Änderung des Kommunalwahlrechts – Grünenträume und Grünenrealität

Die Grünen möchten das Kommunalwahlrecht ändern und zwar dergestalt, dass die Plätze auf den Wahllisten abwechselnd mit Männern und Frauen besetzt werden müssen.

Das alleine bringt aber noch gar nichts, denn die Wählenden sollen, wenn ich den Vorschlag richtig verstanden habe, weiterhin die Möglichkeit des Kumulierens und Panaschierens haben. Man soll sich also weiterhin die Personen auf dem Stimmzettel aussuchen dürfen, die man wählen möchte. Das bedeutet, dass bei CDU und Freien Wählern weiterhin die jeweiligen Bürgermeister gewählt werden und was es bei den Grünen bedeutet, die das momentan schon so praktizieren, möchte ich anhand der 5 Landkreise darstellen, in denen ich bisher in Baden-Württemberg gelebt habe:

  • Landkreis Rastatt Fraktion 6 Personen, 1 Frau. Abgeordnetenquote = 17% trotz Kandidierenden-Quote von 50%
  • Ortenaukreis Fraktion 7 Personen, 0 Frauen. Abgeordnetenquote = 0% trotz Kandidierenden-Quote von 50%
  • Landkreis Konstanz Fraktion 10 Personen, 5 Frauen. Abgeordnetenquote = 50% gleich der Kandidierenden-Quote von 50%
  • Bodenseekreis Fraktion 9 Personen,  2 Frauen. Abgeordnetenquote = 22% trotz Kandidierenden-Quote von 50%
  • Landkreis Ravensburg Fraktion 9 Personen, 3 Frauen. Abgeordnetenquote = 33% trotz Kandidierenden-Quote von 50%

Ich weiss nicht, wie repräsentativ das ist, vielleicht habe ich bisher nur in frauenfeindlichen Wahlkreisen gelebt, aber von 41 gewählten Kreistagsmitgliedern der Grünen sind gerade mal 27% weiblich. Selbst die Grünen-Wählerinnen und -Wähler schaffen das mit der Gleichberechtigung anscheinend nicht so wirklich, wenn es freie, gleiche und geheime Wahlen betrifft und nicht nur Aufstellungsversammlungen mit Zwangsquotierung.

Bundesparteitag der #FDP in Rostock

Am Wochenende ist Bundesparteitag der FDP in Rostock. Neben Austausch bzw. Rochade der führenden Politikdarsteller sollen auch Anträge beschlossen werden, unter anderem dieser hier:

Frauen sollen mindestens 40% der Parteiämter der Freien Demokratischen Partei -FDP innehaben. Wahlen zum Bundesvorstand, Landes-, Kreis-, Bezirks- und Ortsvorständen sind dann gültig, wenn mindestens 40% der gewählten Mitglieder des jeweiligen Vorstandes Frauen sind.

Wenn ich mir meinen Ortsverband ansehe, dann besteht der aus insgesamt 3 Vorstandsmitgliedern. Mindestens 40% sind also 2 von 3. Wenn das verabschiedet wird, müssten wir alle Frauen des Ortsverbands überreden, für den Vorstand zu kandidieren. Sonst hätten wir eine ungültige Wahl. Gut, die Belgier kommen ja auch schon seit über einem Jahr ohne Regierung aus, da sollte das auch uns ohne Vorstand gelingen.

Auf Listen für öffentliche Wahlen sollen mindestens 40% Frauen als Bewerberinnen aufgestellt werden. Wahllisten sind so aufzustellen, dass gewährleistet ist, dass mindestens 40% der Vertreter in den zu wählenden Parlamenten Frauen sind.

Ich möchte dem Bundesvorstand der Bundesvereinigung LIBERALE FRAUEN e.V. jetzt nicht unterstellen, dass er keine Ahnung von Wahlrecht hat, aber der Gedanke drängt sich auf. Bei der Bundestagswahl könnte man die Landeslisten vermutlich noch relativ problemlos so gestalten, dass sich die Geschlechter abwechseln. Da die FDP mit dieser Politik vermutlich nicht Gefahr läuft, jemals wieder ein Direktmandat zu erringen, wäre es zumindest machbar (wenn auch meines Erachtens nicht wünschenswert). Bei allen anderen Wahlen, bei denen ich wahlberechtigt bin, ginge es aber schon nicht mehr.

  • Bei den baden-württembergischen Landtagswahlen
    • gibt es keine Landeslisten, die Wahlkreisbewerber werden von der jeweiligen Parteibasis bestimmt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass durch Los bestimmt wird, welche mindestens 28 Wahlkreise eine Frau aufstellen müssen, damit der Frauenanteil bei den Kandidierenden gewahrt ist
    • über den Einzug in den Landtag entscheidet einzig der Erfolg im Wahlkreis. Da entscheidet der dumme Wähler, wen er im Parlament sitzen haben möchte.

Man könnte natürlich verbindlich festschreiben, dass es immer gemischtgeschlechtliche Kandidierendenpaare (Erst- und Zweitkandidat) gibt, ein gewählter männlicher Kandidat seine Wahl nicht annimmt und damit die Frau zum Zug kommt. Verbindlich festlegen kann man das aber nicht.

Die einzige Möglichkeit mit der man sicher stellen kann, dass der Frauenanteil der FDP im Landtag in Baden-Württemberg bei mindestens 40% liegt ist, 3 Männer und 67 Frauen aufzustellen.

  • Bei den baden-württembergischen Kommunalwahlen
    • dürfen die Wähler panaschieren und kumulieren und somit
    • entscheiden die Wähler, welche Kandidaten in Kreistag/Gemeinderat einziehen, nicht die Parteigremien.

Davon abgesehen, dass das ganze vermutlich rechtlich gar nicht möglich ist, finde ich den Vorschlag und die Begründung unpassend.

17% der Männer wählten die FDP, bei den Frauen waren es nur 13%. Bei den Männern gab es Zugewinne in Höhe von 6 Punkten, bei den Frauen nur 4 Punkte. Es gab deutlich bessere Resultate und höhere Zugewinne insbesondere bei den jüngeren Männern. Steigerungen in der Wählergunst sind insbesondere dadurch zu erreichen, wenn sich die FDP verstärkt um die Frauen bemüht.

Selbst wenn ich den Grammatikfehler übersehe, bleibt immer noch ein Logikfehler. Die Annahme geht davon aus, dass das männliche Geschlecht eines Kandidaten eine nennenswerte Anzahl von Frauen davon abhält, ihn zu wählen. Die Annahme unterstellt, Frauen wäre des Geschlecht eines Politikers wichtiger als die Politik, die er macht. Aus der Tatsache, dass mehr Männer als Frauen bei der FDP kandidieren und die FDP von mehr Männern als Frauen gewählt wird, wird der Schluss gezogen: Wenn mehr Frauen kandidieren, wird insgesamt mehr FDP gewählt. Wenn diese Einstellung bei den Führungsgremien der Partei vorherrscht wundert es mich, dass uns überhaupt noch jemand wählt (völlig unabhängig vom Geschlecht). Davon abgesehen kann man bei Wahlen, bei denen der Wähler nicht nur eine anonyme Parteiliste sondern echte Menschen wählen kann, sehen, dass dieses Argument nicht zieht.

Und zum Schluss noch mein persönlicher Lieblingssatz aus dem Antrag:

Selbst bei der CSU gibt es inzwischen Quoten.

Welch ein Argument. Selbst in Luxemburg gibt es einen Mindestlohn, selbst in der Schweiz gibt es eine Vermögenssteuer. Wir wollen das jetzt auch!