Das goldene Kalb „Leitzins“

Anlässlich der letzten Leitzinserhöhung der EZB überschlagen sich die Kommentare und Analysten mal wieder, wenn es um die Auswirkungen geht. Oft liest man dann Sätze wie diesen hier, den ich bei Spiegelonline gefunden habe:

Bei einer Zinserhöhung geben Banken die gestiegenen Kosten an ihre Kunden – Unternehmen und Verbraucher – in Form höherer Kredit- und Guthabenzinsen weiter. Kredite werden teurer und damit unattraktiver, gleichzeitig lohnt sich das Sparen wieder mehr.

Unter dem Strich investieren die Unternehmen weniger, weil die Finanzierung teurer wird. Die Bürger nehmen weniger Kredite für Konsum oder Hausbau auf und sparen mehr.

Das ist – mit Verlaub – hanebüchen.

Mit 5 Minuten eigener Recherche könnte man es sich ersparen, einfach nur etwas nachzuplappern. Dazu braucht man nur die Zinssätze der letzen 7 Jahre, die man bei der EZB findet.

Zwischen Juni 2003 und Dezember 2005 haben sich die Refinanzierungssätze nicht geändert. In dieser Zeit:

  • sank der Tagesgeldzinssatz um durchschnittlich 1.5%
  • schwankte Baugeld mit 5-jähriger Zinsbindungsfrist um 1%
  • schwankten Ratenkredite mit kurzer Laufzeit um über 2%

Im Oktober 2000 lag der Zinssatz für Refinanzierungen doppelt so hoch wie jetzt. Damals:

  • war ein Baukredit mit 5-jähriger Laufzeit um 30% höher
  • lag ein 12-monatiger Konsumentenratenkredit in ähnlichen Höhen wie jetzt

Im Juni 2003 senkte die EZB den Refinanzierungssatz um 0.5%. Gleichzeitig:

  • stiegen die Zinsen für einen Baukredit mit 5-jähriger Laufzeit um 0.5%

Baugeld hat in Deutschland im allgemeinen eine Zinsbindungsfrist, die etwa beim 40-fachen der Laufzeit der Refinanzierungssätze der EZB liegt. Niemand legt die Zinsen, die er bekommt, für 10 Jahre fest, wenn gleichzeitig die Zinsen, die er zahlen muss, nur für 90 Tage festgelegt sind. Geld für Baukredite holt sich die Bank nicht bei der EZB sondern bspw. über Pfandbriefe, deren Zinsbindungsfrist gleich lang ist.

Ein Gedanke zu „Das goldene Kalb „Leitzins““

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