Nachdem die neue Regierung die Arbeit aufgenommen hat, wird das Volk vom Souverän wieder zum „Druck der Strasse, dem man nicht nachgibt“ zurückgestuft. Alle plebiszitären Elemente, die man sich vorstellen könnte werden wieder unter dicke Aktenstapel gelegt, der einfache Bürger vergisst ja schnell.
Autor: schritter
Stümper bei der Arbeit
Natürlich ist es Sache der Gerichte, Gesetze auszulegen, allerdings hindert niemand die Exekutive, sich Gedanken über die Gesetzesvorhaben zu machen, die sie ins Parlament bringen. Wie bitte soll man als Normalbürger folgende Aussagen verstehen, die man bei heise lesen kann:
, betonte Zypries. „Nicht jeder kann einen Auskunftsanspruch gegen jede IP-Adresse erhalten“, befand die SPD-Politikerin. Vielmehr bedürfe es dazu „eines gewichtigen Eingriffs“ in die Urheberrechte. Eine konkrete Beschreibung dieser Messlatte etwa mit Datenmengen konnte Zypries nicht geben.
Auf Grund eines richterlichen Beschlusses müssten Verdächtige also etwa Urkunden vorlegen oder sogar Sachen in Augenschein nehmen lassen, mit denen Rechtsverletzungen vorgenommen wurden. Raimund Lutz, der für die Novelle zuständige Unterabteilungsleiter im Justizministerium, schloss gegenüber heise online aus, dass es sich dabei etwa um PCs handeln dürfe. Gemeint seien Maschinen, die zu einer Patentverletzung oder für die Produktpiraterie eingesetzt würden.
Der Referentenentwurf wird nun zunächst mit den beteiligten Ressorts der Bundesregierung und mit Verbänden besprochen.
Wäre ja auch nervig, wenn man die Bürger beteiligen müsste. Das ganze kungelt man lieber mit Verbänden aus. Die laden im Gegensatz zum Bürger wenigstens immer zu tollen Reisen ein und bezahlen 5-stellige Summen für Vorträge.
Die Schattenwirtschaft
sorgt anscheinend dafür, dass sich auch im Denken der Koalition ein wenig Dunkel einschleicht. Anders jedenfalls kann ich mir die Meldung aus der Tagesschau nicht erklären:
Die große Koalition plant, ab 2006 Handwerkerrechnungen besser von der Steuer absetzen zu können. Diese Maßnahme soll nicht nur das Handwerk stärken. Gleichzeitig soll damit die Schwarzarbeit eingedämmt werden und der Privatmann mehr Geld in der Tasche haben.[..]
Ab 2006 könnte dann eine Wohnungsrenovierung Steuern sparen. Nehmen wir an, sie kostet 10.000 Euro, davon 4.000 Euro für Material und 6.000 für die Arbeitskosten. Nur davon darf man maximal 3.000 Euro berücksichtigen und davon wiederum 20 Prozent steuerlich geltend machen. Das heißt: 600 Euro darf man als Ausgaben ansetzen.
Wenn man davon ausgeht, dass der Grenzsteuersatz des Auftraggebers dem Spitzensteuersatz entspricht und der Auftraggeber noch in einem teuren Land Kirchenmitglied ist, dann hat man durch die 600 EUR eine Ersparnis von 600 * (0.45*(1 + 0.055+0.09)) = 309,15 EUR.
Alleine die Mehrwertsteuer, die sich der schattenwirtschaftlich denkende spart, beläuft sich auf 1380 EUR. Wenn man davon ausgeht, dass die 6000 EUR Arbeitskosten zu 90% an den Arbeitnehmer weitergereicht werden, belaufen sich die Sozialabgaben nochmal auf annähernd 2000 EUR (AG+AN-Anteil und BG-Abgabe).
Da werden sicherlich viele, die bisher schwarz arbeiten liessen, lieber die 309,15 EUR nehmen und insgesamt 3070 mehr bezahlen.
Natürlich schädigt man sowohl als Auftraggeber als auch als Auftragnehmer die Sozialkassen, aber mit der gleichen Argumentation könnte man auch die steuer- und sozialabgabenfreien Zuschläge für Nacht- Sonn- und Feiertagsarbeit als sozialschädlich bezeichnen, erwirtschaftet ein Schichtarbeiter doch teilweise die Hälfte seines Nettolohnes durch abgabenfreien Lohn.
Der Schwarzarbeiter schont im übrigen die Rentenkassen der fernen und die Arbeitslosenkassen der nahen Zukunft, erwirbt er doch keine Ansprüche an die BfA bzw. die BA.
Nachtrag vom 13.01.2006
Anscheinend wurde der Tatbestand in den Paragraph 35a EStG gepackt, es handelt sich bei den 600 EUR nicht um absetzbare Kosten sondern um eine direkte Minderung der Steuerlast.
Der Satz muss also richtigerweise lauten:
Da werden sicherlich viele, die bisher schwarz arbeiten liessen, lieber die 309,15 600 EUR nehmen und insgesamt 3070 mehr bezahlen.
Ist der Ruf erst ruiniert …
anders kann ich es mir nicht erklären, dass SONY-BMG sich wirklich für nichts zu schade ist, wenn es darum geht, die ehrliche Kundschaft zu gängeln. Heise und der Spiegel berichten über die nächste Panne mit einem Kopierschutz:
MediaMax entfaltet seine Sicherheitslücke [..]. Die MediaMax-Software installiert auf dem Rechner einen Ordner, über den andere Nutzer mit niedrigen Zugriffsrechten trotzdem die Möglichkeit haben, Kontrolle über den Computer zu erlangen. Ein Nutzer muss dazu lediglich die von MediaMax in dem Ordner installierten Programme durch eigene Software austauschen.
Was mich aber wirklich dazu bringt, von SONY-CDs vor allem eines zu halten (nämlich Abstand) findet sich im nächsten Absatz:
Sony BMG hat laut EFF versprochen, die Kunden über Banner-Einblendungen in Player-Software [..] zu informieren.
Nicht nur, dass man mich in der Benutzung gängeln will, nein man schiebt auch noch Werbung auf meinen Rechner (und wer weiss, was da sonst noch passiert).
Ich als ehrlicher Kunde, möchte meine CD am Computer anhören können, weil ich mir nicht in jedem Zimmer eine komplette Audio-Infrastruktur (AKA Stereoanlage) hinstellen will, ich will das ganze schnell und effizient auf meinen MP3-Player überspielen, und nicht auf irgendwelche analoge Krücken via MP3-coding-fähigem MP3-Player zurückgreifen müssen, ich will mir die Musik vom Server im Keller ins Wohnzimmer streamen können …,
All das will mir die Musikindustrie nicht mehr gestatten. Da ich in der glücklichen Lage bin, auf die Musikindustrie verzichten zu können (es liegen hier noch über 1000 CD aus der Vor-Kopierschutzzeit rum, die eigentlich für jede Gelegenheit die richtige Musik bieten), kaufe ich halt nichts mehr ein. Den Rückgang der Verkaufszahlen schiebt man natürlich auf die bösen Raubkopierer, es wäre ja auch zu peinlich, wenn man die eigene Produktpolitik dafür verantwortlich machen müsste.
Zum Glück gibt es für neue Musik (die von der besten Ehefrau von allen gewünscht wird) auch noch die Möglichkeit, sich dass ganze via legalem Download zu holen. Die Musikindustrie sollte sich allerdings nicht wundern, wenn man auch als Konsument die Zeichen der Zeit (aka Globalisierung) erkannt hat, und dort einkauft, wo es am günstigsten ist.
Das Ende des Internets in Frankreich
bei heise zu lesen:
Besondere Empörung hat ein kürzlich eingebrachter Änderungsvorschlag an dem bisherigen Entwurf ausgelöst, dem zufolge Software für die Übertragung kopiergeschützten Materials ohne die Integration von Wasserzeichen oder DRM verboten werden soll.
Was dann mit Email-Programmen, mit denen man Bilder verschicken kann, mit ftp-Programmen fürs Update der eigenen Homepage, mit Chat-Software und Newsreadern geschieht, kann man sich vorstellen. Falls nicht, kann man sich ja schonmal den Ratschlag der Verlegerverbände der französischen Musikindustrie zu Gemüte führen:
„You shall stop publishing free software,“ and warn they are ready „to sue free software authors who will keep on publishing source code“
Das Internet als reine Konsumbude. Schöne neue Welt.