Jusos erstaunen mich immer wieder

Franziska Drohsel (Juso-Vorsitzende) hat ein Video zur Europawahl gemacht.

Darin wird unter anderem ein europäischer Mindestlohn gefordert. Was genau der bringen soll, wird leider verschwiegen.

Ein Blick in das statistische Jahrbuch 2008 von Eurostat bringt folgendes zu Tage:

  • Die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns, die bis zu einem gewissen Grad das jeweilige Preisniveau widerspiegelt, ist in den Mitgliedstaaten ebenfalls deutlich unterschiedlich; am höchsten war der monatliche Mindestlohn 2007 in Luxemburg (1 570 EUR), am niedrigsten in Bulgarien und Rumänien (92 EUR bzw. 121 EUR).
  • Das relative Preisniveau des Konsums der privaten Haushalte ist in den Mitgliedstaaten deutlich unterschiedlich. Bei einem EU-27-Durchschnitt von 100 lag es 2006 zwischen 44,1 in Bulgarien und 139,4 in Dänemark.
  • Der Bruttojahresverdienst der Vollzeitbeschäftigten in Unternehmen mit mindestens zehn Arbeitnehmern betrug 2005 in der EU-27 durchschnitttlich 29 247 EUR; in den Mitgliedstaaten lag er zwischen 47 529 EUR in Dänemark und 1 978 EUR in Bulgarien.
  • Die Struktur der Arbeitskosten war in den Mitgliedstaaten 2005 relativ unterschiedlich, denn der Arbeitskostenanteil der Löhne und Gehälter lag zwischen weniger als 70 % in Belgien, Frankreich, Ungarn und Schweden und mehr als 83 % in Dänemark, Zypern, Luxemburg und Malta.
  • Der Kaufkraftstandard (KKS) ermöglicht bei den Sozialschutzausgaben pro Kopf unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Preisniveaus Ländervergleiche ohne Verzerrungen. Somit wurden die höchsten Sozialschutzausgaben in Luxemburg (49) mit (12 180 KKS pro Kopf) verzeichnet, in Schweden, Dänemark, Österreich und den Niederlanden lagen die Werte jeweils über 8 000 KKS pro Kopf. In den baltischen Ländern wurde 2004 mit jeweils unter 1 700 KKS am wenigsten für den Sozialschutz ausgegeben.
  • Die Ausgaben für Renten erreichten 2004 in der EU-25 12,3 % des BIP, wobei sich Bandbreite bei den Anteilen zwischen 14,7 % in Italien und 4,1 % in Irland bewegte.
  • Die durchschnittliche Arbeitslosenquote lag im Jahr 2006 in der EU-27 bei 8,2 %. Es gab jedoch weiterhin beträchtliche Unterschiede zwischen den Arbeitslosenquoten der einzelnen Mitgliedstaaten, wobei die höchsten Quoten mit 13,4 % bzw. 13,8 % in der Slowakei und in Polen verzeichnet wurden und die niedrigsten Quoten in Dänemark und in den Niederlanden mit 3,9 %.

Und darüber bügeln wir jetzt einen europäischen Mindestlohn. Wo soll der denn liegen? Eher bei den 1’570 EUR in Luxemburg, oder eher bei den 92 EUR in Rumänien. Entweder er bringt der Masse der Bevölkerung nichts, weil er zu niedrig liegt oder er stürzt die neuhinzugekommenen Mitgliedsländer in den Abgrund, weil er den derzeit geltenden Mindestlohn verzehnfacht.

Gut, es passt zur sonstigen Kompetenz der Jusos (Vermengung von Steuern mit Sozialabgaben, Unkenntnis über das Steuersystem ) aber man muss ja nicht jedes Fettnäpfchen betreten, nur weil es dasteht.

2 Gedanken zu „Jusos erstaunen mich immer wieder“

  1. Wie a.a.O. gesagt: ein Missverständnis:

    „Die SPD-Europaabgeordneten setzen sich für angemessene Mindestlöhne in allen EU-Mitgliedstaaten ein. Deshalb fordern wir verbindliche EU-Vorgaben, um sicherzustellen, dass Mindestlöhne mindestens 60% der jeweiligen nationalen Durchschnittslöhne betragen. Zusammen mit der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, der Sozialdemokratischen Partei Europas und den europäischen Gewerkschaften wollen wir die Sicherung der Rechte von Arbeitnehmer/innen in Europa zum zentralen Punkt der öffentlichen Auseinandersetzung machen.“

    http://www.spd-europa.de/politik/positionspapiere/mindestlohn.html

  2. Ok, das klingt immerhin schon ein bisschen anders, aber ob es dadurch viel besser wird?

    Nehmen wir mal Deutschland. Der Durchschnittsverdienst eines vollzeitbeschäftigten Bundesbürgers beträgt in Deutschland (laut statistischem Bundesamt) 3.064 Euro brutto. Das heisst, wir würden auf einen Mindestlohn von 1840 EUR kommen.

    Wenn man einen reinen Dienstleistungsbetrieb nimmt, dann kommen auf den Arbeitgeber pro Jahr Kosten in Höhe von rund 27’000 EUR zu. Wenn die nachgefragte Dienstleistung bei einem Endkunden anfällt, dann kommt noch die Mehrwertsteuer in Höhe von 19% dazu und wir sind bei 32’000 EUR, die der Arbeitnehmer in seiner Jahresarbeitszeit von rund 1’700 Stunden erwirtschaften muss.

    Das macht dann einen Mindeststundenlohn (für den Kunden) von 20 EUR (nicht mitgerechnet die Tatsache, dass in einer Firma nicht alle „produktiv“ sind, wie z.B. Personalabteilung, Dinge wie Steuerberater, der die Lohnbuchhaltung macht, die Tatsache, dass unter Umständen Arbeitsmaterial angeschafft werden muss, die Firma auch eine Nicht-100%-Auslastung abfedern muss, die Firma keine Schulden hat, für die Zinsen anfallen …)
    Realistisch sind wir dann bei einem altruistischen Chef, der keinen Cent für sich will, bei einem Stundenlohn von mindestens 25-30 EUR. Das ist ungefähr mein Nettostundenlohn, dafür kann ich meinen Rasen auch selbst mähen.
    Der Kinobesuch schlägt dann alleine für den Babysitter mit ca. 90-120 EUR zu Buche.

    Das einzige was durch die Einführung eines solchen Mindestlohnes passieren wird ist ein weiteres Aufblühen der Schattenwirtschaft.

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