Ich bin ein Steuerhinzerzieher

6 Wochen war es relativ ruhig im Blog, ich war in Urlaub (das kündigt man wegen der bösen Einbrecher mit Internetanschluss mittlerweile ja nicht mehr an), musste Klausuren an der Fernuni schreiben (internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung, Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrecht, Wirtschaftsinformatik), hatte eine Bachelor-Arbeit, die am 21.09. auf dem Weg nach Hagen zu sein hatte (Informelles Verwaltungshandeln und Public Private Partnership), bin relativ frischgebackener Präsident des Turicum Toastmasters Club in Zürich …

Die Klausuren sind geschrieben, die Bachelorarbeit bei der Post und ich habe wieder ein wenig Zeit, all die Dinge zu schreiben, über die ich in den letzten Wochen gestolpert bin.

Fangen wir mit dem für mich schockierendsten an: Ich bin ein Steuerhinterzieher.

Böse Zungen behaupten zwar, dass gälte in meiner Partei soviel wie ein Ritterschlag, aber erstens stimmt das nicht und zweitens sollten es dann schon angemessene Beträge sein, wegen 80 Cent bietet man mir vermutlich nicht den Ehrenvorsitz an.

Eigentlich bin ich da auch relativ unschuldig reingerutscht (das behaupten sie vermutlich alle, aber bei mir stimmt es).

Alles begann damit, dass ich irgendwo gelesen hatte, dass Restaurants mit Ausser-Haus-Verkauf zwei unterschiedliche Mehrwertsteuersätze anwenden dürfen, je nach dem, ob der Kunde im Restaurant isst oder das Essen mitnimmt.

Hintergrund dieser Regelung soll sein, dass bei einem Restaurantbesucher die Hauptleistung die Versorgung mit Essen und Trinken ist. Nebenleistungen (in diesem Fall: essen und trinken) werden in Deutschland wie die Hauptleistung (in diesem Fall: bewirtet werden) besteuert (daher wird manchmal auf Porto auch MwSt. fällig und manchmal nicht, aber das ist eine andere Geschichte) und bewirtet zu werden ist nicht ermässigt mehrwertsteuerpflichtig sondern unterliegt dem vollen Satz.

Jetzt weiss so ziemlich jeder, der einmal einen Franchise-Partner eines amerikanischen Burger-Braters besucht hat, dass von der Hauptleistung relativ wenig übrigbleibt. Man holt das Essen selbst und schmeisst den Müll danach selbst weg. Zu spülendes Geschirr gibt es keins. Trotzdem soll die Regelung auch hier gelten.

Dem wollte ich auf den Grund gehen, man soll ja nichts einfach so glauben.

Gedacht, getan. An zwei Abenden besuchte ich einen Schnellbrater in Konstanz und bestellte einmal zum „hier essen“ und einmal „zum mitnehmen“. Auf Nachfrage erhielt ich untenstehende Quittungen.

quittung


Und siehe da, es werden in der Tat zwei unterschiedliche Mehrwertsteuersätze angewendet. Wer sich immer schon mal gefragt hat, warum bei den Menus dabeisteht, dass die Reduktion gegenüber den Einzelpreisen beim Getränk berechnet wird, findet ebenfalls eine Antwort. Getränke werden in Deutschland immer mit 19% besteuert. Der halbe Liter Cola light kostet im Menu nur 31 ct, dass sind fast Supermarktpreise (kann mal jemand nachschauen, was der einzeln kostet, ich bin da nicht so oft).

So weit so gut und noch nicht schlimm (wenn man eine völlig unverständliche Steuergesetzgebung nicht für schlimm hält).

Irgendwie wehte aber an diesem Abend der Wind der Auflehnung durch Konstanz, ein Hauch von Rebellion lag in der Luft (ganz deutlich spür- und riechbar, trotz der Gerüche aus der Küche).

Hier in Konstanz, wo vor 162 Jahren Hecker und Struwe losgezogen waren, die badische Revolution gegen Unterdrückung und für die freie Republik zu starten, hier in Konstanz, wo vor 795 Jahren Jan Hus als Ketzer dem Scheiterhaufen überantwortet wurde, befiel auch mich der Virus der Gesetzlosigkeit: ich nahm meine Tüte „zum mitnehmen“, setzte mich an einen freien Platz und ass im Restaurant.

Damit machte ich mich einer Steuerhinterziehung gem. § 370 I Abgabenordnung schuldig

§ 370 Steuerhinterziehung
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1. den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen
unrichtige oder unvollständige Angaben macht,

2. die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt

Zum Glück war ich allein und mache das nicht oft, sonst hätte daraus leicht ein besonders schwerer Fall werden können, der dann vorliegt, wenn man als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt.

In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

Momentan bin ich am grübeln.

Soll ich eine strafbefreiende Selbstanzeige machen, oder hoffen, dass ich unbemerkt durch die Lücken des Gesetzes schlüpfe (was sich mit diesem Beitrag allerdings erledigt haben sollte). Wird man mich überprüfen, wird man feststellen, dass ich letzten Sommer meinen deutschen Rasenmäher mit schweizerischem Benzin getankt habe (schon wieder eine Steuerhinterziehung und vermutlich die schlimmere, da ich das in den letzten 11 Jahren öfter gemacht habe und auch meine Frau ab und an den Rasenmäher betankt. Reicht das schon für eine Bande? BGHSt 46, 321 meint zum Glück nein, es müssen drei sein. Shit, ich glaube ich habe meinem Nachbar mal ein Benzin-Sachdarlehen (Leihe ist in §§ 598ff BGB geregelt, das war ein Sachdarlehen nach §§ 606ff BGB) gegeben, reicht das schon für einen Dritten, oder liegen die Voraussetzungen höher als beim Skat, wo man über jeden dritten Mann froh ist?)

So, während ich nochmals die Abgabenordnung durchlese, kommt mir bezüglich des Benzins in Nachbars Rasenmäher der unheimliche Verdacht, dass auch noch Steuerhehlerei vorliegt.

§ 374 Steuerhehlerei
(1) Wer Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern [..] hinterzogen [..] worden [sind], einem Dritten verschafft [..], wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Jetzt kann nur noch ein guter Anwalt für Steuerrecht helfen.

np: Tracy Chapman – talkin‘ bout a revolution

Mindestlohn-Debatte

Die Mindestlohn-Debatte wird vor der Bundestagswahl von beiden Seiten intensiv geführt. Leider vergisst man meines Erachtens einen wichtigen Punkt:

Das Problem ist meiner Ansicht nach nämlich nicht, dass die Auftraggeber zu wenig bezahlen, das Problem ist, dass zuwenig beim Arbeitnehmer ankommt.

  • Von den 18’041 EUR, die der Arbeitgeber eines Mindestlohnempfängers bezahlen muss (das sind 15’120 EUR Bruttogehalt und 2’921 EUR Sozialabgaben, oft als „Arbeitgeberanteil“ bezeichnet), kommen 11’297 EUR beim Arbeitnehmer an (Der zahlt nämlich 3’096 EUR Sozialversicherung und 727 EUR Steuern).
  • Wenn es sich um eine Branche aus dem Dienstleistungsbereich für Endkunden handelt, muss die Mehrwertsteuer auch vom Arbeitnehmer erwirtschaftet werden. Dann sind wir bei 21’500 EUR, die in Rechnung gestellt werden müssen.
  • Wenn man davon ausgeht, dass bspw. 10 Haushaltshilfen einen 11. Angestellten bedingen, der sich um Disposition, Buchhaltung etc. kümmert und der nicht dem Kunden direkt verrechenbar ist, ist man bei 23’700 EUR.
  • Rücklagen für schlechtere Zeiten sollte die Firma auch bilden können, ohne dass gleich alle ‘Kapitalistenschwein’ und ‚Ausbeuter‘ rufen (Das Risiko der Nichtvermittlung soll ja ein unternehmerisches sein und keins des Arbeitnehmers). Dann sind wir vielleicht bei 27’000 EUR.

Noch hat kein Chef Geld gerafft, noch wurden keine „shareholder“ befriedigt.

Die Jahresarbeitszeit (das ist die Zeit, in der der Arbeitnehmer vom Kunden bezahlt wird) liegt in Deutschland so bei ca. 1’760 Stunden. Eine Firma kann eine Dienstleistung, völlig egal, ob es sich dabei um Rasenmähen, Kinderbetreuung oder Küche putzen handelt für nicht weniger als 15,40 EUR ´die Stunde anbieten. Davon sieht dann der Mäher, Kinderhüter, Putzmann gerade noch 5,60 EUR auf dem Lohnzettel.

Wenn der Mindestlohn kommt, wird vermutlich ein weiterer Teil in die Schwarzarbeit wandern, weil man sich auf 10 EUR einigen wird und man die 200% Overhead „spart“. Die wenigsten glauben, dass dadurch die Oma weniger Rente, das nierenkranke Kind keine Operation oder der arbeitslose Mechaniker weniger ALG bekommt. Das ist so entpersonalisiert, da überwiegt die Freude 4,60 EUR pro Stunde mehr zu haben, bzw. 5 EUR die Stunde weniger zahlen zu müssen. Nicht dass ich das gutheisse, aber man sieht ja jetzt schon, wieviel Handwerkerleistungen auf privaten Baustellen am Wochenende und Abends erbracht werden.

Und wenn jetzt einer mit „ja, aber bei Minijobs ist das doch alles anders“ kommt:
Erstens ist es das nicht sehr und zweitens streben die Verfechter eines Mindestlohns wohl an, dass Menschen in sozialversicherungsplichtigen Arbeitsverhältnissen stehen. Oder soll man dank Mindestlohn jetzt 3 Minijobs annehmen müssen?

Zum Abschluß eine kleine Grafik:

mindestlohn

Für Tagesmutter/vater müssen Sie den ganzen Kuchen bezahlen. Die Person, die ihre Kinder betreut bekommt davon das hellblaue Stück links.

Darüber wird in der öffentlichen Diskussion viel zuwenig diskutiert. Dem Mindestlohnempfänger wäre vermutlich mehr gedient, wenn man ihm statt 39,8% 65% liesse.

Selbst wenn die SPD den Mindeststeuersatz so weit senken würde, dass ein Mindestlohnempfänger keine Einkommensteuer mehr zahlen müsste (was selbst der SPD zu weit ginge, es geht aktuell um 2% Absenkung im Einstiegsbereich), würde die Nettoquote nur auf 40,9% steigen.

[Wer sich jetzt wundert, dass man beim Stundenlohn nur auf 36.4% kommt, sei darauf hingewiesen, dass der Arbeitnehmer während Urlaub, Feier- und Krankheitstagen in aller Regel sein Gehalt weiterbekommt, was sich natürlich auf das Jahresnetto auswirkt. Warum ich trotzdem den Stundenlohn verwende liegt darin begründet, dass es das ist, was der Arbeitnehmer auf seiner Lohnabrechnung sieht.]