Pflichtdienste im Jahr 2005

Der Bundestag hat auf eine kleine Anfrage der Fraktion die Linke geantwortet.

Demnach haben im Jahr 2005 68.428 Männer ihren Grundwehrdienst und 83.055 Männer ihren Zivildienst angetreten.

Damit haben rund 9% eines Jahrgangs den Dienst angetreten, wegen dessen Existenz die „allgemeine“ Wehrpflicht exisitiert. 10% haben einen Ersatzdienst angetreten.

Rund 80% haben gar keinen Dienst angetreten.

Diese 80% haben Vorteile:

  • in Ihrer Ausbildungssituation,
  • auf dem Arbeitsmarkt,
  • in ihrem Geldbeutel,
  • im privaten Umfeld.

Viele Männer, die ihren Pflichtdienst abgeleistet haben, hatten deswegen keine Nachteile oder haben ihren Dienst als Bereicherung empfunden. Das mag ich jedem Einzelnen auch nicht absprechen. Was mich allerdings extrem stört ist die Tatsache, dass daraus ein allgemein gültiger Grundsatz postuliert wird und man teilweise die gesamtwirtschaftlichen Verhältnisse, die während des eigenen Wehrdienst exisitiert haben in die heutige Situation projeziert.

Um dem Vorwurf des Egoismus zu entgehen:

Der Verfasser dieser Zeilen hat von Juli 1992 bis Juni 1994 seinen Wehrdienst als SaZ2 abgeleistet und von einer Abschaffung überhaupt keinen persönlichen Vorteil.

Der Sinn der Vorratsdatenspeicherung

Der Beitrag geht auch als Email an den Abgeordneten Günter Krings. Falls er antwortet und ich das ganze veröffentlichen darf, stelle ich die Antwort hier rein.

Sehr geehrter Herr Krings,

vor der letzten Bundestagswahl wurde ich so oft als (Teil des)Souverän bezeichnet, dass ich mich irgendwie daran gewöhnt habe.

Aus diesen Grunde komme ich nicht umhin, Ihnen meine Meinung zu Ihrer Rede bzgl. der Vorratsspeicherung am 16. Februar zukommen zu lassen.

In Ihrer Rede kommen Sie auch auf die Befürchtungen der Kritiker zu sprechen:

Die orwellschen Visionen, unter denen manch einer aus diesem Hause in den letzten Wochen offenbar gelitten hat, lassen sich schnell kurieren, wenn man nur bereit ist, zur Kenntnis zu nehmen, welche Daten überhaupt gespeichert werden sollen;

[..] die Standortdaten im weiteren Verlauf eines Handygespräches im Auto sind von der Speicherungspflicht
entbunden.

Hierzu möchte ich 2 Dinge anmerken:

  1. Der Übergang von einer freiheitlichen Demokratie zu einem Überwachungsstaat geschieht schleichend. Winston Smith, um bei dem von Ihnen gewählten Vergleich zu bleiben, hatte vermutlich nicht an einem 16. Februar noch das britische Parlament gewählt und sich am darauffolgenden Tag einen Teleschirm installieren lassen und das Neusprech-Lexikon bestellt.
  2. In Artikel 5 der Richtlinie werden unter den zu speichernden Daten etwas genannt, was für mich schon so klingt, als würden auch die Standortdaten im weiteren Verlauf des Handygespräches gespeichert. Dort heisst es: „Daten zur geographischen Ortung von Funkzellen durch Bezugnahme auf ihre Standortkennung (Cell ID) während des Zeitraums, in dem die Vorratsspeicherung der Kommunikationsdaten erfolgt.“

Ich kann Ihrer optimistischen Einschätzung

Zahlreiche Verbrechen nicht nur im Bereich des Kindesmissbrauchs, sondern etwa auch rechtsradikale Straftaten, Taten des organisierten Verbrechens und des internationalen Terrorismus hätten in Deutschland aufgeklärt werden können, wenn es bereits eine entsprechende Regelung, wie sie Union und SPD in dem vorliegenden Antrag fordern, gegeben hätte.

nicht zustimmen.

Sie werden anfänglich Erfolge erzielen und dann feststellen, dass Verbrecher lernfähig sind.

Niemand hat etwas dagegen, dass Straftäter dingfest gemacht werden, auch wenn durch diese Richtlinie nur die dummen und naiven Straftäter gefasst werden. Befürchtungen habe ich, wenn ich Sie in 2 Jahren lesen muss, und sie ein ähnliches Beispiel wie das jetzt von Ihnen verwendete nehmen, allerdings mit alternativem Schluss:

Anfang 2003 deckte die spanische Polizei ein Internetforum auf, in dem Bilddateien mit überwiegend kinderpornographischem Inhalt verbreitet wurden. Die Spur der Verantwortlichen führte nach Deutschland. Als sich die Polizei um die Daten der Tatbeteiligten bemühte, (stellte sie fest):

  1. Dass die IP-Adresse zu einem Internet-Café gehört
  2. Dass die IP-Adresse zu einem offenen Proxy-Server gehört
  3. Dass die IP-Adresse zu einem der zahlreichen Anonymisierungsprojekte gehört, die teilweise sogar vom BMWi gefördert wurden
  4. Dass die IP-Adresse zu einem offenen und frei zugänglichen WLAN-Hotspot gehört

Was werden Sie dann tun?

Internet-Cafes nur noch mit Personalausweis, Verbot von Proxy-Servern, Anonymisierungsprojekten und offenen WLAN-Hotspots?

Was werden Sie tun, wenn sie dann weitere 2 Jahre später feststellen werden, dass es völlig egal ist, ob ein Anonymisierungsserver in Dresden, Baar oder Oakland steht?

Sperrverfügungen für alle bekannten ausländischen Anbieter, analog zu den Sperrverfügungen der Bezirksregierung in Düsseldorf?

Wir treten meiner Meinung nach in eine Spirale ein, an deren Ende die Abschaffung der Werte steht, die wir vorgeben schützen zu wollen. Benjamin Franklin ist ja schon eine Weile tot und zu seiner Zeit gab es weder Telefon noch Internet, allerdings stimmt die Aussage, die ihm zugeschrieben wird, meiner Meinung nach auch in der heutigen Zeit noch uneingeschränkt:

Those who would give up Essential Liberty to purchase a little Temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety.

Vorratsdatenspeicherung und Leseverständnis

Obwohl nicht der Generation angehörend, der beim PISA-Test immer mangelndes Leseverständnis bescheinigt wird, mag ich nicht ausschliessen, dass folgender Widerspruch nur in meinen Augen einer ist. Für eine Auflösung wäre ich dann dahingehend dankbar.

Günther Krings, der für die CDU im Bundestag sitzt, gibt während seiner Rede am 16.02.06 folgendes im Plenum zu Protokoll:

Bei einem Telefonat sind das [..] die Standortdaten zu Gesprächsbeginn [..] die Standortdaten im weiteren Verlauf eines Handygespräches im Auto sind von der Speicherungspflicht entbunden.

In Artikel 5 der Richtlinie findet sich unter dem Punkt „Datenkategorien, die auf Vorrat zu speichern sind“ folgendes:

zur Bestimmung des Standorts mobiler Geräte benötigte Daten:
1. die Standortkennung (Cell-ID) bei Beginn der Verbindung,
2. Daten zur geographischen Ortung von Funkzellen durch Bezugnahme auf ihre
Standortkennung (Cell ID) während des Zeitraums, in dem die Vorratsspeicherung
der Kommunikationsdaten erfolgt.

Da die Vorratsspeicherung von Beginn bis Ende des Gesprächs läuft, werden damit meines Erachtens genau jene Standortdaten im weiteren Verlauf eines Handygespräches erfasst, die laut Herrn Krings von der Speicherungspflicht entbunden sind.

Föderalismus oder die Befriedigung von Eitelkeiten

Während sich allgemeines Schulterklopfen über das Erreichen eine Kompromisses in der Föderalismusreform einstellt, komme ich nicht umhin, ein paar kritische Töne anzubringen.

Herr Koch (der hier nur stellvertretend für eine Reihe von Ministerpräsidenten steht) hatte mitnichten das Wohl und die Bildung der Jugend in Hessen oder gar der Bundesrepublik; Herr Koch möchte gern ein Spielfeld haben, auf dem er alleine steht. Von Brüssel, Berlin und den Kommunen unberührt Politik machen. Das geht in Deutschland mittlerweile nur noch in der Bildungspolitik. Alle anderen Felder, die ursprünglich mal eine Domäne der Länder waren, wurden nach Brüssel delegiert oder aufgrund des Wandels der Wirtschaft marginalisiert. Und irgendwie muss man seine Existenz ja rechtfertigen. Auf der Strecke bleibt wie so oft der Schüler.

Die Politik fordert 3 Dinge, die sich nicht in Einklang bringen lassen:

  1. Der mobile Arbeitsnomade, der seiner Stelle quer durch die Bundesrepublik hinterherzieht und dabei auch alle 2-3 Jahre seine Stelle wechselt
  2. Rückbesinnung auf die Familie zur Verhinderung eines weiteren Werteverfalls
  3. 16 unterschiedliche Schulsysteme

Man spricht dann häufig von einem Wettbewerb der Länder. Aber welches Ziel dieser Wettbewerb verfolgt, ist mir nicht ganz klar. Wenn Opel einen Mitarbeiter von Bochum nach Eisenach oder Rüsselsheim versetzt, dann wird dieser seine Kinder mitnehmen, völlig egal, ob der Unterricht in NRW besser ist als der in Hessen oder Thüringen.

Weder wird ein (bisher arbeitsloses) Elternteil eine Stelle nicht annehmen, weil die Bildungssituation an der neuen Arbeitsstelle schlechter ist als an der bisherigen noch wird man die Kinder über Jahre in anderen Bundesländern „parken“ wollen.

Ob man auf 4 oder 6 Jahre Grundschule setzt, ob man die Gesamtschule zum Standard oder zur Ausnahme macht, ob die Hauptschule das Sammelbecken für Verlierer ist, oder jemand auf eine adäquate Berufsausbildung vorbereitet, ob man 8 oder 9 Jahre ins Gymnasium geht, ob 6 Jahre Gymnasium einem Realschulabschluß entsprechen oder gar nichts …

Das alles verbleibt bei den Landesfürsten, die frei schalten und walten können.

Welche Schwierigkeiten sich einem Kind stellen, dass in der fünften Klasse Grundschule in Brandenburg an eine weiterführende Schule in Baden-Württemberg wechseln soll (in welche denn?), was es für einen 12-jährigen bayrischen Hauptschüler der aus einer 7. Klasse, in der gut ausgebildet wird, auf eine bremische Hauptschule wechselt, ist den Entscheidern vermutlich egal, den eigenen Kindern stellt sich dieses Problem ja nicht.

Der Umzug innerhalb Deutschlands über Ländergrenzen hinweg ist nicht so selten, wie man vielleicht annehmen darf. Baden-Württemberg verzeichnet für das Jahr 2004 einen Personenzuzug aus den übrigen Bundesländern von 126.000 Personen und einen Fortzug von 104.000 Personen, also 230.000 Menschen, für die der Möbelwagen in Baden-Württemberg losgefahren bzw. angehalten hat.

Wenn das ganze einem höheren Zweck diente, könnte man das vielleicht noch akzeptieren. Aber für einen diffusen Wettbewerb, wie ihn bspw. Herr Althaus munter im Radio verkündet, ist das meines Erachtens nicht verantwortenbar.

Das goldene Kalb „Leitzins“

Anlässlich der letzten Leitzinserhöhung der EZB überschlagen sich die Kommentare und Analysten mal wieder, wenn es um die Auswirkungen geht. Oft liest man dann Sätze wie diesen hier, den ich bei Spiegelonline gefunden habe:

Bei einer Zinserhöhung geben Banken die gestiegenen Kosten an ihre Kunden – Unternehmen und Verbraucher – in Form höherer Kredit- und Guthabenzinsen weiter. Kredite werden teurer und damit unattraktiver, gleichzeitig lohnt sich das Sparen wieder mehr.

Unter dem Strich investieren die Unternehmen weniger, weil die Finanzierung teurer wird. Die Bürger nehmen weniger Kredite für Konsum oder Hausbau auf und sparen mehr.

Das ist – mit Verlaub – hanebüchen.

Mit 5 Minuten eigener Recherche könnte man es sich ersparen, einfach nur etwas nachzuplappern. Dazu braucht man nur die Zinssätze der letzen 7 Jahre, die man bei der EZB findet.

Zwischen Juni 2003 und Dezember 2005 haben sich die Refinanzierungssätze nicht geändert. In dieser Zeit:

  • sank der Tagesgeldzinssatz um durchschnittlich 1.5%
  • schwankte Baugeld mit 5-jähriger Zinsbindungsfrist um 1%
  • schwankten Ratenkredite mit kurzer Laufzeit um über 2%

Im Oktober 2000 lag der Zinssatz für Refinanzierungen doppelt so hoch wie jetzt. Damals:

  • war ein Baukredit mit 5-jähriger Laufzeit um 30% höher
  • lag ein 12-monatiger Konsumentenratenkredit in ähnlichen Höhen wie jetzt

Im Juni 2003 senkte die EZB den Refinanzierungssatz um 0.5%. Gleichzeitig:

  • stiegen die Zinsen für einen Baukredit mit 5-jähriger Laufzeit um 0.5%

Baugeld hat in Deutschland im allgemeinen eine Zinsbindungsfrist, die etwa beim 40-fachen der Laufzeit der Refinanzierungssätze der EZB liegt. Niemand legt die Zinsen, die er bekommt, für 10 Jahre fest, wenn gleichzeitig die Zinsen, die er zahlen muss, nur für 90 Tage festgelegt sind. Geld für Baukredite holt sich die Bank nicht bei der EZB sondern bspw. über Pfandbriefe, deren Zinsbindungsfrist gleich lang ist.