II. Akt, 2. Szene

Ich habe diverse Rückmeldungen bekommen, dass die Blogbeiträge doch relativ verwirrend seien. Das sehe ich teilweise genau so, weshalb die Kategorie ja auch lange wirre Schachtelsätze heißt und ich lese mir alte Beiträge auch nur dahingehend noch mal durch, ob ich zum Zeitpunkt des Schreibens die richtige Medikation gewählt hatte. Andererseits ergibt das aus meiner Warte durchaus Sinn was da steht und es ist konsistent, was natürlich auch daran liegen könnte, dass ich die ganze Geschichte schon kenne. Man muss, wie Nietzsche einmal treffend bemerkte, noch etwas Chaos in sich tragen, um einen tanzenden Stern gebären zu können.

Als Trost kann ich sagen, dass das Lesen dieser Zeilen vermutlich die geistige Beweglichkeit erhöht, was einer der vielen Theorien zur Entstehung von Demenz zufolge das Auftreten ebendieser verzögern oder verhindern kann. Während in einer fernen Zukunft die anderen apathisch im Speisesaal des Altersheims sitzen und Stephanie Hertel lauschen, werden Sie noch wissen, dass das eigentlich keine Musik ist. Vielleicht doch kein so großer Trost. Ich mach trotzdem weiter.

Um zum gestrigen Thema zurückzukommen:

Ich weiß nicht, was ich damals auf die Feststellung des synchronen Zyklus geantwortet habe. Vermutlich nichts, weil Schlagfertigkeit halt nicht das ist, was einem Jahre später beim Schreiben eines Blogbeitrags einfällt. „Das ist auf so vielen Ebenen verstörend“ wäre vielleicht eine Entgegnung gewesen, aber ich glaube, ich habe diese Floskel erst später kennen und schätzen gelernt.

Für die andere mögliche Antwort kommen wir zu den Griechen und ihrer Sprachvielfalt zurück.

Was den Griechen, neben Geld und einer florierenden Wirtschaft fehlt, ist ein fünfter Ausdruck für Liebe, nämlich der, der das Gefühl ausdrückt, das in „ich hab Dich auch lieb“ mitschwingt. Statistiken, die meine Ex-Kollegen über mich geführt haben zufolge war das einer der Ausdrücke, den ich relativ häufig verwendet habe. Ja, die Tatsache, dass Kollegen Statistiken darüber führen, welche Floskeln und Satzfetzen man benutzt finde ich auch auf so vielen Ebenen verstörend, aber das gehört jetzt nicht hierher, es ging ja um Liebe.

Ich weiß nicht, wann ich angefangen habe, meinem Umfeld mit diesem Satz auf die Nerven zu gehen, aber es muss schon eine Weile her sein, sonst hätte er es nicht an so prominenter Stelle in oben erwähnter Statistik geschafft.

Irgendwann habe ich erkannt, dass der einzige, der bei mir Stress verursachen kann, ich bin. Und irgendwann habe ich dann eingesehen, dass der einzige, dem das schadet ebenfalls ich bin. In einer gewagten Auslegung der Tatsache, dass auch ein aufgesetztes Lächeln für eine Ausschüttung genau jener Hormone sorgt, die auch bei einem echten Lachen ausgeschüttet werden, habe ich begonnen zu versuchen, mich nicht mehr über die lahmarschige Fahrerin aufzuregen, der es gelingt eine Zufahrt zum Kreisverkehr zu blockieren, weil dort so oft diese schrecklich schnellen Dinger vorbeikommen, die man Auto nennt. Ich habe begonnen, sie Schatz zu nennen.
Manchmal funktioniert es, manchmal nicht, aber ich arbeite dran.

Ab und an rutscht mir das auch raus wenn ich mit Leuten rede, die mich nicht oder nicht so gut kennen. Ich bin dann immer in einer Zwickmühle, ob ich mein Gegenüber darüber aufklären soll, dass es sich dabei nicht um eine Freud’sche Fehlleistung handelt, sondern er eigentlich gerade ein wenig nervt, oder ob ich ihn oder sie in dem Glauben lassen soll, ich hätte gerade unbewusst meine tiefsten Gefühle zum Ausdruck gebracht.

Ganz ähnliche Reaktionen löst ein „ich hab Dich auch lieb“, beziehungsweise die verschärfte Version „ich hab Dich auch lieb [Pause] Schatz“ aus. Dieser Satz ist der Versuch mich an Hanlon’s Razor zu halten, beziehungsweise an Goethe der etwas lyrischer anmerkte „daß Mißverständnisse und Trägheit vielleicht mehr Irrungen in der Welt machen als List und Bosheit“.

Und da fehlt den Griechen halt was. Also nicht für das, was in der Standardbedeutung des Satzes zum Ausdruck kommen soll, sondern in meiner.
Nein, Idiot ist es nicht. Denn erstens bedeutet idiotes einfach nur Einzelperson und zweitens möchte ich ja genau das nicht zum Ausdruck bringen.

Anders als beim Schatz, der auch mir völlig unbekannte Menschen treffen kann, hab ich nur Leute auch lieb, die ich mag. Damit ich sie in diesem Moment weiter mögen kann, muss ich davon ausgehen, dass sie das, was sie gerade gesagt haben ganz anders gemeint haben, als ich es verstanden habe. Das passiert mir nämlich auch ständig, also das mit dem falsch verstanden werden, sei es in hitzigen Diskussionen, in Niveau-Limbo-Runden, bei denen die Stange schon fast den Boden berührt oder beim rumflachsen.
Und weil ich nicht jedes Mal Mate-Tee kochen und einen Stuhlkreis aufmachen will, in dem wir uns gegenseitig unsere Gefühle schildern und wie es uns denn dabei ging, als diese auf so vielen Ebenen verstörenden Worte fielen, kommt halt in meinem Fall ein „ich hab Dich auch lieb“. Im Übrigen nicht zu verwechseln mit Erich Mielkes „aber ich liebe doch alle – alle Menschen“. Denn anders als Herr Mielke habe ich gegenüber allen Menschen eine positive Grundhaltung. Aber ich muss Schluss machen, denn jetzt kommt der

– Vorhang –

2 Gedanken zu „II. Akt, 2. Szene“

  1. Flo, manchmal fehlst Du mir auch.
    Immer dann, wenn es mir zu gut geht und ich denke, gleich passiert was schlimmes.

    Ich denke, für Dich muss ich auch keine Smilies setzen. Falls doch, denk Dir da oben welche dazu.

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