Der Herr Tauss und die Vorratsdatenspeicherung

war hier ja schon des Öfteren ein Thema.

Jetzt gibt es bei telepolis ein Interview zu lesen, aus dem nicht nur ich nicht ganz schlau werde.

Einerseits will der Herr Tauss ja gar nicht speichern, ja er ist sogar der Meinung, er könnte sich eventuell einer Verfassungsklage gegen das von ihm initiierte Gesetz anschliessen, andererseits stimmt er immer für die Vorlagen ab, die er einbringt.

Auch ansonsten scheint mir beim Herrn Tauss einiges im argen zu liegen. Mit der Urheberrechtsproblematik, die ihm die EU beschert hat, hat er auch ein nicht ganz unerhebliches Problem. Es ist natürlich praktisch, wenn man den schwarzen Peter nach oben schieben kann, weil „die in Brüssel“ über die Köpfe der Parlamentarier entscheiden, die nur noch – obschon sich normativ unfrei fühlend – zustimmen können.

Die Frage, wer denn den zuständigen Ministern im Rat die deutsche Position vorgegeben hat, scheint sich Herrn Tauss überhaupt nicht zu stellen. In wessen Auftrag hat Frau Zypries denn in Brüssel verhandelt, wenn nicht (auch) in seinem?

Der Herr Tauss sieht in Deutschland (und ich hoffe, ich zitiere ihn da nicht sinnentstellend):

Aber es ist auch ganz klar[..], dass wir in Deutschland eine Fehlentwicklung haben, die sehr stark weggeht von einem Rechtsstaat hin zu einem Präventionsstaat. Und das alles sind Teile eines Präventionsstaates, der mich mit Unbehagen erfüllt.

Ein Blick auf die letzten 3 Legislaturperioden zeigt zumindest mir, dass der Herr Tauss da immer in einer Regierungsfraktion sass und sitzt und zweimal sogar in der Fraktion, die den Kanzler stellte. Wieso er in einer Partei bleibt, die den Staat so umbaut, dass es ihn mit Unbehagen erfüllt, ist vermutlich nur ihm klar.

Wenn man sich das Interview durchliest, dann kommt zumindest mir der Herr Tauss vor wie ein armer unschuldiger MdB, ein Teil von jener Kraft, die stets das gute will und stets das böse schafft (Herr von Goethe möge mir verzeihen).

Wenn er nur könnte wie er wollte, hoho, aber leider scheint er in seiner Fraktion keinerlei Mehrheit für irgendeinen seiner Vorschläge zu finden. So bleibt ihm nur der Titel des Parlamentsclowns, der durch seine Zwischenrufe für Heiterkeit sorgt, ansonsten aber nur als willfähriger Gesetzestexteinbringer und Zählvieh gebraucht wird.

Sollte sich der ein oder andere wundern, wieso ich immer auf dem armen Herr Tauss rumhacke, wo es doch ganz andere Kaliber gibt, wie z.B. den Herrn Krings, dem das alles noch nicht weit genug geht:

Herr Krings macht wenigstens das, was er denkt. Bei niemandem sonst habe ich das Gefühl, dass sich Worte und Taten so sehr unterscheiden wie bei Herrn Tauss, bei niemandem sonst habe ich das Gefühl, dass er seine Entscheidungen schönreden will (vielleicht eher vor sich selbst als vor seinem meist desinteressiert dasitzenden Wahlvolk), bei niemandem sonst klafft Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinander. Das scheint ihn alles nicht zu stören, Hauptsache der Listenplatz ist sicher.

Ich mag ihn, den Herrn Wiefelspütz

allerdings bin ich mir noch nicht ganz schlüssig, woran das liegt.

Auf www.abgeordnetenwatch.de kann man hier als Antwort lesen:

es wird im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung niemals, ich wiederhole niemals, zu einem Zugriff der Musik- und Filmindustrie auf diese Daten geben. Wer erfindet solchen Schwachsinn? Die Vorratsdatenspeicherung dient der Strafverfolgung. Zugriff wird es nur im Einzelfall mit richterlicher Erlaubnis geben.

Das ist jetzt gerade mal ein halbes Jahr her. Und dank des Bundesrates kann man ihm zwar nicht die Frage beantworten, wer solchen Schwachsinn erfindet, aber man kann ihm sagen, wer solchen Schwachsinn fordert: Der Bundesrat.

Und zwar in seiner Entschliessung die vermutlich am 30. November durchgewunken wird. Dort heisst es unter anderem:

Der Bundesrat stellt fest, dass nach der Neuregelung des § 113b TKG der zivilrechtliche Auskunftsanspruch gegenüber Internet-Providern, wie er im Ent-wurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geis-tigen Eigentums (BR-Drs. 64/07) vorgesehen ist, leerläuft.
Der Bundesrat bittet daher, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Ei-gentums diesen Widerspruch der beiden Gesetze aufzulösen und eine Regelung zu schaffen, die den Auskunftsanspruch auch erfüllbar macht.

[..]

Dieser Widerspruch ist daher im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens beim Gesetzentwurf zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums aufzulösen, indem die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass eine derartige Auskunft über Bestandsdaten auch für zivilrechtliche Zwecke möglich ist.

Ich weiss jetzt nicht genau, was ich zugunsten des Herrn Wiefelspütz annehmen soll: Naivität oder Unverfrorenheit?

Ich werde auf jeden Fall sehr gespannt weiterverfolgen, wie sich der Herr Wiefelspütz bei einer anstehenden Abstimmung verhalten wird.

Der Sinn der Vorratsdatenspeicherung

Der Beitrag geht auch als Email an den Abgeordneten Günter Krings. Falls er antwortet und ich das ganze veröffentlichen darf, stelle ich die Antwort hier rein.

Sehr geehrter Herr Krings,

vor der letzten Bundestagswahl wurde ich so oft als (Teil des)Souverän bezeichnet, dass ich mich irgendwie daran gewöhnt habe.

Aus diesen Grunde komme ich nicht umhin, Ihnen meine Meinung zu Ihrer Rede bzgl. der Vorratsspeicherung am 16. Februar zukommen zu lassen.

In Ihrer Rede kommen Sie auch auf die Befürchtungen der Kritiker zu sprechen:

Die orwellschen Visionen, unter denen manch einer aus diesem Hause in den letzten Wochen offenbar gelitten hat, lassen sich schnell kurieren, wenn man nur bereit ist, zur Kenntnis zu nehmen, welche Daten überhaupt gespeichert werden sollen;

[..] die Standortdaten im weiteren Verlauf eines Handygespräches im Auto sind von der Speicherungspflicht
entbunden.

Hierzu möchte ich 2 Dinge anmerken:

  1. Der Übergang von einer freiheitlichen Demokratie zu einem Überwachungsstaat geschieht schleichend. Winston Smith, um bei dem von Ihnen gewählten Vergleich zu bleiben, hatte vermutlich nicht an einem 16. Februar noch das britische Parlament gewählt und sich am darauffolgenden Tag einen Teleschirm installieren lassen und das Neusprech-Lexikon bestellt.
  2. In Artikel 5 der Richtlinie werden unter den zu speichernden Daten etwas genannt, was für mich schon so klingt, als würden auch die Standortdaten im weiteren Verlauf des Handygespräches gespeichert. Dort heisst es: „Daten zur geographischen Ortung von Funkzellen durch Bezugnahme auf ihre Standortkennung (Cell ID) während des Zeitraums, in dem die Vorratsspeicherung der Kommunikationsdaten erfolgt.“

Ich kann Ihrer optimistischen Einschätzung

Zahlreiche Verbrechen nicht nur im Bereich des Kindesmissbrauchs, sondern etwa auch rechtsradikale Straftaten, Taten des organisierten Verbrechens und des internationalen Terrorismus hätten in Deutschland aufgeklärt werden können, wenn es bereits eine entsprechende Regelung, wie sie Union und SPD in dem vorliegenden Antrag fordern, gegeben hätte.

nicht zustimmen.

Sie werden anfänglich Erfolge erzielen und dann feststellen, dass Verbrecher lernfähig sind.

Niemand hat etwas dagegen, dass Straftäter dingfest gemacht werden, auch wenn durch diese Richtlinie nur die dummen und naiven Straftäter gefasst werden. Befürchtungen habe ich, wenn ich Sie in 2 Jahren lesen muss, und sie ein ähnliches Beispiel wie das jetzt von Ihnen verwendete nehmen, allerdings mit alternativem Schluss:

Anfang 2003 deckte die spanische Polizei ein Internetforum auf, in dem Bilddateien mit überwiegend kinderpornographischem Inhalt verbreitet wurden. Die Spur der Verantwortlichen führte nach Deutschland. Als sich die Polizei um die Daten der Tatbeteiligten bemühte, (stellte sie fest):

  1. Dass die IP-Adresse zu einem Internet-Café gehört
  2. Dass die IP-Adresse zu einem offenen Proxy-Server gehört
  3. Dass die IP-Adresse zu einem der zahlreichen Anonymisierungsprojekte gehört, die teilweise sogar vom BMWi gefördert wurden
  4. Dass die IP-Adresse zu einem offenen und frei zugänglichen WLAN-Hotspot gehört

Was werden Sie dann tun?

Internet-Cafes nur noch mit Personalausweis, Verbot von Proxy-Servern, Anonymisierungsprojekten und offenen WLAN-Hotspots?

Was werden Sie tun, wenn sie dann weitere 2 Jahre später feststellen werden, dass es völlig egal ist, ob ein Anonymisierungsserver in Dresden, Baar oder Oakland steht?

Sperrverfügungen für alle bekannten ausländischen Anbieter, analog zu den Sperrverfügungen der Bezirksregierung in Düsseldorf?

Wir treten meiner Meinung nach in eine Spirale ein, an deren Ende die Abschaffung der Werte steht, die wir vorgeben schützen zu wollen. Benjamin Franklin ist ja schon eine Weile tot und zu seiner Zeit gab es weder Telefon noch Internet, allerdings stimmt die Aussage, die ihm zugeschrieben wird, meiner Meinung nach auch in der heutigen Zeit noch uneingeschränkt:

Those who would give up Essential Liberty to purchase a little Temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety.

Vorratsdatenspeicherung und Leseverständnis

Obwohl nicht der Generation angehörend, der beim PISA-Test immer mangelndes Leseverständnis bescheinigt wird, mag ich nicht ausschliessen, dass folgender Widerspruch nur in meinen Augen einer ist. Für eine Auflösung wäre ich dann dahingehend dankbar.

Günther Krings, der für die CDU im Bundestag sitzt, gibt während seiner Rede am 16.02.06 folgendes im Plenum zu Protokoll:

Bei einem Telefonat sind das [..] die Standortdaten zu Gesprächsbeginn [..] die Standortdaten im weiteren Verlauf eines Handygespräches im Auto sind von der Speicherungspflicht entbunden.

In Artikel 5 der Richtlinie findet sich unter dem Punkt „Datenkategorien, die auf Vorrat zu speichern sind“ folgendes:

zur Bestimmung des Standorts mobiler Geräte benötigte Daten:
1. die Standortkennung (Cell-ID) bei Beginn der Verbindung,
2. Daten zur geographischen Ortung von Funkzellen durch Bezugnahme auf ihre
Standortkennung (Cell ID) während des Zeitraums, in dem die Vorratsspeicherung
der Kommunikationsdaten erfolgt.

Da die Vorratsspeicherung von Beginn bis Ende des Gesprächs läuft, werden damit meines Erachtens genau jene Standortdaten im weiteren Verlauf eines Handygespräches erfasst, die laut Herrn Krings von der Speicherungspflicht entbunden sind.

So geht’s Herr Tauss

Wie man mit EU-Richtlinien umgeht, die einem nicht in den Kram passen, sieht man beispielsweise am Tabakwerbeverbot, das als EU-Richtlinie existiert und das weder von der alten rot-grünen Regierung, noch von der neuen schwarz-roten Regierung in nationales Recht umgesetzt werden will.

Man hatte sogar vor dem EuGH dagegen geklagt und verloren. Umsetzen will man es trotzdem nicht. Jetzt wird es bald Sanktionen hageln. Umsetzen will man es trotzdem nicht.

Ich weiss nicht, ob das jetzt konsequent oder halsstarrig ist; Tatsache ist, dass es sehr wohl Möglichkeiten gibt, EU-Richtlinien nicht in nationales Recht umzusetzen.