Frauen in den Aufsichtsrat

Die große Koalition hat sich darauf geeinigt, dass ab 2016 die Aufsichtsräte von voll mitbestimmungspflichtigen börsennotierten Unternehmen zu mindestens 30% aus Frauen bestehen müssen. Beschlossen hat das übrigens eine Verhandlungskommission, die nur zu 16% aus Frauen besteht. Aber das nur nebenbei.

Wenn ich mir den Aufsichtsrat des Unternehmens, in dem ich beschäftigt bin anschaue, dann besteht der aus 12 Mitgliedern. Sechs bestimmt die Kapitalseite, sechs die Arbeitnehmer und zwar werden zwei von den Gewerkschaften gestellt, drei sind Arbeitnehmer aus dem Unternehmen und eines eine leitende Angestellte.

Bei der letzten Wahl hatte ich 3 Stimmzettel:

  • Arbeitnehmervertreter
  • Gewerkschaftsvertreter
  • Vertreter der leitenden Angestellten

Die Sitzverteilung sah dann so aus, dass jede der drei Arbeitnehmerlisten jeweils einen Sitz bekommen hat, jede der 2 angetretenen Gewerkschaften einen und von den leitenden Angestellten kam auch einer rein. Jede Liste hat also den jeweils ersten Platz in den Aufsichtsrat bekommen.

Wie soll das in Zukunft funktionieren? Ab 2016 müssen auch von der Arbeitnehmerseite 2 Frauen im Aufsichtsrat sitzen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, nach welchem Prinzip man dann einer Liste vorschreibt, dass nicht die von ihr gewählte Reihenfolge zieht, sondern die erste Frau auf der Liste in den Aufsichtsrat gewählt ist.

Viel Spaß auch beim Formulieren des Gesetzes. Wenn man sich die Gesamtperformance der letzten 3 Legislaturperioden anschaut, dann wird das nichts.

 

Kann dank besonderem Genitalapparat für beide Geschlechter im Aufsichtsrat sitzen:
Weinbergschnecke. (Foto: Janek Pfeifer)

Klientelpolitik

Die Berliner Erklärung, in der verschiedene Damen und Herren

in einem ersten Schritt für eine Quote bei den Aufsichtsräten der börsennotierten, mitbestimmungspflichtigen und öffentlichen Unternehmen ein[treten], die zunächst mindestens 30 Prozent betragen soll

könnte mir eigentlich völlig egal sein. Ich habe weder eine reelle Aussicht, je einen Job als Aufsichtsratsmitglied zu ergattern, noch glaube ich, dass sich Frauen in Aufsichtsräten grundsätzlich von Männern in Aufsichtsräten unterscheiden.

Ein wie auch immer geartetes Zusammengehörigkeitsgefühl mit meinen Geschlechtsgenossen, von denen dann einige weniger einen Posten als Aufsichtsrat bekommen könnten, habe ich auch nicht. Mit meinen Kolleginnen in der Abteilung verbindet mich viel mehr als mit meinem Vorstand, der sich vermutlich eher weniger Gedanken um bezahlbare und verlässliche Kinderbetreuung, steigende Sozialabgaben und realen Lohnverlust macht, als wir.

Nichtsdestoweniger möchte ich ein paar Anmerkungen machen.

Das ist Klientelpolitik in Reinform. Es geht nicht um die 17 Millionen Frauen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, es geht hier um vielleicht 500 bis 1’000 Frauen, die in der Karriereleiter sowieso schon viel höher gestiegen sind, als alle ihre Geschlechtsgenossinnen und 99,6% aller Männer.

Es geht nicht darum, dass man für die Millionen Elternteile etwas tut, um Familie und Beruf besser in Einklang bringen zu können, es geht darum, dass gutvernetzte Frauen auch ein Stückchen vom Kuchen möchten und am Ende der politischen Karriere ein schönes Versorgungspöstchen.  Es geht den Unterzeichnerinnen der Berliner Erklärung nämlich um Aufsichtsratsposten, nicht um Vorstände. Und wer wäre für einen Aufsichtsratsposten besser geeignet als eine Politikerin, deren Partei gerade mal eine parlamentarische Auszeit nimmt oder die in der innerparteilichen Gunst gerade nicht hoch genug steht um für einen Partei- bzw. Staatsposten in Frage zu kommen.

Aber vermutlich ist das in Ordnung, weil es nicht um böse Besserverdienende1 oder Hoteliers geht, sondern um vom Leben und der Gesellschaft ganz doll benachteiligte Frauen, die man zwar eher in der Reinigungsbranche und beim Friseur trifft als in Vorstandsetagen und den Etagen direkt darunter, aber das ist nur eine lässliche Kleinigkeit, die man fürs Grosse Ganze bereit ist zu übersehen.

Die Deutsche Bank hat übrigens momentan im Aufsichtsrat eine Frauenquote von über 40%, TUI von 19% und BMW und Lufthansa von 15%.

Wenn man sich das Aktiengesetz und das Mitbestimmungsgesetz anschaut, dann werden Aufsichtsratsmitglieder gewählt und nicht von irgendjemand bestimmt. Diese Wahl wird eingeschränkt, wenn mindestens 30% der Mitglieder eines Aufsichtsrats zwei X-Chromosomen haben müssen. Ich bin gespannt, wie die Lösung dazu aussehen soll.

Sei’s drum. Ich bastel jetzt auch an einer Erklärung

Sattelbacher Erklärung

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Politik

Obwohl wir über 65% der  Wahlberechtigten stellen, liegt unser Anteil bei den Abgeordneten im Bundestag und den Landtagen unter 10%. Dementsprechend sieht dann die Politik aus, von der oft vorgegeben wird, sie sei für uns.

Juristen, Beamte und Mitglieder des öffentlichen Dienstes, Verbandsfunktionäre und eloquente, stromlinienförmige Berufspolitiker, die direkt vom Hörsaal in den Plenarsaal gewechselt haben, machen Gesetze, deren Auswirkungen sie nicht betreffen, weil sie in ihrem Leben noch keinen einzigen Tag sozialversicherungspflichtig tätig waren und Dinge wie betriebsbedingte Kündigung, Kurzarbeit oder Betriebsverlagerung nur aus Erzählungen kennen.

  1. obwohl die dafür in Frage kommenden Frauen alle besserverdienend sind []