Kann es mir einer erklären?

In der Zeit darf ich lesen:

Nach Ansicht von Müntefering ist die FDP-Absage «der Versuch, das Land in Lager zu spalten». Bislang sei es Brauch gewesen, dass im Prinzip alle demokratischen Parteien untereinander koalitionsfähig seien. «Wer sich davon ausschließt, muss wissen, was er tut.»

Ist jetzt die Linke nur auf Landesebene demokratisch oder bezieht er das gar nicht auf das Verhältnis SPD <–> Linke, weil die SPD ja weiß, was sie tut?

Koalitionsaussagen gelten bei anderen nichts,

die eigene Partei nimmt sie für sich selbst natürlich völlig ernst und diskutiert nicht darüber.

Die SPD hat rot-rot-grün für sich kategorisch ausgeschlossen, der FDP nimmt sie eine Absage an rot-gelb-grün nicht ab. Umgekehrt gilt das natürlich ebenfalls.

Die Grünen wollen kein schwarz-grün-gelb, trauen der FDP aber nicht zu, dass diese bei schwarz-gelb-grün ähnlich standhaft bleiben.

Eine grosse Koalition will ausser Herrn Steinbrück keiner und am Wahlabend wird dann vermutlich doch nichts anderes übrigbleiben, wenn alle mal so standhaft bleiben, wie sie es jetzt immer wieder betonen.

Wie die SPD aber jemals wieder einen Bundeskanzler stellen will, wenn die Linken weder „vernünftig“ werden, noch sang- und klanglos in der Versenkung verschwinden, weiss vermutlich nur Herr Müntefering.

SPD und Linke erreichen an Stimmen zusammen ungefähr das, was die SPD früher alleine erzielt hat. Da auch die CDU/CSU schwächelt, erreichen beide „Lager“ jeweils etwas mehr als 1/3 der Wählerstimmen. Auf die Dauer werden wir uns an 3er-Koalitionen gewöhnen müssen (wenn ich Herrn Stegners Anspruch auf das Ministerpräsidentenamt in Schleswig-Holstein richtig interpretiere, wird dass dann die bundesweit erste 4-Parteien-Koalition aus SPD,Linke,Grüne,SSW).

Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion zur Kinderpornographie

Einfach mal aus dem Newsletter des Bundestags für all jene rauskopiert, die in der FDP nur neoliberale, marktradikale Finanzhaie sehen:

In welchen Ländern die Server stehen, auf denen sich kinderpornografisches Material befindet, will die FDP-Fraktion von der Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage ( 16/13245 <http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/132/1613245.pdf> ) erfahren. Die Regierung soll außerdem angeben, was sie zur Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit zur Verhinderung der Kinderpornografie im Internet unternimmt. Außerdem will die Fraktion erfahren, welche Rolle Filesharing-Netzwerke und Internet-Chats bei der Verbreitung von Kinderpornografie spielen.

Parteienverdrossenheit?

Prof. Dr. Niedermayer von der FU Berlin gibt jedes Jahr eine Dokumentation über die Parteimitglieder in Deutschland heraus, die durchaus lesens- und anschauenswert ist.

2007 waren 2,01% der beitrittsberechtigten Bevölkerung Parteimitglieder, das ist verglichen mit den 3,32% im Jahr 1991 ein Rückgang um über 1/3. Im Vergleich zum Jahr 1980 hat sich der Anteil der Parteimitglieder halbiert.

Das lässt sich mit einem Blick in die Altersstruktur der beiden grossen Parteien recht gut erklären. Ohne jetzt völlig pietätlos wirken zu wollen, sterben CDU und SPD die Mitglieder weg, während von unten nichts nachrückt.

1990 lag der Anteil der Generation 60+ bei den Volksparteien noch unter 30% (CDU: 29,2%, SPD: 24,6%), im Jahr 2007 lag er nahe bei 50% (CDU: 48,0%, SPD: 46,7%). Der Anteil der U30-Generation ist im gleichen Zeitraum von ohnehin niedrigen Werten (CDU: 6,6%, SPD: 10,2%) nochmals abgesunken (CDU: 5,1%, SPD: 5,8%). Im Vergleich zu den 70er-Jahren hat sich der Anteil der U30-Mitglieder bei der CDU halbiert und ist bei der SPD gar auf 1/4 gefallen. Die sind vermutlich alle in der Partei geblieben und erhöhen jetzt so langsam den Ü60-Anteil. Der Anstieg in der SPD seit dem Jahr 2000 (von 4,4% auf 5,8%) ist vermutlich nicht einer vermehrten Attraktivität der SPD für junge Menschen zu verdanken sondern der allgemein sinkenden Anzahl an Parteimitgliedern (seit dem Jahr 2000 haben im Saldo annähernd 200’000 Menschen der SPD den Rücken gekehrt).

Einzig die beiden kleinen Parteien FDP und Grüne erfreuen sich eines Anteils der U30-Generation, der im zweistelligen Bereich liegt (FDP: 10,7%, Grüne: 13,3%).

Das ist vermutlich ein selbstverstärkender Effekt. Ortsvereine, in denen hauptsächlich alte Menschen (mit 40 Jahren Parteizugehörigkeit) sitzen, die das Sagen und mit der Lebenswirklichkeit von jungen Menschen oft nur wenig gemein haben, wirken vermutlich nicht sehr anziehend. Wenn dann noch bei der SPD dazukommt, dass sich die Parteispitze in den Zielen immer weiter von der Basis entfernt und man bei der CDU nur durch jahrelange Kärrnerarbeit in Orts-, Kreis-, Bezirks- und Landesverbänden nach oben kommt, braucht man vermutlich eine ganze Menge mehr Durchhaltevermögen, als es der jetzigen jungen Generation zu Eigen ist.

Vermutlich gibt es auch aktive Ortsverbände, die jungen Mitgliedern eine Chance zur Mitarbeit geben, die erkannt haben, dass das Schmoren im eigenen Saft zu nichts führt, aber ob das für den Grossteil gilt?

Und zum Abschluß noch eine persönliche Bemerkung:

Liebe CDU- und SPD-Führungsgremien,

es ist schön, wenn Ihr Euch jetzt der Dinge annehmt, die für jüngere Zielgruppen relevant sind (Paintball, „Killer“-Spiele, Internet). Ihr solltet nur noch ein wenig daran arbeiten, wie Eure Entscheidungen diesbezüglich ausfallen.

Wahlnachlese Europawahl

Während man allerorten über das schlechte Ergebnis der SPD diskutiert und versucht Gründe zu finden, die von schlechter Mobilisierung bishin zu Verrat der Parteispitzen an den Idealen der Sozialdemokratie reichen, wird das Abschneiden der CDU erstaunlich wenig kommentiert, der Verlust von 6,7% wird mit dem guten Abschneiden im Jahr 2004 erklärt, und gut ist.

Ist es eigentlich nicht.

Die Forschungsgruppe Wahlen hat eine interessante Zusammenfassung ihrer Daten rund um die Europawahl veröffentlicht. Zwei Diagramme, die einerseits das Alter der Wähler und zum anderen den erreichten Bildungsstand differenzieren, lassen für die ehemaligen Volksparteien nichts gutes erahnen.

Während CDU/CSU und SPD im Altersbereich 60+ zusammen 72% aller Stimmen erhalten, sind es bei den 18-29 Jährigen gerade noch 49%. Nun mag man einwenden, dass man sich im jungen Alter nicht gerade zu Parteien hingezogen fühlt, in denen annähernd jedes 2. Mitglied über 60 Jahre alt ist, aber es wird mit höherem Alter der Wählergruppe nicht unbedingt besser. Bei den U60-Wählern erreichen beide Parteien zusammen um die 50%. Da ich nicht annehme, dass sich die Wahlpräferenzen bei Erreichen des Rentenalters schlagartig ändern, könnte das in einigen Jahren spannend werden und aus der „grossen Koalition“ könnte eine werden, die es nicht mehr auf eine satte 2/3-Mehrheit im Bundestag bringt, sondern um die einfache Mehrheit ringt.

Auch im Bereich der Bildung lässt sich eine Tendenz feststellen. Bei den ehemaligen Hauptschülern erreichen CDU/CSU und SPD zusammen 72%, bei den Abiturienten sind es noch 51% und bei Menschen mit Hochschulabschluß sind es nur noch 46%.

europawahl-hochschulabsolventen

Es scheint auf den ersten Blick ein wenig widersinnig. Die, denen die SPD einen fairen Start in das Erwachsenenalter ermöglicht hat, wenden sich von den Sozialdemokraten ab, diejenigen, die aus persönlichen Gründen eigentlich am meisten an der Beibehaltung des status quo interessiert sein müssten, wenden sich von den Konservativen ab. Vermutlich frisst nicht nur die Revolution ihre Kinder.

[Update]

Da hatte ich doch glatt den link zur Forschungsgruppe Wahlen vergessen.

http://www.forschungsgruppe.de/Aktuelles/Wahlanalyse_Europa/Newsl_Euro09.pdf

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