgekungelt hat.

Den Museumsneubau und die Finanzierung 9 Monate nach der Entscheidung in einem Oberbürgermeisterwahlkampf nochmal aufs Tapet zu bringen zeugt davon, dass das Wissen über die Gestaltungsmöglichkeiten eines Oberbürgermeisters und über die direktdemokratischen Elemente der baden-württembergischen Gemeindeverfassung nicht so verbreitet ist, wie erhofft.

Deshalb an dieser Stelle für all jene, die sich über eine existenzielle Entscheidung ihres Gemeinderats ärgern und der Meinung sind, damit würde klar den Interessen und Wünschen der Bürger zuwidergehandelt:

http://www.mitentscheiden.de/

Raus aus der Kabine, das Spiel wird auf dem Platz entschieden.