Die Schweiz und Steuerfahnder

Die schweizerische Bundesanwaltschaft hat Haftbefehle gegen 3 deutsche Steuerfahnder erlassen, die im Jahr 2010 am Ankauf einer CD beteiligt waren, auf der Daten von (deutschen) Kunden einer Schweizer Bank waren.

Dass der Verkäufer die Daten durch eine in der Schweiz (und übrigens auch in Deutschland) strafbare Handlung erlangt hat, steht ausser Zweifel. Der Ankauf dieser Daten ist in der Schweiz ebenfalls strafbar, in Deutschland ist es zumindest umstritten, in diesem Fall aber erstmal irrelevant, denn der mögliche Tathergang unterscheidet sich, je nach dem wem man zuhört.

Unbestritten gibt es 3 Parteien in dieser Sache. Den Datendieb, einen Schweizer, der mittlerweile in der Schweiz rechtskräftig verurteilt wurde, einen österreichischen Geschäftsmann als Zwischenhändler, der sich in der Untersuchungshaft erhängt hat1 und die Mitarbeiter der nordrhein-westfälischen Steuerfahndung, die die Verhandlungen mit dem Geschäftsmann aus Österreich geführt haben.

Die Geschichte aus deutscher Sicht ist schnell erzählt: Der Österreicher kam auf die deutschen Behörden zu, hat eine CD angeboten, das Geld bekommen und das war’s.

Die Geschichte aus schweizerischer Sicht ist etwas länger: Der Österreicher hat den deutschen Behörden Informationen angeboten, die Deutschen haben nachgefragt, ob es da nicht noch weitere Informationen gäbe und explizit nach verschiedenen Datensätzen und Informationen gefragt. Die hat dann der Datendieb erst „geklaut“.

Wenn die schweizerische Version stimmt, dann hätte man es mit Anstiftung zu tun. Das wäre auch in Deutschland strafbar.

[Update der Vollständigkeit halber]

Strafbar in Deutschland ist nur die vorsätzliche Anstiftung2 . Die deutschen Steuerfahnder könnten allerdings der Meinung gewesen sein, der „Dieb“ hätte schon alle Daten und sie könnten aus seinem reichhaltigen Portfolio etwas ihnen genehmes aussuchen, während der Schweizer aber anfänglich fast gar nichts hatte und dann quasi auf Bestellung kopiert hat.

[/Update]

In der Schweiz sitzt der Datendieb und auf dessen Aussage stützt sich wohl der schweizerische Bundesanwalt. In Deutschland sitzen die Empörten und empören sich.

Wer schlussendlich die Wahrheit sagt, der Datendieb, der sich vielleicht Strafminderung erhofft hat oder die deutschen Steuerfahnder mag ich nicht zu beurteilen. Das Ganze aber gleich zu einem Politikum zu stempeln wie SPD, Grüne und Linke, vermag ich allerdings auch nicht. In Deutschland wird immer alles so aufgebauscht. Ein SPD-Politiker hat sogar das Bundesverdienstkreuz für die am Ankauf beteiligten Mitarbeiter gefordert. Und das, obwohl er ziemlich sicher keine Ahnung hat, welche Version jetzt stimmt.

Auch Deutschland sucht übrigens per Haftbefehl nach Mitarbeitern ausländischer staatlicher Behörden. Es geht nicht um irgendwelche Bananenrepubliken3. Als Tipp: auch Italien hat internationale Haftbefehle für Mitarbeiter dieser Behörde ausgestellt.

  1. alle Verschwörungstheoretiker bitte vortreten, das schreit geradezu nach einem Komplott []
  2. §26 StGB: Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat. []
  3. obwohl manch einer da anderer Meinung sein könnte []

Das Thema ist ein wenig komplexer

Momentan steht ja wieder eine CD zum Kauf, auf der sich die Daten von mutmasslich 1’300 – 1’500 möglichen wahrscheinlichen Steuersündern aus Deutschland befinden, die in der Schweiz ihr Geld geparkt und vermehrt haben, ohne dem deutschen Fiskus die entstandenden Einnahmen (Zinsen, Dividenden, Veräusserungsgewinne) anzuzeigen.

Die Grenzen zwischen Befürwortern des Ankaufs und deren Gegner ziehen sich durch alle Parteien (genaugenommen ziehen sie sich durch CDU/CDU und FDP, Grüne, SPD und Linke scheinen unisono für einen Ankauf zu sein).

Dafür spricht, dass man mit diesen Daten Straftaten aufdecken kann, die mit Gefängnisstrafe bis zu 10 Jahren belegt werden können.

Dagegen spricht, dass die Daten unrechtmäßig erlangt wurden.

In Deutschland gibt es kein so ausgeprägtes Beweisverwertungsverbot wie z.B. in den USA. Dennoch gibt es eines. Zwei aktuelle Entscheidungen, die das Beweisverwertungsverbot betreffen, werden gerade in den verkehrsrechtlichen Foren und Webseiten hoch und runter dekliniert.

Da haben wir zum einen die Entscheidung des OLG Hamm (und in Folge Dresden und Celle), wie man mit Blutproben umzugehen hat, die einem vermeintlich alkoholisierten Verkehrsteilnehmer abgenommen wurden, ohne die Blutentnahme von einem Richter genehmigen zu lassen, wie es in der Strafprozeßordnung vorgesehen ist:

§ 81a StPO

  1. Eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten darf zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Zu diesem Zweck sind Entnahmen von Blutproben und andere körperliche Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, ohne Einwilligung des Beschuldigten zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist.
  2. Die Anordnung steht dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) zu.

Dieser Richtervorbehalt wurde und wird in vielen Fällen nicht eingehalten. Laut dem OLG Hamm, Celle und Dresden liegt damit ein Beweisverbot vor, wenn ersichtlich ist, dass die ermittelnden Polizeibeamten grundsätzlich nicht einmal versuchen, einen Richter zu erreichen. Um ein plakatives völlig überzogenes Beispiel zu konstruieren:

Dem Quartalssäufer, der ungerührt (und nachweislich) mit 2 Promille Auto fährt und bei der nächsten Fahrt vielleicht eine komplette Familie beim Sonntagsausflug auslöscht, wird der Führerschein nicht entzogen und er geht straffrei aus, weil ein Polizeiobermeister der Meinung war, dass man auf den Anruf beim Ermittlungsrichter verzichten kann.

Die andere Entscheidung (die von übereifrigen RiAG wohl ein wenig weit ausgelegt wird) stammt vom Bundesverfassungsgericht (2 BvR 941/08).

In Kurzform geht es darum, dass von einer Autobahnbrücke aus die Fahrzeuge auf der Autobahn gefilmt wurden und man danach ausgewertet hat, welche Fahrzeugführer durch zu geringen Sicherheitsabstand / überhöhte Geschwindigkeit eine Ordnungswidrigkeit begangen haben. Das BVerfG ist zum Schluß gekommen, dass die automatisierte Aufzeichnung jedes Fahrzeugs ohne die richtige Ermessensgrundlage einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Daraus folgt dann für viele Amtsgerichte der Schluß, dass dieses Video nicht verwertet werden darf. Da dieses Video aber der einzige Beweis für drängeln/rasen ist, hat das jeweilige Ordnungsamt/Polizeibehörde nichts mehr gegen den Verkehrssünder in der Hand, der damit folgerichtig freigesprochen werden muss.

Zwei Beispiele, in denen der Rechtsstaat „kapituliert“, weil die Beweismittel nicht auf rechtsstaatlichem Weg erlangt wurden.

Das kann man gut oder schlecht finden, es erfordert meines Erachtens aber auch in Bezug auf die Daten über Steuersünder eine etwas längere Betrachtung, bei der man aussen vor lässt, wen man denn damit eigentlich erwischt. Wenn man sich die Wortmeldungen einiger SPD-Frontleute anhört, dann könnte man fast meinen, Herr Pawlow hätte mit dem Glöckchen geklingelt.

Proditionem amo, sed proditores non laudo

Bundesfinanzminister Schäuble liegt ein unmoralisches Angebot vor: Daten von 1’500 deutschen Steuersündern (die vermutlich sicher auf illegalem Weg erlangt wurden), gegen die Zahlung von 2,5 Millionen EUR (ob die steuerfrei sein sollen, wird nirgends erwähnt).

Ganz im Stile echter Dealer hat der Verkäufer die Behörden mit den Daten von 5 Steuerhinterziehern angefixt, die, wenn man den Aussagen glauben darf, wohl Steuernachzahlungen von jeweils einer Million EUR nach sich ziehen werden. Davon abziehen muss man natürlich die Kosten für die Gefängnisunterbringung der Steuerhinterzieher, deren Strafen nach dem Urteil des BGH 1 StR 416/08 wohl nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden dürften.

Soll ich das jetzt gut finden oder schlecht? Soll ich die eklatante Verletzung von Datenschutzrecht gut heissen, weil es diejenigen trifft, die ihren Hals nicht voll genug bekommen und die im Gegensatz zu mir nur 25% zahlen statt 42% (wenn man davon ausgeht, dass Steuern auch eine Lenkungswirkung haben sollen, scheint die unselbständige Tätigkeit als AN nicht so gewünscht zu sein wie das verleihen von Geld an Firmen und Staaten, aber das ist ein anderes Thema).

Ich weiß es nicht. Mir geht es da ein bisschen wie Julius Caesar.

Abschließend bleibt nur zu hoffen, dass nicht zu viele Fälle in Hessen beheimatet sind, weil das dann wieder nur in der Zwangspensionierung von Steuerfahndern mittels gekaufter fehlerhafter psychiatrischer Gutachten und Gedächtnislücken von Finanzministern endet.


np: within temptation – what have you done

Now for something completely different

nach all der schweren politischen Kost der letzten Tage wäre jetzt mal wieder Zeit für etwas kurzweiliges.

Zum Beispiel mein kantonales Steueramt. Nach 19 Monaten, in denen sie mich immer wieder mit Belegnachforderungen, Nachweisen und sonstigen Fragen genervt haben, wurde mir jetzt mitgeteilt, dass alles vergeblich war. Kein einziger Nachweis wurde anerkannt, nichts hatte Auswirkungen auf meine Steuerlast (das hätte ihnen auch schon letzten Februar auffallen können, so weit ich das sehe, war alles danach für die Entscheidungsfindung eigentlich unnötig).

Allerdings ist ihnen aufgefallen, dass mit der Quellensteuerberechnung irgendwas nicht gestimmt hat und ich deswegen für 3’200 CHF Pensionskassenzahlungen noch Steuern nachzuentrichten habe.

Wie konnte ich nur auf die Idee kommen, dass sich die Steuerbehörden der Schweiz so sehr von den deutschen Steuerbehörden unterscheiden? Die werden doch vermutlich in irgendeinem unterirdischen Labyrinth gezüchtet und dann weltweit an einzelne Länder verkauft.

np: Scala & Kolacny Brothers – hungriges Herz