Wer ein Gemeinderatsmandat bekommt am Beispiel Horgenzells

Gerade bei der unechten Teilortswahl ist es nicht so einsichtig, wer denn am Ende ein Mandat bekommt.

In den letzten Woche habe ich wiederholt zwei Aussagen gehört, die nicht stimmen und die ich anhand der letzten Wahl und den jetzigen Listen klarstellen möchte.

  1. Die Wählerinnen und Wähler im Teilort entscheiden, wer für den Teilort in den Gemeinderat einzieht
  2. Diejenigen mit den meisten Stimmen bekommen das Mandat.

Kappel als kleinster Teilort entsendet 3 (von insgesamt 19) Gemeinderäten. Bei der letzten Wahl haben die Kappler so entschieden:

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Wahlergebnis 2009 in Horgenzell-Kappel

Das hätte bedeutet, dass Liste 1 einen Gemeinderat und Liste 2 zwei Gemeinderäte entsendet. Auf Liste 1 wäre das die Nummer 107 und auf Liste 2 die Nummern 205 und 208 gewesen.

Allerdings dürfen ja alle Horgenzeller die Kappler Gemeinderäte mitwählen, so dass sich in der Gesamtgemeinde folgendes Bild ergab:

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Wahlergebnis 2009 für Horgenzell-Kappel

Auch hier bekommt die Liste 1 einen Sitz und die Liste 2 zwei Sitze. Auf Liste 1 die Nummer 105 und auf Liste 2 die Nummern 208 und 206.

Von den 3 Kappler Gemeinderäten wurden also 2 von aussen bestimmt.

Wenn man als kleines Gedankenexperiment annimmt, dass Kappel nur zwei Gemeinderäte entsenden darf, dann sieht man an obigem Beispiel, dass nicht die mit den meisten Stimmen (208 und 206) einen Sitz bekommen hätten, sondern jeweils der Stimmenbeste auf der jeweiligen Liste (208 und 105).

Da bei dieser Wahl in Kappel auf einer Liste vier Kandidaten und auf der anderen nur 3 Kandidaten stehen, wird sich das vermutlich auch auf die Sitzverteilung auswirken, weil die Stimmenanzahl der Liste zählt und nicht das Einzelergebnis.

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Mögliches Wahlergebnis für Horgenzell-Kappel 2014

Bei diesem Ergebnis würde die Liste 2 zwei Gemeinderäte entsenden (208 und 206) und die Liste 1 einen Gemeinderat (105).

Von den Einzelergebnissen ausgehend, würden also nicht die besten drei (106, 107 und 105) ein Mandat erhalten, sondern der Bestplatzierte (106) , der Viertplatzierte(208) und der Fünftplatzierte(206). Der Zweit- und Drittplatzierte bekämen keinen Sitz und zwar aus dem einfachen Grund, dass die Liste 2 einen vollen Stimmzettel hatte und die Liste 1 halt nicht.

Noch undurchsichtiger wird es, wenn, wie bei dieser Wahl, eine dritte Liste antritt.

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Mögliches Wahlergebnis für Horgenzell-Kappel 2014

Bei diesem Wahlergebnis entsendet jede Liste jeweils einen Gemeinderat. Das sind der der Bestplatzierte (106) , der Viertplatzierte(208) und derAchtplatzierte(306).

 

Bei der Bestimmung der Gemeinderäte ist das Ergebnis der Liste oft viel entscheidender als das persönliche Ergebnis.

 

Unechte Teilortswahl am Beispiel Horgenzell

Um mal ganz vorne anzufangen: Horgenzell besteht aus 4 Wohnbezirken: Kappel, Wolketsweiler, Hasenweiler und Zogenweiler. Diese waren bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts noch selbständige Gemeinden und wurden im Zuge der Gemeindereform zur Gemeinde Horgenzell.

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Die 4 Wohnbezirke Horgenzells

Um verschiedene Ängste vor dieser Vereinigung abzubauen, hat man beschlossen, im Gemeinderat einen Regionalproporz einzuführen und auf die unechte Teilortswahl zurückgegriffen, die es in Baden-Württemberg schon seit 1853 gibt und die bewährt schien. Vereinfacht gesagt wird anhand der Einwohnerzahl der Wohnbezirke bestimmt, wieviele Vertreter diese in den gemeinsamen Gemeinderat entsenden dürfen. Momentan sind dies:

  • 7 Vertreter für den Wohnbezirk Wolketsweiler
  • 4 Vertreter für den Wohnbezirk Hasenweiler
  • 3 Vertreter für den Wohnbezirk Kappel
  • 5 Vertreter für den Wohnbezirk Zogenweiler

Allerdings ist es so, dass nicht nur die Kappler die Kappler Gemeinderäte wählen, oder die Hasenweiler die Hasenweiler, nein, alle wählen alle. Ich darf auch mitbestimmen, wer für Hasenweiler, Wolketsweiler und Zogenweiler in den Gemeinderat gewählt wird, obwohl ich in Kappel wohne. Das hat dann unter anderem die Auswirkung, dass die 3 Kappler Gemeinderäte nominell von knapp 16% Kapplern und 84% Nicht-Kapplern gewählt werden. Die unechte Teilortswahl bestimmt nur, wo die betreffenden Kandidaten zum Zeitpunkt der Aufstellung wohnen, nicht, von wem sie gewählt werden dürfen.

Ebenfalls verwirrend für manche ist die Tatsache, dass man natürlich auch bei unechter Teilortswahl kumulieren darf. Ich habe bei der Gemeinderatswahl 19 Stimmen. Ich kann 0 bis maximal 9 Stimmen an Kappler vergeben, darf allerdings die Gesamtzahl von 3 Personen, denen ich Stimmen gebe, nicht überschreiten. 3 Kandidaten jeweils 3 Stimmen zu geben ist in Ordnung, 4 Kandidaten jeweils eine Stimme zu geben macht den Stimmzettel ungültig. Wenn ich für Kappel 9 Stimmen vergebe, bleiben noch 10 übrig, die ich auf die übrigen Wohnbezirke verteilen kann. Wenn ich noch 5 Zogenweiler mit jeweils 2 Stimmen wähle, habe ich meine Gesamtstimmenzahl ausgeschöpft und niemanden aus Wolketsweiler und Hasenweiler gewählt.

Dadurch, dass von vorneherein feststeht, dass 3 Kappler in den Gemeinderat einziehen, ist auch die Stimmenanzahl im Vergleich zu den anderen Wohnbezirken unerheblich. Für jeden Wohnbezirk wird die Sitzverteilung einzeln durchgeführt.

Man kann im Nachhinein auch schauen, wie lokal die Wählerinnen und Wähler gewählt haben. Bei der letzten Gemeinderatswahl wurden für Kandidatinnen und Kandidaten aus Kappel insgesamt 4’838 Stimmen abgegeben. 1’863  kamen dabei von Kappler Wahlberechtigten. Bei 359 Wählerinnen und Wählern kommt man auf eine durchschnittlich vergebene Stimmenzahl von 5,2 Stimmen. Kumulieren führte also dazu, dass die 3 Kappler Gemeinderäte real von 38,5% Kapplern und 61,5% Nicht-Kapplern gewählt wurden.

Das war noch nicht alles. Gemeinderatswahlen sind zwar Persönlichkeitswahlen, nichtsdestoweniger spielen Listen eine entscheidende Rolle. Alle Stimmen, die die Kandidatinnen und Kandidaten einer Liste in einem Wohnbezirk bekommen werden zusammengezählt. Anschließend werden die Sitze dieses Wohnbezirks anhand einer Sitzverteilung nach St-Lagué verteilt. Bei Wohnbezirksgrößen von 3-7 Sitzen benötigt eine Liste in den Wohnbezirken 7% – 17% der Stimmen, um einen Sitz zu erhalten. Eine Liste, die nur 5% der Stimmen erhält, würde also leer ausgehen, wenn nur nach Wohnbezirken verteilt würde.

Deshalb wird ganz am Schluß noch einmal auf Gemeindeebene verteilt und man prüft, ob jede Liste (in den 4 Wohnbezirken zusammen) die Anzahl Sitze hat, die ihr nach dem Gemeindeergebnis zustehen. Ist das nicht der Fall, bekommt die Liste, die zuwenig Sitze bekommen hat Ausgleichssitze. Die Ausgleichssitze dieser Liste gehen jetzt an die Kandidatinnen und Kandidaten, die gemeindeweit die meisten Stimmen bekommen haben. Das kann dann dazu führen, dass der ganze schöne Proporz zm Teufel ist, weil Kappel zu den 3 gewöhnlichen Vertretern auch noch 2 Ausgleichsmandate erhält.