Ja, ich muss zugeben, dass mich Wahlen und Wahlgesetze ein wenig faszinieren und sei es nur deshalb, weil scheinbar nur ganz wenige Menschen wissen, wie diese eigentlich relativ einfache Materie wirklich funktioniert1
Das Team von wahlrecht.de hat mich auf eine interessante Besonderheit des nordrhein-westfälischen Landtagswahlrechts aufmerksam gemacht.
Vereinfacht gesagt:
Hätte die SPD gestern weniger als 5% der Zweitstimmen bekommen, hätte sie im jetzigen Landtag die absolute Mehrheit der Sitze, nämlich 99 von 181.
Das liegt daran, dass direkte Wahlkreisgewinner immer einen Sitz im Landtag bekommen.
§ 32 I LWG NRW
Im Wahlkreis ist derjenige Bewerber gewählt, der die meisten Stimmen auf sich vereinigt.
Diese Sitze werden allerdings nur dann berücksichtigt, wenn die Partei, für die die Bewerber angetreten sind, auch über die 5%-Hürde rutscht.
§ 33 II LWG NRW
Der Landeswahlausschuss zählt zunächst die für jede Landesliste abgegebenen Stimmen zusammen. Er stellt dann fest, welche Parteien weniger als 5 vom Hundert der Gesamtzahl der Zweitstimmen erhalten haben. Diese Parteien bleiben bei der Sitzverteilung unberücksichtigt.
Wäre das bei der SPD der Fall gewesen, dann würden ihre 99 Sitze von der Gesamtzahl von 181 abgezogen und die restlichen 82 Sitze würden wie folgt verteilt:
§ 33 III LWG NRW
Durch Abzug der Zahl der in den Wahlkreisen erfolgreichen Bewerber von Parteien, die gemäß Absatz 2 am Verhältnisausgleich nicht teilnehmen, sowie der Zahl der in den Wahlkreisen erfolgreichen Bewerber von Wählergruppen oder der in den Wahlkreisen erfolgreichen Einzelbewerber von der Sitzzahl gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 wird die Ausgangszahl für die Sitzverteilung ermittelt.
Der April-Scherz von Herrn Kelber, künftig bei Wahlen als 2 Parteien anzutreten, eine für die Erststimme und eine für die Zweitstimme, funktionierte also auch in Nordrhein-Westfalen.
- Zur Untermauerung des letzten Teilsatzes sei auf die Anhörung zum neuen Wahlrecht und der anschliessenden Klage vor dem Bundesverfassungsgericht verwiesen [↩]