Manchmal muss es einfach raus

Manchmal muss es einfach raus, auch wenn es nicht hilfreich oder sogar kontraproduktiv ist.

Ich kann es nicht anders schreiben, das Geschachere um den Jugenmedienschutz-Staatsvertrag widert mich an. Es sieht so aus, als hätten sich die politisch Verantwortlichen getroffen und sich Gedanken gemacht, wie sie denn die Verdrossenheit in der Bevölkerung bezüglich Politikern noch ein wenig steigern können, wie man den letzten Interessierten auch noch vergraulen kann.

Die Idee, dass eine Partei für eine bestimmte politische Richtung steht, kann man spätestens seit den 14 bereits erfolgten und den 2 noch folgenden Abstimmungen in den Parlamenten der Länder begraben. Das Abstimmungsverhalten einer Partei richtet sich danach, ob man in der Opposition ist oder in der Regierung. Der Inhalt einer Vorlage ist eigentlich egal.

Aber als FDP-Parteimitglied ist man zur Zeit ja Kummer gewohnt. Das Fass (für mich) zum Überlaufen gebracht hat Johannes Vogel mit seinem tweet:

jmstv

Si tacuisses möchte ich ihm entgegenschleudern. Hätte er doch geschwiegen. Ich habe von Johannes Vogel nichts gelesen, als die FDP in Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Hessen, Bayern, Saarland, Niedersachsen und Sachsen zugestimmt hat, beziehungsweise kundgetan hat, für ein Zustimmungsgesetz zu votieren. Da waren sie allerdings in der Regierungsverantwortung und hätten den JMStV eigenhändig stoppen können. Ob jetzt in NRW 93% gegen den JMStV stimmen oder 100% ist am Ende eigentlich egal, es ist blosse Symbolpolitik. Das kann man natürlich feiern, aber man muss es nicht. Was bleibt ist die Tatsache, dass wenn’s drauf ankommt, gekniffen wird (man möge mich eines besseren belehren, ich habe in keinem der 15 anderen Landtage auch nur ein kleines Licht der Hoffnung gesehen).

Ich halte Johannes Vogel für einen intelligenten Menschen und ich glaube nicht, dass Johannes Vogel auch nur für eine Sekunde dem Gedanken nachhängt, dass die nordrhein-westfälische FDP gegen den JMStV stimmen würde, wenn es im letzten Mai zu einer schwarzgelben Regierung gereicht hätte. Was soll also dieser tweet?

Dem JMStV haben folgende Parteien zugestimmt:

  • CDU, CSU, SPD, FDP, Grüne, Linke.

Den JMStV haben folgende Parteien abgelehnt:

  • CDU, SPD, FDP, Grüne, Linke

Die einzige Partei, die nur in einer Liste steht, ist aus den bekannten Gründen die CSU.

Was bedeutet das jetzt für die anstehenden Landtagswahlen? Wenn ich will, dass meine Partei in Bezug auf neue Medien vernünftige Entscheidungen trifft, muss ich sie in die Opposition schicken. Dabei ist völlig unerheblich, welche Partei meine Partei ist.

[UPDATE]

Auch Herr Bahr gefällt sich in der Rolle des JMStV-Verhinderers.

Da sind ja alle auch wahnsinnig froh, dass die FDP in NRW diesen Antrag eingebracht hat. Sonst hätten vermutlich die anderen Fraktionen statt mit Nein mit Ja gestimmt.

Glaubt ihr eigentlich wirklich, dass Euch das noch irgendjemand abnimmt?

[/UPDATE]

Wofür braucht rot-grün in NRW eine dritte Partei?

sitzverteilung-landtag-nrw-2010

Bei der Wahl am letzten Sonntag hat sich obenstehende Sitzverteilung ergeben, die die Koalitionsbildung etwas schwerer macht, weil es scheinbar nur eine mögliche 2er-Koalition gibt (CDU/SPD) die aber keiner will. Alle anderen 2er-Koalitionen haben keine Mehrheit. CDU/FDP haben 80 Sitze, SPD/Grüne haben eben so wie CDU/Grüne 90 Sitze. Also muss eine 3er-Koalition her.

Muss sie nicht.

Ein Blick in die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen und die Geschäftsordnung des Landtags ergibt, dass sich auch mit 90 von 181 Stimmen ein Ministerpräsident küren lässt und Gesetze verabschiedet werden können.

Erst mal die Verfassung:

Artikel 52 Landesverfassung Nordrhein-Westfalen

(1) Der Landtag wählt aus seiner Mitte in geheimer Wahl ohne Aussprache den Ministerpräsidenten mit mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder.

(2) Kommt eine Wahl gemäß Absatz 1 nicht zustande, so findet innerhalb von 14 Tagen ein zweiter, gegebenenfalls ein dritter Wahlgang statt, in dem der gewählt ist, der mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhält. Ergibt sich keine solche Mehrheit, so findet eine Stichwahl zwischen den beiden Vorgeschlagenen statt, die die höchste Stimmenzahl erhalten haben.

(3) Der Ministerpräsident ernennt und entläßt die Minister. Er beauftragt ein Mitglied der Landesregierung mit seiner Vertretung und zeigt seine Entscheidungen unverzüglich dem Landtag an.

Im ersten Wahlgang braucht man momentan mindestens 91 Stimmen, die vermutlich keiner der Kandidaten bekommen, wenn man nicht vorher irgendeine Koalition schmiedet, die soviele Stimmen hat.

Im 2. und 3. Wahlgang reicht dann schon mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen. Wenn bei SPD/Grüne alle Abgeordneten anwesend sind und aus den anderen 3 Fraktionen mindestens 2 Abgeordnete fehlen, reicht das im 2. bzw. 3. Wahlgang schon für Frau Kraft.

Im 4. Wahlgang reicht es dann mehr Stimmen zu bekommen als derjenige, der mit einem in die Stichwahl gegangen ist.

Wenn man mal davon ausgeht, dass von den Linken niemand Herrn Rüttgers wählt, kommt der auf 80 Stimmen. Frau Kraft käme mit einer geschlossenen Koalition 90 Stimmen und wäre damit Ministerpräsidentin.

Aber danach muss dann noch Gesetze durchbringen!!!!!11111einself!!

Stimmt und da hilft dann der Blick in die Geschäftsordnung des Landtags.

§ 42 IV GO Landtag Nordrhein-Westfalen
Die Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheidet. Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen zählen nicht mit.

Da ich mir nicht vorstellen kann, dass CDU und FDP 5 Jahre lang genauso abstimmen wollen wie die Linken (und umgekehrt) und weil von den 91 Abgeordneten der Ein oder Andere vielleicht auch mal den ein oder anderen Gesetzesvorschlag von SPD/Grünen gut findet, kann man es ja mal probieren.

Ich weiß, ich habe ein viel zu naives Politikverständnis.