Zum Thema Mindestlohn: (Nicht) genug gelabert.

wahlplakat-linke

Ich muß zugeben, wenn mich jemand auffordert, mit dem labern aufzuhören, regt das meinen Widerspruchsgeist an. Nun denne.

10 Euro Mindestlohn jetzt

Was das am Ende für den Abeitnehmer, den Arbeitgeber und einen eventuellen Auftraggeber bedeutet, kann man an einem einfachen Beispiel nachvollziehen.

Ring * Ring * Ring

Guten Tag, hier ist die Agentur für haushaltsnahe Dienstleistungen, was kann ich für Sie tun?

Guten Tag, Müller hier. Ich bin neu in der Stadt und möchte mit meinen Kollegen gerne am Freitag Abend ausgehen. Da ich alleinerziehend bin und meine Eltern 400 Kilometer von mir entfernt wohnen, bräuchte ich für meine Tochter am Freitag einen Babysitter so von 18:30 Uhr bis 23:30 Uhr.

Gerne, das sind 5 Stunden, wir berechnen pauschal eine halbe Stunde An- und Abfahrt. 5,5 Stunden wären dann 137,50 €

Sie müssen mich falsch verstanden haben, ich möchte nicht ihren Laden kaufen, ich brauche nur für fünfeinhalb Stunden einen Babysitter.

Nein, nein, das stimmt schon. Wissen Sie, wir zahlen den gesetzlichen Mindestlohn von 10 € pro Stunde.

Ja, aber sie wollen 25 € pro Stunde von mir, irgendwas stimmt da doch nicht, das ist zweieinhalb mal so viel. Wahrscheinlich stopfen sich da irgendwelche Kapitalistensäcke Geld in die Taschen.

Nein, ich kann Ihnen das gerne erklären:

  • Unsere Mitarbeiter haben einen 7-Stunden-Tag
  • Da unsere Mitarbeiter auch im Urlaub und an Feiertagen Gehalt bekommen, müssen wir sie an 261 Tagen pro Jahr bezahlen
  • Das ergibt dann 1’827 Stunden, für die wir unseren Mitarbeitern 18’270 € überweisen müssen
  • Wir sind ein sehr soziales Unternehmen und zahlen unseren Mitarbeitern 750 € Urlaubsgeld und 750 € Weihnachtsgeld.
  • Insgesamt ergibt das ein Jahresbrutto von 19’770 €
  • Natürlich sind unsere Mitarbeiter sozialversicherungspflichtig beschäftigt, so daß wir als Arbeitgeberbeitrag
    • Rentenversicherung 1’868,28 €
    • Arbeitslosenversicherung 296,64 €
    • Pflegeversicherung 202,68 €
    • Krankenversicherung 1’443,24 €
    • Berufsgenossenschaft 790,80 €
    • Umlage U1/U2/U3 711,70 €

    bezahlen.

  • Insgesamt kostet uns ein Vollzeitangestellter pro Jahr 25’083,34 €
  • Wir beschäftigen 11 Mitarbeiter, die direkt beim Kunden arbeiten und mich, der die Buchhaltung macht, den Telefondienst, ich kümmere mich um Werbung und Aquise, Steuer und den ganzen Kram. Da meine Leistungen niemandem direkt verrechnet werden können, müssen meine Kollegen mein Gehalt mit erwirtschaften. Das macht dann nochmal 2’280,31 € pro „Aussendienstmitarbieter“.
  • Das Büro in dem ich sitze kostet pro Monat inklusive Nebenkosten wie Telefon, Strom, etc. 700 €, die selbstverständlich auch auf keiner Kundenrechnung auftauchen.
  • Für Werbung und Büromaterial geben wir pro Jahr ca. 4’000 € aus.
  • Die Administrationskosten schlagen pro Mitarbeiter also noch mal mit 1127,28 € zu Buche.
  • Da wir ein umsatzsteuerpflichtiges Unternehmen sind, müssen die 19% Umsatzsteuer, die wir direkt ans Finanzamt abführen, auch von unserem Mitarbeitern erwirtschaftet werden.
  • Wenn Sie kurz mitgerechnet haben, dann sind Sie bei 33’904,21 € pro Mitarbeiter.

Das ist die Kostenseite unseres Unternehmens, jetzt schauen wir auf die Einnahmen:

  • Unsere Mitarbeiter haben 30 Tage Urlaub und ca. 10 bezahlte Feiertage, arbeiten also nur 221 Tage pro Jahr für uns.
  • Da wir das unternehmerische Risiko der Nichtvermittlung nicht auf unsere Angestellten abwälzen wollen, rechnen wir mit einer Vermittlungsquote von 95%, können unsere Mitarbeiter also pro Jahr an ca. 11 Tagen nicht vermitteln, müssen ihnen aber natürlich den Lohn weiter bezahlen.
  • Wir haben einen geringen Krankenstand, trotzdem kommen pro Jahr ca. 5% also 10 Tage Krankheitsausfälle zustande (durch die Umlage U1 bekommen wir nur einen Teil der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ersetzt).
  • Es bleiben 200 Tage bzw. 1’400 Stunden, die wir unseren Kunden verrechnen können.
  • Wenn Sie mir bis jetzt gefolgt sind, dann kommen Sie auf 24,22 €, die wir Ihnen mindestens auf die Rechnung setzen müssen, ohne draufzulegen. Die restlichen 78 Ct pro Stunde benötigen wir zur Bedienung eines Kredits, den wir als Anschubfinanzierung benötigt haben.
 tuut * tuut * tuut

 

 

Wahlergebnis schon vergessen?

Wir müssen die Linke unter unserer Führung einbinden, wir müssen sie entzaubern.

Andreas Bausewein, SPD, Oberbürgermeister von Erfurt

Nur falls der Herr Bausewein das Wahlergebnis der thüringischen Landtagswahlen vom 30. August vergessen haben sollte:

  • Die SPD wurde von 195’363 Wählern gewählt und erreichte 18,5% der Stimmen
  • die Linke wurde von 288’915 Wählern gewählt und erreichte 27,4% der Stimmen.
  • Die SPD konnte 2 Wahlkreise für sich entscheiden,
  • die Linke konnte 14 Wahlkreise für sich entscheiden.

Dass die SPD in einer Koalition (rot-rot-grün), in der sie gerade mal 35% der Abgeordneten stellen würde, immer noch von einer Führungsrolle träumt, scheint ein Grund zu sein, warum sie nicht zustande kommt.

In 3 von 5 ostdeutschen Bundesländern stellt die SPD weniger Landtagsabgeordnete als die Linke. Die SPD scheint noch nicht ganz verstanden zu haben, dass die Wähler, wenn sie denn eine SPD-geführte Landesregierung haben wollten, SPD wählen würden und nicht den Umweg über eine Wahl der Linken gingen. Vielleicht reift diese Erkenntnis noch bis zum Jahr 2011 zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Dort hätte es übrigens im Jahr 2006 schon zu einer rot-roten Koalition gereicht, aber da die Linke 2 Abgeordnete mehr stellt als die SPD, wäre wieder nur die Juniorpartnerschaft herausgekommen und Juniorpartner will man als SPD wohl nur sein, wenn der grosse Bruder CDU heisst.

[Update]

In der ersten Version dieses Beitrags stand noch, dass Andreas Bausewein Oberbürgermeister von Gera sei. Man soll halt nicht ungeprüft aus Qualitätsmedien abschreiben 🙂

[/Update]

Sehr geehrter Herr Lafontaine

gerade muss ich von Ihnen vernehmen, dass Menschen mit hohen Einkommen schuld an der Krise seien.

Ganz ungewohnt rechne ich mich jetzt mal zum Personenkreis mit hohem Einkommen (normalerweise beginnt Reichtum ja immer frühestens eine Gehaltsklasse über der eigenen).

Ich bin mir nicht mal im Ansatz bewusst, wie ich diese Krise verursacht haben könnte. Ich habe weder dafür gesorgt, dass Kapitalgesellschaften ihre Unternehmensbeteiligungen steuerfrei veräussern dürfen, ich habe nicht dafür gesorgt, dass der Verbriefungsmarkt in Deutschland geöffnet wurde (und habe auch nie so ein Produkt gekauft, vermutlich passe ich nicht ins Beuteschema des „Sparkassen-Beamten“ und Privatkundenberaters. Ich bin zu jung, zu informiert und lese Verkaufsprospekte bis zum bitteren Ende durch). Ich habe mich nicht davor gedrückt Steuern zu zahlen, ich habe nicht mal einen Steuerberater.

Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was ich anders hätte machen sollen, um die Krise zu verhindern. Sagen sie es mir bitte?

Kann es mir einer erklären?

In der Zeit darf ich lesen:

Nach Ansicht von Müntefering ist die FDP-Absage «der Versuch, das Land in Lager zu spalten». Bislang sei es Brauch gewesen, dass im Prinzip alle demokratischen Parteien untereinander koalitionsfähig seien. «Wer sich davon ausschließt, muss wissen, was er tut.»

Ist jetzt die Linke nur auf Landesebene demokratisch oder bezieht er das gar nicht auf das Verhältnis SPD <–> Linke, weil die SPD ja weiß, was sie tut?