Bundesratsmehrheiten

Da der Bundesrat zustimmungspflichtigen Gesetzen mit absoluter Mehrheit von mindestens 35 Stimmen zustimmen muß, und in allen Koalitionsverträgen die Klausel enthalten ist, dass sich das Land bei unterschiedlicher Auffassung der Regierungsparteien im Bundesrat enthält, stellt sich die Frage, welche Entsprechung mögliche Koalitionen im Bundesrat haben.

Schwarz-Grün

schwarzgruenplus

schwarzgruenminus

  • Zustimmungsgesetze: 10(15) von 69. Gesetze werden vermutlich abgelehnt
  • Einspruchsgesetze: 7 von 69. Gesetze werden vermutlich durchgewunken (ohne Anrufung Vermittlungsausschuß)

 

RotRotGrün

rotrotgruenplus

rotrotgruenminus

  • Zustimmungsgesetze: 36(41) von 69. Gesetze werden vermutlich durchgewunken
  • Einspruchsgesetze: 10 von 69. Gesetze werden vermutlich durchgewunken (ohne Anrufung Vermittlungsausschuß)

 

Schwarz-Rot

schwarzrotplus

schwarzrotminus

  • Zustimmungsgesetze: 31(36) von 69. Gesetze werden vermutlich abgelehnt
  • Einspruchsgesetze: 0 von 69. Gesetze werden vermutlich durchgewunken (ohne Anrufung Vermittlungsausschuß)

Ganz allgemein läßt sich feststellen, dass bei Einspruchsgesetzen nur eine sehr geringe Gefahr durch den Vermittlungsausschuß droht (ich weiß, dass die Länder eigenständig sind, aber in aller Regel folgen sie dem, was ihre Partei im Bund beschlossen hat).

Schwarz-Grün sieht sehr sehr mau aus. Da dürfte es bei zustimmungspflichtigen Gesetzen eine starke SPD-Handschrift geben.

Bei der großen Koalition kommt es darauf an, welche Koalition sich in Hessen bildet. Sollte das Schwarz-Grün sein, dann haben CDU und SPD trotz ihrer großen Mehrheit im Bundestag keine eigenständige Mehrheit im Bundesrat und sind ein bisschen von den Grünen abhängig. Das wird relativ lustig, weil die Bundesregierung dann immer versucht, einzelne Länder zu kaufen.

Die einzige Koalition, die definitiv in den nächsten 12 Monaten nicht vom Bundesrat gebremst werden würde, wäre rot-rot-grün.

Frau Kraft, die Opposition und der Bundesrat

Die SPD und Frau Kraft möchten also in Nordrhein-Westfalen in der Opposition bleiben und die Regierung vor sich her treiben. Vermutlich, weil das Frau Ypsilanti in Hessen vor 2 Jahren so gut gelungen ist?

Die Lage für rot-grün sieht eigentlich gut aus. Während es bei Gesetzesvorlagen von SPD und Grünen für eine eigene Mehrheit reicht, wenn während der Abstimmung zwei Abgeordnete der Linken/FDP/CDU gerade auf der Toilette sind, müssten bei schwarz-gelben Vorlagen schon 21 Abgeordnete aus der Opposition fehlen.

Irgendwann, nach vielen gelungenen Gesetzesvorlagen wird Frau Kraft dann aber auffallen, dass man den Landtag gar nicht dazu befragt, wie die 6 nordrhein-westfälischen Bundesratsmitglieder denn abstimmen sollen und dass sie immer noch so abstimmen wie vor der Landtagswahl. Das wird sie ärgern, weil so Dinge wie Verlängerung der AKW-Laufzeiten, Sparpaket etc. doch eigentlich mit der fehlenden schwarz-gelben Ländermehrheit im Bundesrat verhindert werden sollen.

Am Ende wird sie dann über folgenden Artikel im Grundgesetz stolpern:

Artikel 51 I Grundgesetz

Der Bundesrat besteht aus Mitgliedern der Regierungen der Länder, die sie bestellen und abberufen. Sie können durch andere Mitglieder ihrer Regierungen vertreten werden.

Und für die nächste Plenarsitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen wird die Wahl zum Ministerpräsidenten in die Tagesordnung aufgenommen.

Wäre für SPD- und Grüne-Wähler ja auch irgendwie nicht vermittelbar, dass man hätte können, sich aber nicht getraut hat auch zu tun.

Disclaimer:

Natürlich weiss ich, dass Frau Kraft den Artikel 51 Grundgesetz schon kennt. Um so unverständlicher erscheint mir im Lichte dieses Wissens dann aber die Entscheidung, die „Regierung vor sich herzutreiben“. Das bringt im Regelfall fast gar nichts und ändert vor allem nichts an den Mehrheiten im Bundesrat.

Die Baden-Württemberger haben in ihrer Landesverfassung übrigens einen Not-Aus-Knopf für solche Situationen. Doch das ist eine andere Geschichte 🙂

Wofür braucht rot-grün in NRW eine dritte Partei?

sitzverteilung-landtag-nrw-2010

Bei der Wahl am letzten Sonntag hat sich obenstehende Sitzverteilung ergeben, die die Koalitionsbildung etwas schwerer macht, weil es scheinbar nur eine mögliche 2er-Koalition gibt (CDU/SPD) die aber keiner will. Alle anderen 2er-Koalitionen haben keine Mehrheit. CDU/FDP haben 80 Sitze, SPD/Grüne haben eben so wie CDU/Grüne 90 Sitze. Also muss eine 3er-Koalition her.

Muss sie nicht.

Ein Blick in die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen und die Geschäftsordnung des Landtags ergibt, dass sich auch mit 90 von 181 Stimmen ein Ministerpräsident küren lässt und Gesetze verabschiedet werden können.

Erst mal die Verfassung:

Artikel 52 Landesverfassung Nordrhein-Westfalen

(1) Der Landtag wählt aus seiner Mitte in geheimer Wahl ohne Aussprache den Ministerpräsidenten mit mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder.

(2) Kommt eine Wahl gemäß Absatz 1 nicht zustande, so findet innerhalb von 14 Tagen ein zweiter, gegebenenfalls ein dritter Wahlgang statt, in dem der gewählt ist, der mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhält. Ergibt sich keine solche Mehrheit, so findet eine Stichwahl zwischen den beiden Vorgeschlagenen statt, die die höchste Stimmenzahl erhalten haben.

(3) Der Ministerpräsident ernennt und entläßt die Minister. Er beauftragt ein Mitglied der Landesregierung mit seiner Vertretung und zeigt seine Entscheidungen unverzüglich dem Landtag an.

Im ersten Wahlgang braucht man momentan mindestens 91 Stimmen, die vermutlich keiner der Kandidaten bekommen, wenn man nicht vorher irgendeine Koalition schmiedet, die soviele Stimmen hat.

Im 2. und 3. Wahlgang reicht dann schon mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen. Wenn bei SPD/Grüne alle Abgeordneten anwesend sind und aus den anderen 3 Fraktionen mindestens 2 Abgeordnete fehlen, reicht das im 2. bzw. 3. Wahlgang schon für Frau Kraft.

Im 4. Wahlgang reicht es dann mehr Stimmen zu bekommen als derjenige, der mit einem in die Stichwahl gegangen ist.

Wenn man mal davon ausgeht, dass von den Linken niemand Herrn Rüttgers wählt, kommt der auf 80 Stimmen. Frau Kraft käme mit einer geschlossenen Koalition 90 Stimmen und wäre damit Ministerpräsidentin.

Aber danach muss dann noch Gesetze durchbringen!!!!!11111einself!!

Stimmt und da hilft dann der Blick in die Geschäftsordnung des Landtags.

§ 42 IV GO Landtag Nordrhein-Westfalen
Die Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheidet. Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen zählen nicht mit.

Da ich mir nicht vorstellen kann, dass CDU und FDP 5 Jahre lang genauso abstimmen wollen wie die Linken (und umgekehrt) und weil von den 91 Abgeordneten der Ein oder Andere vielleicht auch mal den ein oder anderen Gesetzesvorschlag von SPD/Grünen gut findet, kann man es ja mal probieren.

Ich weiß, ich habe ein viel zu naives Politikverständnis.