Landtagswahl in Baden-Württemberg: vorläufiges amtliches Endergebnis

Das vorläufige amtliche Endergebnis unter Berücksichtigung der Nicht- und Ungültigwähler. Fast eine Million weniger Nichtwähler sind zumindest für mich das positivste Ergebnis der Landtagswahl. Eine ausführliche Analyse gibt es morgen Abend.

Landtagswahl in Baden-Württemberg: Sonntagsfrage und Wahlbeteiligung

Von Emnid gibt es eine neue Umfrage zur Landtagswahl in Baden-Württemberg, die so aussieht:

Das ist allerdings eine Umfrage ohne Nichtwähler und es wird meines Wissens davon ausgegangen, dass die Mobilisierungsfähigkeit der einzelnen Parteien ungefähr gleichhoch ist. Bei einer Wahlbeteiligung von 50%  – 60% wirken sich aber schon kleine Unterschiede stark aus.

Wenn man davon ausgeht, dass 55% aller CDU-affinen Wähler gehen und das für SPD, FDP und Grüne genauso gilt, während die Linke 75% aller potenziellen Wähler auch an die Urne bringt, dann sieht das folgendermassen aus:

Für andere Parteien gilt das entsprechend. Bei der SPD sind die enttäuschten Wähler vermutlich schon eingepreist, aber auch da könnte es zu bösen Überraschungen kommen, wenn nur 40% der potenziellen SPD-Wähler sich aufraffen und ins Wahllokal gehen und bei den anderen sinds 55%.

Wir werden sehen, es sind ja nur noch 34 Tage.

Volksentscheid in Hamburg

Am Sonntag haben die Hamburgerinnen und Hamburger über die 6-jährige Primarschule abgestimmt.

Der Volksentscheid, der sich für die Beibehaltung der 4-jährigen Grundschule ausgesprochen hatte, hat alle drei Hürden genommen (Quorum Ja-Stimmen, Mehr Ja als Nein-Stimmen, Mehr Ja-Stimmen als der Vorschlag der Bürgerschaft) und es bleibt bei 4 Jahren Grundschule und 8 Jahren Gymnasium bzw. 9 Jahren Stadtteilschule.

Nach dieser Abstimmung wurde eigentlich schon alles gesagt, aber halt noch nicht von allen 🙂

Das statistische Landesamt hat auf seiner Seite umfangreiche Schaubilder zum Ausgang des Volksentscheids.

Ich möchte 2 rausgreifen, die sich, wenn man sie übereinanderlegt, fast perfekt ergänzen:

wahlbeteiligung-volksentscheid

Dieses Bild zeigt die Wahlbeteiligung in den einzelnen Bezirken an. Dunkle Gebiete hatten eine hohe Wahlbeteiligung, helle Gebiete eine niedrige.

 

Das zweite Bild zeigt den prozentualen Anteil der SGB-II-Empfänger, aka ALG-II, aka Hartz-IV. Auch hier stehen dunkle Farben für einen hohen Anteil, helle Farben für einen niedrigen Anteil.

alg-ii-empfaenger-volksentscheid

 

Legt man beide Schaubilder übereinander, ergeben sich folgende Bilder.

alg-ii-empfaenger-wahlbeteiligung-volksentscheid

Auf dem linken Bild wurde jeweils die dunklere Farbe genommen, auf dem rechten Bild die jeweils hellere.

Eine hohe Wahlbeteiligung korreliert mit einer niedrigen ALG-II-Empfängerrate, eine niedrige Wahlbeteiligung korreliert mit einer hohen ALG-II-Empfängerrate.

Anders ausgedrückt: Arme Menschen gehen nicht wählen. Selbst nicht bei Themen, die scheinbar/anscheined dazu gedacht sind, ihre Situation bzw. die Situation ihrer Kinder zu verbessern. Und damit ist dann auch schon fast alles gesagt.

Solange Eltern der Bildung ihrer Kinder gegenüber neutral oder gar negativ eingestellt sind, können sich die Pädagogen, Bildungspolitiker und Ideologen der verschiedenen Bildungsglaubensrichtungen ein Bein nach dem anderen ausreissen. Es wird sich nichts ändern.

Wenn ich in meinem Lerneifer nicht von meinen nähesten Bezugspersonen, meinen Eltern, unterstützt werde, wenn ich kein ausserschulisches Umfeld habe, dass mir ein ruhiges Lernen ermöglicht, wird es am Ende ganz schwer werden, so etwas wie die allgemeine Hochschulreife zu erlangen. Dann ist es völlig egal, ob ich 4 oder 6 Jahre Grundschule habe, ob alle bis zur 10. Klasse gemeinsam lernen oder schon nach 4 Jahren getrennt wird.

Bei all den Veröffentlichungen zu PISA, IGLU und TIMMS-Studien werden die Eltern, bzw. das familiäre Umfeld fast völlig ausgeblendet. Da lässt sich vermutlich nicht so gut drüber schimpfen wie über ungerechte Grundschullehrerinnen oder ideologisch verblendete Bildungspolitiker.

Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen

Die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen sind gestern gelaufen und wie erwartet, wurden die Nicht- und Ungültigwähler bei den ganzen schönen Diagrammen schmählich weggelassen. Das ist hier anders.

landtagswahl-nordrhein-westfalen-2010

(Alles Zahlen von http://www.im.nrw.de/pm/100510_1817.html)

  • Die beiden Volksparteien haben zusammen weniger Wähler als sich in der Gruppe der Nicht- und Ungültigwähler befinden.
  • 2,9% der Wahlberechtigten waren ausreichend, um die 5%-Hürde zu überspringen.
  • Man kann sich auch mit dem schlechtesten Wahlergebnis seit über 50 Jahren als Siegerin fühlen. Es kommt immer auf die Perspektive an.
  • Der Landeswahlleiter bietet wirklich sehr viel Zahlenmaterial an (unter anderem die Wahlergebnisse aller Wahlkreise im txt-Format). Da könnte sich die baden-württembergische Landeswahlleiterin eine Scheibe von abschneiden.

Zahlenspielereien

In Baden-Württemberg sind am 27. März 2011 Landtagswahlen. Ich glaube ich habe das hier das ein oder andere Mal erwähnt 🙂

Die Umfragen, die man zu sehen bekommt (schön zusammengefasst bei wahlrecht.de), blenden die Nichtwähler ebenso aus, wie sie in den Diagrammen, die man am Wahlabend im Fernsehen sehen kann, fehlen.

Da die Nichtwähler meines Erachtens aber durchaus entscheidend sein können, habe ich mir erlaubt, die Ergebnisse der letzten 5 überregionalen Wahlen in Baden-Württemberg unter Berücksichtigung der Nichtwähler zusammenzustellen. Das ergibt dann folgendes Bild:

wahlergebnis-baden-wuerttemberg

(Wahlergebnisse in Baden-Württemberg)

welches auf folgenden Zahlen beruht:

EP 04 BTW 05 LTW 06 EP 09 BTW 09
Nichtwähler 48,8% 22,7% 47,3% 50,0% 27,6%
CDU 24,2% 30,3% 23,3% 19,4% 24,6%
SPD 10,0% 23,3% 13,3% 9,0% 13,8%
FDP 3,5% 9,2% 5,6% 7,0% 13,4%
Grüne 7,4% 8,3% 6,2% 7,5% 9,9%
Linke 0,6% 2,9% 1,6% 1,5% 5,1%
Sonstige 5,5% 3,3% 2,8% 5,6% 5,7%

Wenn man sich die nackten Zahlen ansieht, dann bleibt wenig übrig von

Wir sind die einzige verbliebene Volkspartei.

Peter Hauk, Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag

Die einzige Partei, die sich in den letzten 25 Jahren von Wahl zu Wahl (bezogen auf die jeweiligen Parlamente) verbessert hat und 4 der letzten 5 Wahlen in Baden-Württemberg souverän gewonnen hat, ist die Partei der Nichtwähler.

In der Wahlbeteiligung gibt es große Unterschiede. Während bei Bundestagswahlen noch 3 von 4 Wahlberechtigten wählen, scheinen Wahlen zum Europa-Parlament und zum baden-württembergischen Landtag keinen so großen Stellenwert zu haben und locken nur noch 2 von 4 Wahlberechtigten an die Wahlurne. Das haben sie mit OB-Wahlen gemeinsam, wo auch oft nur die Hälfte der Wahlberechtigten an die Urne geht (Ravensburg 50,7%; Freiburg 45,2%; Böblingen 41,9%; Biberach 40,9%).

Wahlen werden zunehmend nicht mehr dadurch gewonnen, dass man Wähler des „gegnerischen Lagers“ überzeugt, bei dieser Wahl das Kreuz bei der eigenen Partei zu machen, sondern dadurch, dass man die eigenen Sympathisanten überzeugt, überhaupt wählen zu gehen.

Ein Vergleich zwischen der Europawahl im Juni 2009 und der Bundestagswahl im September 2009 zeigt die Steigerung der Wählerzahlen:

Partei
Erhöhung
der Wählerzahl
Stimmen 45%
CDU 27%
SPD 52%
FDP 90%
Grüne 32%
Linke 241%
Sonstige 2%

Natürlich gibt es mehrere Effekte, die eine direkte Vergleichbarkeit schwierig machen (z.B. die unterschiedliche Anzahl der abzugebenden Stimmen), aber wenn man es über mehrere Wahlen miteinander vergleicht, stellt man fest, dass die CDU unterdurchschnittlich von steigenden Wählerzahlen profitiert, aber auch unterdurchschnittlich unter sinkenden Wählerzahlen leidet.

Das hätte man natürlich auch rausfinden können, wenn man sich die Altersstruktur der CDU-Wähler anschaut. 44% aller CDU-Wählerinnen und Wähler waren über 60 Jahre alt. In dieser Altersgruppe herrscht in Bezug auf „Wählen ist Bürgerpflicht“ noch ein ganz anderes Selbstverständnis als in jüngeren Jahrgängen. [Aber dazu ein anderes Mal mehr].

Es geht ums Mobilisieren. Vor allem bei den kleinen Parteien, die maximal 22% ihrer Wählerschaft aus der Generation Ü60 gewinnen.

Wie bekomme ich bspw. als FDP die 13,8% der Wahlberechtigten, die am 27. September 2009 ihre Zweitstimme bei der FDP gemacht haben dazu, das auch eineinhalb Jahre später am 27. März 2011 bei der Landtagswahl zu tun (da natürlich nur eine Stimme).

Wenn die Grünen es schaffen, die 9,9% der Wahlberechtigten, die ihr bei der Bundestagswahl 2009 die Zweitstimme gegeben haben, auch bei der Landtagswahl 2011 zur Stimmabgabe zu motivieren, dann käme sie – wenn man die geringe Wahlbeteiligung bei Landtagswahlen mitberücksichtigt – vermutlich in den Bereich von 20%. Auch die Linke hätte bei der Landtagswahl 2011 ein zweistelliges Ergebnis wenn es ihr gelänge, ihre Wähler von der Bundestagswahl 2009 wieder an die Urne zu bringen.

Wahlentscheidend ist vermutlich nicht „habe ich ein gute Programm“, wahlentscheidend ist vermutlich auch nicht „kann ich mein gutes Programm vermitteln“. Wahlentscheidend ist „bekomme ich meine potenziellen Wähler dazu, auch bei einer scheinbar unwichtigen Wahl wählen zu gehen“.

Aufgrund des baden-württembergischen Landtagswahlrechts, das auf Landeslisten verzichtet, bietet dieses Mobilisierungsproblem allerdings Kandidaten jeder Partei (abseits der CDU) die reelle Chance, einen Platz im Landtag zu erreichen.