Die Süddeutsche Zeitung hat vermutlich jemanden beschäftigt, der sich durch die Bundestagsdrucksachen liest und ist dabei auf BT-Drs 17/8928 gestossen, in der die Linke unter anderem wissen will:
Welcher Rentenanspruch ergäbe sich rechnerisch aus einer geringfügigen Beschäftigung in Höhe von 400 Euro innerhalb eines Jahres jeweils bei Wahrnehmung und Nichtwahrnehmung der Möglichkeit der freiwilligen Aufstockung der Rentenbeiträge, wenn dieser über 45 Jahre ausgeübt wer den würde?
Davon abgesehen, dass das jeder selbst ausrechnen kann, denn die Zahlen stehen bei der Deutschen Rentenversicherung, plustert die Süddeutsche Zeitung das Ergebnis auf, als wäre man einem riesigen, bisher vertuschten Skandal auf die Schliche gekommen:
Millionen Frauen müssen befürchten, im Alter arm zu werden – obwohl sie arbeiten. Betroffen sind vor allem Minijobberinnen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervor, die der „Süddeutschen Zeitung“ vorliegt.
Das wusste wirklich niemand. Wie konnten sie nur.
Davon abgesehen, liegt die Antwort der Bundesregierung ziemlich bald jedem mit Internet-Anschluß vor, die BT-Drs 17/9117, aus der die Süddeutsche vermeintlich konspirativ zitiert, wird vermutlich bald online gestellt1 .
Aber zurück zum Thema. Wer bei google nach „45 Jahre gearbeitet – 140 Euro Rente“ sucht, findet über 200 Treffer. Fast alle zitieren die Süddeutsche Zeitung, nur ganz wenige sind auf die Idee gekommen, selbst in die Drucksache zu schauen, oder nachzudenken, bevor sie etwas schreiben. Dann wäre nämlich aufgefallen, dass die vermeintliche Schlagzeile eine Binsenwahrheit ist.
Aber für die versammelte Presse zum nachlesen und etwas vereinfacht:
Deutsche Renten werden nach sogenannten Entgeltpunkten berechnet. Für jeden Beitrag erwirbt man Anteile an Entgeltpunkten. Im Jahr 2012 bekommt man bei einem Bruttogehalt von 2’625 €/Monat einen Entgeltpunkt fürs ganze Jahr. Für ein Bruttogehalt von 400 € bekommt man einen entsprechenden Bruchteil, nämlich 0,1523 Entgeltpunkte (400/2625). Bei Minijobbern kommt als Ausnahme dazu, dass der Arbeitnehmer nichts abführen muss, der Arbeitgeber aber 15,1% des Bruttolohns. Der Arbeitnehmer kann zwar auf die aktuell 19,6% aufstocken, er muss aber nicht. Wenn nur der Arbeitgeber bezahlt, dann gibt es noch weniger, nämlich 0,1174 Entgeltpunkte (400/2625*15,1/19,6).
Nach 45 Beitragsjahren hat die Minijobberin, die den Anteil des Arbeitgebers aufgestockt hat dann 6,85 Entgeltpunkte (45*0,1523), diejenige, die nicht aufgestockt hat 5,28 (0,1174*45).
So ziemlich jedes Jahr wird der sogenannte Rentenwert angepasst, der multipliziert mit den persönlichen Entgeltpunkten die Rentenhöhe ergibt. Momentan liegt dieser Wert bei 27,47 €.
Jetzt noch eine einfache Multiplikation und man kommt auf 145,04 € bzw. 188,17 €.
Aus 400 € Monatsverdienst werden also 188,17 € Rente. Man bekommt also 47,25% des letzten Bruttogehalts als Rente ausgezahlt.
<Trommelwirbel>
dieses Verhältnis gilt für alle Arbeitnehmer unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze
</Trommelwirbel>
Wer 45 Jahre durchschnittlich verdient (momentan 2’625 €/Monat) bekommt am Ende 1236,15 € Rente (45 * 27,47 €).
Wo ist da jetzt die Meldung?In insgesamt über 200 Zeitungen?
Ich meine, was hatte die Süddeutsche Zeitung denn erwartet? Dass da plötzlich 600 € Rente für einen Minijobber draus werden?
Die gesetzliche Rentenversicherung basiert auf einem Umlagesystem. Jeder eingenommene Euro geht spätestens 2 Monate später als Rentenzahlung wieder raus. Es bleiben nur die Entgeltpunkte. Aber selbst wenn es ein kapitalgedecktes System wäre. Der Minijobber (bzw. sein Chef) zahlt in seinen 45 Beitrags-Jahren insgesamt 42’336 € (45 * 12 * 400 * 0,196) ein.
Sollte er den Rentenbeginn um 15 Jahre überleben, bekommt er insgesamt 33’780,60 € als Rente und weitere 2’472 € zahlt die Rentenversicherung an die Krankenversicherung.
Wie ich gerade sehe, bin ich nicht der erste, dem das auffällt.
[Update]
Die oben erwähnte Bundestagsdrucksache ist online und zwar hier:
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/091/1709117.pdf
[/Update]
- sie ist es jetzt, der Link funktioniert [↩]