Männer-Disco

Die Julis Baden-Württemberg haben eine Diskussion zum Tanzverbot an Feiertagen angestossen, zu der ich auch noch meinen Senf dazugeben muss.

In Baden-Württemberg gilt das Feiertagsgesetz, das unter anderem folgenden Paragraphen hat:

§ 10 FTG

(1) Öffentliche Tanzunterhaltungen sind an Allerheiligen, am Allgemeinen Buß- und Bettag, Volkstrauertag, Totengedenktag und am 24. Dezember von 3 Uhr bis 24 Uhr, am Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag und am Ersten Weihnachtstag während des ganzen Tages verboten.
(2) An den übrigen Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen mit Ausnahme des 1. Mai und des 3. Oktober sind öffentliche Tanzunterhaltungen von 3 Uhr bis 11 Uhr verboten.

Gleichzeitig gilt die Gaststättenverordnung, die unter anderem folgenden Paragraphen hat:

§ 9 GastVO – Allgemeine Sperrzeit

(1) Die Sperrzeit für Schank- und Speisewirtschaften sowie für öffentliche Vergnügungsstätten beginnt um 3 Uhr, in Kur- und Erholungsorten um 2 Uhr. In der Nacht zum Samstag und zum Sonntag beginnt die Sperrzeit um 5 Uhr. Für Spielhallen beginnt die Sperrzeit um 0 Uhr. Sie endet jeweils um 6 Uhr.
(2) In der Nacht zum 1. Januar wird die Sperrzeit aufgehoben, in der Nacht zum Fastnachtsdienstag und zum 1. Mai beginnt sie um 5 Uhr. Satz 1 gilt nicht für Spielhallen.

Das bedeutet, dass an normalen Sonntagen die Discothek zwar bis 5 Uhr geöffnet haben darf, die Tanzfläche ab 3 Uhr aber tabu ist. In meiner Jugendzeit gab es dafür (alle stehen am Rand der Tanzfläche, halten ein Bier in der Hand und wippen allerhöchstens ein wenig mit den Fußspitzen) den feststehenden Begriff der Männer-Disco.

Das war in einem anderen Jahrhundert und mittlerweile tanzen vermutlich auch die Männer (ich kann das leider nicht verifizieren. Als man mich bei meinem letzten Disco-Besuch mit den Worten „jetzt kommen sie sogar schon zum Sterben hierher“ bedacht hat, habe ich mir weitere Besuche verkniffen), von daher wird das Verbot entweder nicht eingehalten, oder die Jugend ist auch nicht mehr das, was sie mal war.

np: alcazar – crying at the discoteque

Julis in Ba-Wü möchten Wahlrecht ändern

Die Jungen Liberalen in Baden-Württemberg möchten das Landtagswahlrecht ändern.

http://www.julis-bw.de/node/1240

Die FDP/DVP Baden-Württemberg setzt sich für eine Reform des Landtagswahlrechts zu einer personalisierten Verhältniswahl mit zwei Stimmen ein, das sich am Bundeswahlrecht orientiert. Mit der Landesstimme(„Zweitstimme“) wählt der Wähler demnach eine geschlossene Parteiliste.

Auf den ersten Blick sieht das ganze (gerade für Parteien jenseits der CDU) verführerisch aus.

Bei einer Landesliste

  • kann der Proporz viel besser erreicht werden, zwischen Männern/Frauen, Alten/Jungen, Badnern/Schwaben …
  • liegt die Zusammensetzung der Fraktion beim Landesparteitag (mit einem hohen Anteil altgedienter Parteimitglieder) und nicht bei 70 Wahlkreisversammlungen, die teilweise nur saumässig schlecht besucht waren/sind (des öfteren lag die Anzahl der Wahlberechtigten unter 20)
  • man ist als Kandidat nicht so sehr davon abhängig, wen die politische Konkurrenz im Wahlkreis aufstellt
  • auch Kandidaten aus Diaspora-Gebieten (für die SPD z.B. ganz Baden-Württemberg mit Ausnahme von Mannheim I) haben eine Chance, in den Landtag zu kommen
  • gerade in knappen Wahlkreisen spielt die Lagerproblematik keine Rolle (man könnte als FDP-Anhänger in Mannheim I den CDU-Abgeordneten mit seiner Erststimme und die FDP mit der Zweitstimme wählen).

Auf der anderen Seite gehen viele Möglichkeiten der Einflussnahme der Basis verloren. Die politische Einflußmöglichkeit würde ebenso wie auf Bundesebene darauf beschränkt, 2 5 Mitglieder für den Landesparteitag bzw. zur Landesvertreterversammlung zu wählen und ansonsten noch einen chancenlosen Direktkandidaten zu nominieren. Dessen Erfolg hängt einzig davon ab, wie weit nach oben er es in die Landesliste schafft, das Wahlkreisergebnis ist nebensächlich. Man erschafft damit Abgeordnete, die ihr Mandat nicht dem Wähler (dass sind die, die kurz vor der Wahl immer als Souverän bezeichnet werden und von denen gemäß diesem komischen Grundgesetz alle Staatsgewalt ausgeht) verdanken, sondern einzig der Partei. Das kann man gut finden, muss man aber nicht.

Wenn man sich die letzte Bundestagswahl im Wahlkreis Ravensburg anschaut, dann hat der Direktkandidat dort 14,1% der Erststimmen geholt, stand allerdings nur auf Platz 36 der Landesliste. Das hat nicht gereicht.

Der Direktkandidat aus dem Wahlkreis Karlsruhe-Stadt hat 8,4% der Erststimmen auf sich vereinigen können, allerdings hat es bei ihm aufgrund des Listenplatzes 15 noch mit einem Einzug in den Bundestag geklappt. Für Freiburg und Mannheim gilt das gleiche. Um in Baden-Württemberg ein nicht durch die Landesliste abgesicherter Erstkandidat für die FDP bei einer Bundestagswahl zu werden, braucht es sehr viel Zeit, Geld und Enthusiasmus. Ein überdurchschnittliches Erststimmenergebnis wird bei der Aufstellung der nächsten Landesliste nämlich weder automatisch noch manuell berücksichtigt. Da kommt es nur darauf an, aus welcher Region man kommt und ob es bekanntere oder bereits im Bundestag sitzende FDP-Mitglieder gibt, die den Platz beanspruchen.

Die FDP wird von vielen als Partei wahrgenommen, die man auf Bundes- und Landesebene wählen kann, darunter spielt sie in vielen Regionen keine Rolle. Wenn man sich die Zahlen der Kommunalwahl 2009 und die der gleichzeitig stattfindenden Europawahlen anschaut, dann sieht man eine grosse Stimmdiskrepanz. Bei den Kreistagswahlen erreichte die FDP 7,8%, bei den Gemeinderatswahlen 6,2% und bei den Europawahlen 14,1%. Das nur darauf zu schieben, dass die FDP eben eine kleine Partei ist, die in kleinen Parlamenten unterrepräsentiert ist, wird durch die Tatsache widerlegt, dass die Grünen im Vergleich zu den 15,0% bei der Europawahl mit 10,3% bei den Gemeinderatswahlen und 11,7% bei den Kreistagswahlen erheblich weniger Wähler beim Wechseln der Stimmzettel verloren haben, als die FDP.

Wenn man der Basis jetzt noch die Möglichkeit nimmt, Kandidaten für den Landtag zu nominieren in dem man das ganze auf eine (für das einfache FDP-Mitglied)relativ anonmye Versammlung in Stuttgart (oder wo auch immer sie tagt) deligiert, könnte die Lust auf die Mitarbeit weiter schmälern

Natürlich könnte man jetzt sagen, dass sich die FDP auf ihre Kernkompetenzen besinnen sollte und das politische Geschäft den Profis überlässt, die jetzt in ihrer 6. Wahlperiode (Birgit Homburger) bzw. 4. Wahlperiode (Dirk Niebel, Ernst Burgbacher) im Bundestag sitzen.

Dann besteht meines Erachtens aber die Gefahr, dass der Unterbau komplett wegbricht.

Die FDP ist nicht so tief in der Gesellschaft verankert und geht wie alle Parteien durch Hochs (wenn gerade die politische Konkurrenz regiert) und Tiefs (wenn sie selbst am regieren sind). Allerdings geht es bei der FDP oft darum, den Einzug ins Parlament überhaupt zu schaffen.

Ende der 90er Jahre war die FDP in den Landesparlamenten von Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachen-Anhalt und Thüringen nicht vertreten und hatte 6,2% Zweitstimmen bei der Bundestagswahl. Dann kam rot-grün und schwarz-rot. Momentan sitzt die FDP wieder in 15 von 16 Länderparlamenten, ist an 7 Landesregierungen beteiligt, hat ein Zweitstimmenergebnis von 14,6% bei der letzten Bundestagswahl erreicht, sitzt in der Bundesregierung und befindet sich umfragetechnisch in einem der tiefsten Täler der letzten 20 Jahre.

Für den Hype und den einmaligen Wahlerfolg sind sicher die Politprofis wie Westerwelle, Homburger und Niebel verantwortlich. Dafür, dass sich die FDP dauerhaft oberhalb der 5%-Hürde etabliert, braucht es die Basis. Der die Illusion der Beteiligung zu nehmen könnte sich auf lange Sicht als schädlicher erweisen als Steuererhöhungen oder Umsatzsteuersenkungen für Hotelübernachtungen.