Herr Tauss, bitte geben Sie ihr Mandat zurück

Sehr geehrter Herr Tauss,

selten musste ich eine offensichtlichere Bankrotterklärung eines Parlamentariers lesen als ihren Auftritt im Bundestag anlässlich der Telekommunikationsverkehrs-Datenspeicherung zur Strafverfolgung am 16.02.2005, aus der ich Sie anhand der Plenarprotokolle zitieren darf:

Ich halte das in der Tat für einen Anschlag auf Bürgerrechte und auf Datenschutz in Europa, der inakzeptabel ist;
Mit dieser Bewertung komme ich jetzt aber nicht weiter. Wir haben diese Richtlinie nun einmal umzusetzen.
Wir müssen eine Richtlinie umsetzen, ob sie uns gefällt oder nicht.

Vielleicht sind Sie nach 12 Jahren Bundestag zu desillusioniert oder zu stark im politischen Räderwerk verklemmt, um sich noch an das zu erinnern, was in Artikel 38 des Grundgesetzes steht:

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

Und anscheinend ist diese Richtlinie für Sie nicht inakzeptabel, sonst hätten Sie ihr nicht zugestimmt.

Wenn Sie der Meinung sind, der Bundestag verkomme zu einem „Abnickverein Brüssels bzw. einem Abnickverein der deutschen Regierung“ was Ihr Kollege Kauder ja noch verneint, dann stellt sich erstens die Frage, wieso wir überhaupt so viele Abnicker nach Berlin schicken und zweitens die Frage, warum Ihre Parteifreundin Zypries immer fleissig am Nicken war, wenn es in Brüssel um diese Fragen ging.

Ich weiss, dass Frau Zypries es nicht immer so genau nimmt mit den Vorgaben, die der Bundestag macht, das hat Ihre Stimmhaltung in der Frage der Softwarepatente ja schon klar zum Ausdruck gebracht, allerdings stellt sich schon die Frage, warum der Bundestag seine Rechte, die er vor Verabschiedung einer solchen Richtlinie hat, nicht stärker ausübt.

Vermutlich muss Ihnen mal wieder das Bundesverfassungsgericht Ihren Job erklären, wie es das auch beim europäischen Haftbefehl getan hat.

Vielleicht dankt Herr Di Fabio diesmal Ihnen für den „schönen Einblick in die parlamentarische Praxis“, wenn Sie sich wie damals Siegfried Kauder mit einer gefühlten normativen Unfreiheit herausreden wollen.

Bis Sie sich wieder an Ihre Aufgabe als Parlamentarier erinnern wäre es schön, wenn Sie Ihren Platz in Berlin, an den Sie sich scheinbar schon so sehr gewöhnt haben, dass sie ihn für ein wenig Gewissensfreiheit nicht wieder mit ihrem alten Job als Pressesprecher der IG-MEtall in Baden-Württemberg tauschen möchten (das kann ich wiederum gut verstehen), an jemanden geben, der als Antwort auf Ihre gefühlte normative Unfreiheit die richtigen Konsequenzen zieht.

2 Gedanken zu „Herr Tauss, bitte geben Sie ihr Mandat zurück“

  1. Wohin es führen kann, wenn das Parlament als Quasselbude ohne Entscheidungskompetenz bezeichnet wird, haben wir im letzten Jahrhundert gesehen. Hat Herr Tauss sich so weit vorgelehnt obwohl oder weil er wusste, dass sein Stimmverhalten überhaupt keine praktischen Auswirkungen hat.

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