Klientelpolitik

Die Berliner Erklärung, in der verschiedene Damen und Herren

in einem ersten Schritt für eine Quote bei den Aufsichtsräten der börsennotierten, mitbestimmungspflichtigen und öffentlichen Unternehmen ein[treten], die zunächst mindestens 30 Prozent betragen soll

könnte mir eigentlich völlig egal sein. Ich habe weder eine reelle Aussicht, je einen Job als Aufsichtsratsmitglied zu ergattern, noch glaube ich, dass sich Frauen in Aufsichtsräten grundsätzlich von Männern in Aufsichtsräten unterscheiden.

Ein wie auch immer geartetes Zusammengehörigkeitsgefühl mit meinen Geschlechtsgenossen, von denen dann einige weniger einen Posten als Aufsichtsrat bekommen könnten, habe ich auch nicht. Mit meinen Kolleginnen in der Abteilung verbindet mich viel mehr als mit meinem Vorstand, der sich vermutlich eher weniger Gedanken um bezahlbare und verlässliche Kinderbetreuung, steigende Sozialabgaben und realen Lohnverlust macht, als wir.

Nichtsdestoweniger möchte ich ein paar Anmerkungen machen.

Das ist Klientelpolitik in Reinform. Es geht nicht um die 17 Millionen Frauen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, es geht hier um vielleicht 500 bis 1’000 Frauen, die in der Karriereleiter sowieso schon viel höher gestiegen sind, als alle ihre Geschlechtsgenossinnen und 99,6% aller Männer.

Es geht nicht darum, dass man für die Millionen Elternteile etwas tut, um Familie und Beruf besser in Einklang bringen zu können, es geht darum, dass gutvernetzte Frauen auch ein Stückchen vom Kuchen möchten und am Ende der politischen Karriere ein schönes Versorgungspöstchen.  Es geht den Unterzeichnerinnen der Berliner Erklärung nämlich um Aufsichtsratsposten, nicht um Vorstände. Und wer wäre für einen Aufsichtsratsposten besser geeignet als eine Politikerin, deren Partei gerade mal eine parlamentarische Auszeit nimmt oder die in der innerparteilichen Gunst gerade nicht hoch genug steht um für einen Partei- bzw. Staatsposten in Frage zu kommen.

Aber vermutlich ist das in Ordnung, weil es nicht um böse Besserverdienende1 oder Hoteliers geht, sondern um vom Leben und der Gesellschaft ganz doll benachteiligte Frauen, die man zwar eher in der Reinigungsbranche und beim Friseur trifft als in Vorstandsetagen und den Etagen direkt darunter, aber das ist nur eine lässliche Kleinigkeit, die man fürs Grosse Ganze bereit ist zu übersehen.

Die Deutsche Bank hat übrigens momentan im Aufsichtsrat eine Frauenquote von über 40%, TUI von 19% und BMW und Lufthansa von 15%.

Wenn man sich das Aktiengesetz und das Mitbestimmungsgesetz anschaut, dann werden Aufsichtsratsmitglieder gewählt und nicht von irgendjemand bestimmt. Diese Wahl wird eingeschränkt, wenn mindestens 30% der Mitglieder eines Aufsichtsrats zwei X-Chromosomen haben müssen. Ich bin gespannt, wie die Lösung dazu aussehen soll.

Sei’s drum. Ich bastel jetzt auch an einer Erklärung

Sattelbacher Erklärung

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Politik

Obwohl wir über 65% der  Wahlberechtigten stellen, liegt unser Anteil bei den Abgeordneten im Bundestag und den Landtagen unter 10%. Dementsprechend sieht dann die Politik aus, von der oft vorgegeben wird, sie sei für uns.

Juristen, Beamte und Mitglieder des öffentlichen Dienstes, Verbandsfunktionäre und eloquente, stromlinienförmige Berufspolitiker, die direkt vom Hörsaal in den Plenarsaal gewechselt haben, machen Gesetze, deren Auswirkungen sie nicht betreffen, weil sie in ihrem Leben noch keinen einzigen Tag sozialversicherungspflichtig tätig waren und Dinge wie betriebsbedingte Kündigung, Kurzarbeit oder Betriebsverlagerung nur aus Erzählungen kennen.

  1. obwohl die dafür in Frage kommenden Frauen alle besserverdienend sind []

Frauen, Wahlen und ketzerische Thesen

Das statistische Landesamt hat ein Presseheft veröffentlicht, in dem es um die „Präsenz von Frauen in den Kommunalparlamenten Baden-Württembergs“ geht.

In den Parlamenten sind Frauen nach wie vor stark unterrepräsentiert: In das Europäische Parlament wurden gut 30 % Frauen gewählt, in den Deutschen Bundestag rund 32 % und in den Landtag von Baden-Württemberg lediglich knapp 24 %. Besonders niedrig sind die Frauenanteile in den Gemeinderäten und den Kreistagen Baden-Württembergs (Anteil in Gemeinderäten 21 %, Anteil in Kreistagen 15 %)

Ohne jetzt wirklich Thesen aufstellen zu wollen:

Der Anteil an Frauen liegt in genau den Parlamenten am niedrigsten, in denen der Wähler nicht vorgefertigte Listen wählt, sondern sich seine Favoriten gezielt aus einem breiten Angebot der jeweils bevorzugten Partei herauspicken kann.

Als CDU-Wähler (der ich wirklich nicht bin), hatte ich bei der

  • Europawahl nur die Möglichkeit, die Landesliste zu wählen (mit einem Frauenanteil von 33% auf den vorderen Plätzen)
  • Landtagswahl nur die Möglichkeit, den männlichen CDU-Kandidaten auf dem Stimmzettel zu wählen
  • Bundestagswahl nur die Möglichkeit, den männlichen Direkt-CDU-Kandidaten zu wählen. Da die CDU in Baden-Württemberg nie mit Kandidaten von der Landesliste auffüllen darf, war’s das dann auch bei der Bundestagswahl.

Nur bei den Kommunalwahlen durfte ich mir aus dem CDU-Angebot einzelne Kandidaten herauspicken.

  • In der Stadt Ravensburg standen bei der CDU für den Gemeinderat insgesamt 9 Frauen auf der Liste, in den Gemeinderat zogen nur 2 ein, was einem Frauenanteil von 14% entspricht (gegenüber einem Kandidatinnenanteil von 25%).
  • Für den Kreistag standen im Wahlkreis Ravensburg 4 Frauen auf der CDU-Liste, gereicht hat es für keine.

Das Argument, dass Frauen nur auf schlechten Plätzen standen und deshalb nicht gewählt wurden, lässt sich beispielsweise im Wahlkreis Bad Waldsee widerlegen. Dort belegten Frauen die ersten beiden Plätze des Stimmzettels. Gereicht hat es dann bei der Wahl nur zu den chancenlosen Plätzen 5 und 7 auf der Ergebnisliste.