Mal wieder ein offener Brief an meinen Landtagsabgeordneten und den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg:
Sehr geehrter Herr Oettinger,
sehr geehrter Herr Koeberle,
2 Beiträgen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung musste ich entnehmen dass sie planen, den Grossteil der historischen Handschriften aus der badischen Landesbibliothek in Karlsruhe zu verkaufen, um mit dem erhofften Erlös von 70 Millionen EUR die Sanierung und den Erhalt von Schloss Salem zu finanzieren.
Ich nehme an, dass Ihnen der Brief von Prof. Dr. Jeffrey F. Hamburger von der Harvard University bekannt ist, so dass ich darauf verzichten kann, ihn zu lang zitieren, obschon mich als gebürtiger Oberrheinbewohner seine Einschätzung
Das ganze Mittelalter hindurch und auch noch danach war der Oberrhein jedoch eine Wiege der Zivilisation, ein wichtiger Platz des europäischen Urbanismus, ein Arterie zwischen Nord und Süd, kurz gesagt, eine treibende Kraft in der Geschichte Europas.
mit Freude und Bestätigung erfüllt.
Ich kann auch sicher nicht so eloquent in Worte fassen, welchen Verlust eine Zerstückelung der Sammlung und ihr Verschwinden in die Privaträume reicher Sammler bedeutet, schon alleine deshalb, weil mein Wissen über mittelalterliche Handschriften vermutlich ebenso begrenzt ist, wie das Ihre.
Allerdings beunruhigen mich sowohl sein Brief, dem ich anhand der Mitunterzeichner aus Yale, Princeton und Oxford eine gewisse Substanz zubilligen muss, als auch die von Ihnen gewählte Form der Heimlichtuerei (die Pressekonferenz von Prof. Dr. Frankenberg gehorchte wohl eher der Not, denn dem eigenen Antrieb).
Im Verkauf von solchen Schätzen macht die Regierung von Baden-Württemberg nicht nur das demokratische Vorgehen, sondern auch ihre Verpflichtungen gegenüber Bildung, Kultur und dem Gemeinwohl zur Farce.
Das schreibt nicht etwa ein abgehalfterter Landesoppositionspolitiker, der mal wieder in der Zeitung stehen will, sondern jemand, der sich damit auskennt.
Es ist verständlich, dass sie mit dem Vertrag und dem anschliessenden Verkauf Rechtssicherheit gewinnen wollen, allerdings liesse sich diese wohl auch mit dem Vertrag und der Zahlung des geplanten Erlöses in die Stiftung realisieren.
70 Millionen EUR sind natürlich eine Menge Geld, wenn man sich allerdings anschaut, dass der Rechnungshof jährliche Einsparungen von 30 Millionen EUR für realistisch hält, sollte da mit etwas gutem Willen eine Lösung zu finden sein.
Ich bin mir durchaus der Tatsache bewusst, dass gerade keine Wahl ansteht und ich deswegen vom Souverän wieder zum Druck der Strasse geworden bin, dem man nicht nachgibt, allerdings wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie den Verkauf nocheinmal überdenken würden und auch andere Lösungen ins Auge fassten.
Mit freundlichen Grüssen
Markus Ritter
Danke für den Brief, laufende Berichterstattung unter http://archiv.twoday.net