Die Schweiz und Steuerfahnder

Die schweizerische Bundesanwaltschaft hat Haftbefehle gegen 3 deutsche Steuerfahnder erlassen, die im Jahr 2010 am Ankauf einer CD beteiligt waren, auf der Daten von (deutschen) Kunden einer Schweizer Bank waren.

Dass der Verkäufer die Daten durch eine in der Schweiz (und übrigens auch in Deutschland) strafbare Handlung erlangt hat, steht ausser Zweifel. Der Ankauf dieser Daten ist in der Schweiz ebenfalls strafbar, in Deutschland ist es zumindest umstritten, in diesem Fall aber erstmal irrelevant, denn der mögliche Tathergang unterscheidet sich, je nach dem wem man zuhört.

Unbestritten gibt es 3 Parteien in dieser Sache. Den Datendieb, einen Schweizer, der mittlerweile in der Schweiz rechtskräftig verurteilt wurde, einen österreichischen Geschäftsmann als Zwischenhändler, der sich in der Untersuchungshaft erhängt hat1 und die Mitarbeiter der nordrhein-westfälischen Steuerfahndung, die die Verhandlungen mit dem Geschäftsmann aus Österreich geführt haben.

Die Geschichte aus deutscher Sicht ist schnell erzählt: Der Österreicher kam auf die deutschen Behörden zu, hat eine CD angeboten, das Geld bekommen und das war’s.

Die Geschichte aus schweizerischer Sicht ist etwas länger: Der Österreicher hat den deutschen Behörden Informationen angeboten, die Deutschen haben nachgefragt, ob es da nicht noch weitere Informationen gäbe und explizit nach verschiedenen Datensätzen und Informationen gefragt. Die hat dann der Datendieb erst „geklaut“.

Wenn die schweizerische Version stimmt, dann hätte man es mit Anstiftung zu tun. Das wäre auch in Deutschland strafbar.

[Update der Vollständigkeit halber]

Strafbar in Deutschland ist nur die vorsätzliche Anstiftung2 . Die deutschen Steuerfahnder könnten allerdings der Meinung gewesen sein, der „Dieb“ hätte schon alle Daten und sie könnten aus seinem reichhaltigen Portfolio etwas ihnen genehmes aussuchen, während der Schweizer aber anfänglich fast gar nichts hatte und dann quasi auf Bestellung kopiert hat.

[/Update]

In der Schweiz sitzt der Datendieb und auf dessen Aussage stützt sich wohl der schweizerische Bundesanwalt. In Deutschland sitzen die Empörten und empören sich.

Wer schlussendlich die Wahrheit sagt, der Datendieb, der sich vielleicht Strafminderung erhofft hat oder die deutschen Steuerfahnder mag ich nicht zu beurteilen. Das Ganze aber gleich zu einem Politikum zu stempeln wie SPD, Grüne und Linke, vermag ich allerdings auch nicht. In Deutschland wird immer alles so aufgebauscht. Ein SPD-Politiker hat sogar das Bundesverdienstkreuz für die am Ankauf beteiligten Mitarbeiter gefordert. Und das, obwohl er ziemlich sicher keine Ahnung hat, welche Version jetzt stimmt.

Auch Deutschland sucht übrigens per Haftbefehl nach Mitarbeitern ausländischer staatlicher Behörden. Es geht nicht um irgendwelche Bananenrepubliken3. Als Tipp: auch Italien hat internationale Haftbefehle für Mitarbeiter dieser Behörde ausgestellt.

  1. alle Verschwörungstheoretiker bitte vortreten, das schreit geradezu nach einem Komplott []
  2. §26 StGB: Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat. []
  3. obwohl manch einer da anderer Meinung sein könnte []

Familienpolitik, Steuern und der Zusammenhang

Wenn mein Lieblings-SPD-Blog etwas über mein Lieblingsthema Steuern schreibt, komme ich nicht umhin, das ganze zu kommentieren.

Es geht wie so oft um das leidige Thema Gerechtigkeit, dieses Mal um die Kinder von armen und reichen Eltern.

Ich habe oft den Verdacht, dass die Jusos das derzeitige Steuersystem nicht ablehnen, sondern dass sie es einfach nicht verstanden haben und stattdessen lieber mit gesundem Halbwissen1 einen Strohmann aufgebaut haben und auf dem rumdreschen.

Das heißt: weg mit den unterschiedlichen Steuervorteilen für Kinder je nach Steueraufkommen. Warum sollte eine Gutverdiener-Familie mehr Geld pro Kind bekommen bzw. weniger Steuern bezahlen müssen? Das ergibt keinen Sinn.

Die unterschiedliche Behandlung ergibt dann Sinn, wenn man den Gesamtzusammenhang betrachtet. Die Prämisse in unserem Steuersystem ist, dass jeder nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert wird. Daher haben wir so etwas wie ein steuerfreies Existenzminimum, auch für Kinder. Da viele Eltern, so wenig Geld verdienen, dass sich das an ihrer Steuerlast nur marginal auswirkt, hat man das Kindergeld eingeführt2.

Wenn man möchte, dass alle Kinder gleichviel bekommen, muss man das steuerfreie Existenzminimum für Kinder abschaffen und durch eine direkte Förderung ersetzen. Primär sind dann nicht mehr die Eltern für das steuerfreie Existenzminimum der Kinder zuständig, sondern der Staat. Das kann man gerne wollen, entspricht aber weder meiner Vorstellung von Elternschaft, noch meiner Vorstellung vom Staat.

Weg mit den unterschiedlichen Steuervorteilen für Kinder je nach Steueraufkommen.

Überall im Steuerrecht findet sich diese vermeintliche Ungleichbehandlung. Der leitende Angestellte einer Firma bekommt für seine Fahrkarte 42% über die Steuer zurück, der Pförtner, der den gleichen Arbeitsweg hat nur 17%. Die Kosten für Kinderbetreuung „bringen“ einem gutverdienenden Menschen erheblich mehr als jemandem, der knapp über dem Existenzminimum verdient.

Das ist Ergebnis des Grundsatzes, dass ich von meinen Einnahmen all das abziehen darf, was ich als Ausgaben hatte, um diese Einnahmen überhaupt erzielen zu können.

Deshalb für alle noch mal:

Werbungskosten und Steuerfreibeträge (z.B. für die Kinder) vermindern das zu versteuernde Einkommen und werden deshalb mit dem Grenzsteuersatz wirksam. Wer einen höheren Steuersatz hat, hat auch einen grössere Steuererstattung.

Man kann natürlich auch das Kindergeld soweit erhöhen, dass die Steuerminderung bei 45% genau der Höhe des Kindergeldes entspricht. Dann wären wir bei einem monatlichen Kindergeldbetrag von 262,80 EUR3 . Das kann man auch gerne machen, allerdings wird es jemanden geben müssen, der das ganze bezahlt.

Da ist den Jusos mal wieder das Ehegattensplitting vor die Füsse gefallen und sie haben es dankbar aufgegriffen.

Die Förderung der Alleinverdiener-Familie via Ehegattensplitting ist ein Anachronismus und führt zur Abhängigkeit der Frau vom Mann. Weg damit.

Ich mache mir bald eine Gebetsmühle mit dem Text, dann muss ich nur noch drehen, statt schreiben.

Das Ehegattensplitting fördert nicht die Alleinverdiener-Familie. Beim Ehegattensplitting wird ganz allgemein davon ausgegangen, dass es sich bei einem Ehepaar (nicht nur, aber auch) um eine Wirtschaftsgemeinschaft handelt. Man geht davon aus, dass es innerhalb der Partnerschaft egal ist, wer wieviel des verdienten Geldes als Einkommen bezieht, es fliesst in eine gemeinsame Kasse.

Das Ehepaar wird als ein Steuersubjekt angesehen. Die 48-jährige Verkäuferin, deren Mann erwerbsunfähig ist, profitiert genauso vom Ehegattensplitting wie die 32-jährige Industriemechanikerin, deren Mann gerade in Elternzeit ist.

Man prügelt natürlich lieber auf die faul daheimsitzende Millionärsgattin ein, weil man da mehr Zuspruch erwartet. Treffen wird es die aber nur ganz am Rande, falls sie es überhaupt bemerkt. Bei der Verkäuferin und der Industriemechanikerin wäre ich mir nicht so sicher, dass sie den Wegfall des Ehegattensplittings problemlos verdauen.

Ausflüsse dieses Gedankens, dass Ehepaare ein Steuersubjekt sind, findet man beispielsweise bei der Anrechnung des Verdienstes des Ehepartners wenn man ALG-II bzw. Grundsicherung beziehen möchte oder im Versorgungsausgleich nach der Ehe. Auch wenn der nacheheliche Unterhalt immer mehr auf dem Rückzug ist, ist er eigentlich ebenfalls nur dann möglich, wenn man schon für die Zeit der Ehe ein gemeinsames wirtschaftliches Handeln unterstellt.

Ich hätte von den Befürwortern der Abschaffung des Ehegattensplittings gerne 2 Fragen beantwortet:

  • Ist eine 4-köpfige Familie, in der eine Person 50’000 EUR und die andere Person 30’000 EUR pro Jahr verdient, finanziell leistungsfähiger als eine 4-köpfige Familie, in der beide jeweils 40’000 EUR verdienen?
  • Ist eine 4-köpfige Famile, in der nur eine Person erwerbstätig ist und 70’000 EUR pro Jahr verdient genauso leistungsfähig wie eine alleinstehende Person, die 70’000 EUR pro Jahr verdient?
  1. ich weiss auch nicht viel mehr []
  2. Kindergeld ist sowas wie der Zivildienst der Familienförderung bzw. ein Beispiel für eine der wenigen negativen Steuern, die es in Deutschland gibt []
  3. wer bei wikipedia nach Kinderfreibetrag sucht, findet einen niedrigeren Satz, allerdings hat man dort die „Reichensteuer“ nicht berücksichtigt []

Unmut

Natürlich sind die Kommunen klamm und natürlich würden Steuersenkungen auch sie treffen.

Muss ich mir trotzdem vom Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, der im übrigen Zeitlebens von Steuergeldern alimentiert wurde, muss ich mir von Herrn Landsberg anhören, ich hätte eine ausufernde Anspruchsmentalität?

Wenn von 100 EUR Gehaltserhöhung gerade mal 35 EUR im eigenen Geldbeutel landen (bezogen auf die Lohnsumme), dann habe ich ein Recht auf eine ausufernde Anspruchsmentalität.

Lieber Staat (ich weiss, Herr Landsberg ist nicht der Staat, er ist genaugenommen nicht mal ein irgendwie demokratisch legitimierter Teil der Exekutive), wenn Du schon der Meinung bist, du wüsstest so viel besser, was man mit dem von mir verdienten Geld so alles anstellen kann und es mir deshalb wegnimmst, dann kann ich auch ein volles Programm erwarten.

Oh,ich vergaß, meine Einkommensteuer wird ja gebraucht, um dem Nachbar das Auto zu verbilligen (da weissage ich jetzt mal, dass das in die Hosen geht. Die 2 Millionen Glücklichen hätten Euch vermutlich sowieso gewählt, ob aber die alleinerziehende Mutter mit 22’000 EUR Jahresbrutto ebenso glücklich mit der Abwrackprämie ist, wenn sie bemerkt, dass ihre komplett gezahlte Lohnsteuer des Jahres 2008 in die Subventionierung des neuen Autos ihres Chefs geflossen ist, wage ich zu bezweifeln).

Ich schweife ab. Ach ja, wofür geht mein Geld drauf. Zum Beispiel für die Rettung einer Bank, dies sich aus Deutschland herausgemogelt hat und nach Irland ging, weil man da weniger Steuern zahlen muss. Zweistellige Milliardenbeträge als Direktüberweisung und dreistellige Milliardenbeträge als Bürgschaften.

Ab September werden dann vermutlich auch noch einige Millionen als Übergangsgelder für nicht mehr gewählte Bundestagsabgeordnete fliessen, immerhin bekommt dort ein Abgeordneter, der seit 1990 im Parlament saß, für 18 Monate seine Abgeordnetenentschädigung weiterbezahlt. Nichts mit 60% des letzten Netto, nicht mit maximal 12 Monate bis ALG II aka Hartz IV. Aber ich schweife schon wieder ab.

Aber zurück zu Ihnen Herr Landsberg. Ich bin nicht in der Position Ihnen Ratschläge geben zu können, geschweige denn zu dürfen. Und eigentlich haben Sie ja recht: Die Leute, die Sie beleidigen, können Sie ja nicht abwählen.

Ob es trotzdem geschickt ist, genau den Menschen eine ausufernde Anspruchsmentalität zu unterstellen, die seit mindestens 28 Jahren genau das Geld erwirtschaften, das Sie am Monatsersten auf ihrem Konto finden (genaugenommen schon am Vormonatsletzten), ob es geschickt ist, das genau den Menschen an den Kopf zu werfen, denen Sie (also nicht Sie direkt) die Hälfte ihres Lohns „wegsteuern“ weil sie damit in Ihren Augen nicht richtig umgehen können, wage ich trotzdem zu bezweifeln zu wagen.

So, genug gebasht, aber manchmal frage ich mich schon, was manche Leute so reitet. Früher war ich ja nur der Meinung, dass die Versorgungsbezüge von Politikern völlig übertrieben sind. Mittlerweile gilt das auch für die Bezüge während ihrer Amtszeit. Für echte Abgeordnete wären sie vermutlich wirklich unterbezahlt, aber marionetteske Stimm-Maschinen im Bundestag bekäme man vermutlich auch billiger.

So aber jetzt ist wirklich gut, Markus. Einfach kurz daran denken, dass Du in der Schweiz steuer- und sozialabgabenpflichtig bist 🙂

np: City – Am Fenster

Was vom Lohne übrig blieb

Im Moment wird in diversen blogs kontrovers über Steuersenkungen, Erhöhungen, (gebrochene) Wahlversprechen, das politische  Mittel von null und zwei (es scheint drei zu sein) und die Staatsverschuldung diskutiert.

Dort wird wie üblich viel Wahres aber auch viel Schrott geschrieben. Da ich im Gegensatz zu Frau Kraft von der SPD in NRW über genügend Webspace verfüge, möchte ich diesen nutzen, die Steuer- und Abgabenthematik aus der Perspektive eines Lohnempfängers und dessen Arbeitgebers zu betrachten.

Nehmen wir mal an, es gibt da einen kleinen chemischen Betrieb, der sich auf Feinchemikalien spezialisiert hat. Dieser Betrieb hat im Jahr 2008 einen guten Umsatz und Gewinn gemacht, weshalb der Chef am Ende des Jahres den Mitarbeitern eine zusätzliche Gratifikation auszahlen will. Da sich alle für den Erfolg der Firma eingesetzt haben, möchte er jedem Mitarbeiter die gleiche Summe bezahlen und kommt auf einen Betrag von 2’000 EUR, der pro Person zur Verfügung steht.

Da Gratifikationen Lohnbestandteil sind und deshalb sozialversicherungspflichtig, muss von diesen 2’000 EUR auch der Arbeitgeberanteil an gesetzlicher Renten-, Arbeitslosen,- Kranken- und Pflegeversicherung sowie der Beitrag an die Berufsgenossenschaft entrichtet werden.

Wenn man das alles abzieht, kommt man auf eine Bruttogratifikation von 1’650 EUR, die auf dem Lohnzettel ausgewiesen wird.

Der Chemiker, der ein Jahres-Einkommen von 40’000 EUR hatte, muss nun 41’650 EUR versteuern.

Von den insgesamt 2’010 EUR Gratifikation (die die Firma zahlen muss) gehen:

  • 328,34 EUR an die Deutsche Rentenversicherung
  • 54,44 EUR an die Bundesagentur für Arbeit
  • 36,29 EUR an die Pflegeversicherung
  • 270,59 EUR an die AOK Saarland
  • 19,80 EUR an die Berufsgenossenschaft Chemie
  • 591,84 EUR an das Finanzministerium
  • 708,84 EUR an den Angestellten

und das ganze in grafischer Form

nettoquote

Natürlich bekommt er für die vielen Sozialabgaben auch eine Gegenleistung.

  • In der gesetzlichen Rentenversicherung erhält er 0,055 Beitragspunkte, was momentan einer zusätzlichen Brutto-Rente von 1,47 EUR entspricht. Gut, da geht dann noch die halbe Krankenversicherung ab und die komplette Pflegeversicherung, steuerpflichtig wird die Rente auch voll sein, wenn er sie mal bekommt und wenn er schon mit 62 geht, werden auch noch 18% abgezogen. Aber selbst dann wird seine Einzahlung (einen Grenzsteuersatz von 25% unterstellt) für eine Nettorentenerhöhung von 78 Cent sorgen. Schon nach 34 Jahren, wird sich die Einzahlung amortisiert haben. Dafür muss er gerade mal 96 Jahre alt werden.
  • In der Arbeitslosenversicherung erhöht sich sein monatliches Arbeitslosengeld um 34,11 EUR. Allerdings nur, wenn er innerhalb des Jahres 2009 arbeitslos wird. Sollte es der Firma zuerst ein wenig schlechter gehen, bevor sie insolvent wird oder betriebsbedingt kündigen muss, ist das Geld weg (also nicht wirklich weg, aber es entsteht dann keine Gegenleistung).
  • Die Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung sind nicht vom Beitrag abhängig. Da die maximale Höhe der Zuzahlungen an seinen Bruttolohn gekoppelt ist, wird er allerdings – wenn er Pech hat – 33 EUR mehr an Praxisgebühr, Medikamentenzuzahlungen und Krankenhausbezahlung leisten müssen.

Man soll nicht immer fragen, was der Staat für einen tun kann, aber ich finde, bei einer Nettoquote von 35,3% wird man es zumindest einmal tun dürfen.

Und jetzt noch ein kleiner Exkurs für die Jusos, die das mit der Steuer und den Abgaben nicht so recht trennen können.

Beim Hausmeister, der vorher ein Jahresbrutto von 16’000 EUR hatte sieht das ganze so aus:

nettoquote2

Und bei der Laborleiterin, die vorher 70’000 EUR Jahresgehalt hatte, ergibt sich folgendes Bild:

nettoquote3

So, vor dem kommentieren kurz nachdenken 🙂

Als kleine Anregung: die Schaubilder beziehen sich jeweils auf die zusätzlichen Lohnkosten.

Die Ist-Situation im Steuerrecht bei Ehepaaren

Ausgelöst durch einen kurzen Twitter-Schlagabtausch (140 Buchstaben können so wenig sein), folgt an dieser Stelle eine kurze Darstellung der Ist-Situation bei Ehepaaren und Familien im Steuer- und Abgabenrecht.

Folgende Ausführungen beziehen sich ausschliesslich auf Einkommen aus unselbständiger Arbeit. Für die ganzen anderen Einkommensarten stimmt untenstehendes teilweise nicht ganz, teilweise gar nicht. Manche Sachen habe ich vereinfacht, da finden sich dann in eckingen Klammern [] ein wenig Erläuterungen.

Fangen wir mit dem einfachen an, den Steuern.

In Deutschland gibt es ungeachtet der diversen Lohnsteuerklassen nur zwei Steuertarife:

  • Die Grundtabelle, nach der alle Alleinstehenden und nicht zusammen veranlagten Ehepaare versteuert werden
  • die Splittingtabelle nach der alle zusammen veranlagten Ehepaare versteuert werden.

Zwischen diesen Tabellen gibt es einen einfachen Zusammenhang: Wenn man das zu versteuernde Einkommen aus der Splittingtabelle halbiert und diesen Wert in der Grundtabelle heraussucht, kommt man genau auf den halben Einkommensteuerbetrag der Splittingtabelle.

Als Beispiel: Das zu versteuernde Einkommen der Familie Müller (welches sich aus dem Einkommen von Herrn und Frau Müller zusammensetzt, minus diverser Abzüge) betrug im Jahr 2009 90’000 EUR. Dafür musste die Familie Müller 21’932 EUR Einkommensteuer bezahlen.

Wenn man die Steuerlast für 45’000 EUR (die Hälfte des Familieneinkommens) in der Grundtabelle anschaut, findet man dort eine Steuerlast von 10’966 EUR. Verdoppelt man diesen Betrag, kommt man genau auf die 21’932 EUR, die die Familie Müller zahlen muss.

Zwei Singles, Herr Meier und die mit ihm zusammenlebende Frau Schulz, die jeweils 45’000 EUR verdienen, zahlen zusammen genau soviel Steuern wie das Ehepaar Müller, welches über das gleiche Einkommen verfügt.

Was jetzt den Kritikern des Ehegattensplittings nicht gefällt ist die Tatsache, dass es anders als bei den Singles Meier und Schulz bei den Müllers völlig egal ist, wie sich das Einkommen auf die beiden verteilt. Ob jetzt beide jeweils 45’000 EUR zu versteuerndes Einkommen haben, oder Frau Müller 60’000 EUR und Herr Müller 30’000 EUR, oder Herr Müller 90’000 EUR und Frau Müller nichts, ändert an der Steuerlast für das Ehepaar gar nichts [Ich weiss, dass Frau Müller ohne Einkommen keine Werbungskostenpauschale hat und verschiedene Vorsorgepauschalen gedeckelt sind].

Das ist so, weil man das Ehepaar Müller im Vergleich zu den Lebensabschnittsgefährten Meier und Schulz als ein Steuersubjekt ansieht und davon ausgeht, dass es eine Kasse gibt, und sich die Eheleute gegenüber voll unterhaltspflichtig sind. Dass man das bei Meier und Schulz über sogenannte Bedarfs-, Verantwortungs- oder Einstehensgemeinschaften ebenfalls finigeren will und zwar dann, wenn einer der beiden staatliche Leistungen erhalten würde, empfinde ich im übrigen als einen Mißstand. Aber die Tatsache, dass sich der Staat da aus der Verantwortung ziehen will (solange es gut läuft zahlt ihr viele Steuern, wenn es schlecht läuft müsst ihr füreinander einstehen ohne dafür entsprechend entlastet zu werden), sollte man nicht dem Ehegattensplitting als Nachteil anrechnen.

Ein weiterer Punkt, der den Kritikern des Ehegattensplittings mißfällt, ist die Tatsache, dass es die Lohnsteuerklassen III und V gibt. Die Einkommensteuer ist eine Jahressteuer, die der Arbeitgeber monatlich vom Lohn einbehält und an das Finanzamt überweist. Erst nachdem das Jahr beendet ist, findet die echte Berechnung der Steuerlast statt, alles vorher waren prinzipiell sowas wie Abschlagszahlungen.

Für Singles gilt: Wer das ganze Jahr über hindurch gleichmäßig verdient hat, wird am Ende weder nachzahlen noch etwas herausbekommen. Wer aber z.B. sein Studium beendet hat und erst im September eine Stelle angetreten hat, oder wer im August arbeitslos wurde und erst im neuen Jahr die nächste Stelle angetreten hat, bekommt in aller Regel eine Steuererstattung [da kommt es dann noch darauf an, ob die Firma einen internen Lohnsteuerjahresausgleich gemacht hat oder nicht. In ersterem Fall gibt’s schon im Dezember ein höheres Nettogehalt, im zweiten Fall muss man selbst einen machen].

Für Verheiratete gilt: Was bei Singles relativ einfach machbar ist, funktioniert bei Verheirateten in der jetzigen Situation nur begrenzt. Zwei Menschen verdienen vermutlich unterschiedlich viel und der Arbeitgeber dieser beiden Menschen, der die Lohnsteuer an das Finanzamt abführen muss, weiss nicht, wie viel oder wie wenig oder ob überhaupt der Partner des Angestellten verdient. Die einfache Variante ist, einfach beide während des Jahres wie Singles zu versteuern und dann am Ende zu schauen, wieviel Steuern bezahlt werden müssen. Das gibt es bereits in Form der Lohnsteuerklasse IV. Beide Ehepartner sind in dieser Lohnsteuerklasse und der Arbeitgeber führt genau den gleichen Steuerbetrag ab, wie bei einem Ledigen in der Lohnsteuerklasse I.

Für manche Familien führte das am Ende des Jahres zu einer sehr grossen Steuerrückzahlung. Wenn man unser Ehepaar Müller nimmt, in dem Frau Müller die Geschäftsführerin des elterlichen mittelständischen Betriebs ist und sich Herr Müller mehr für die schönen Künste interessiert und schon seit 7 Jahren an seinem Erstlingswerk herumschnitzt, dann würde Frau Müller während des Jahres in Lohnsteuerklasse IV insgesamt 29’736 EUR Lohnsteuer zahlen, um dann bei der Einkommensteuererklärung 7’782 EUR Steuer zurückerstattet zu bekommen. Die Familie hat also jeweils pro Monat fast 650 EUR Steuern zuviel bezahlt.

Um die Rückerstattungen auf ein erträgliches Maß zu senken, ist der Gesetzgeber auf die Idee gekommen, die Kombination III/V einzuführen. Bei dieser Kombination wird derjenige in Lohnsteuerklasse III so behandelt, als gäbe es kein zweites Einkommen. Man nimmt also (gedanklich) sein Einkommen, halbiert es, schaut nach dem Steuertarif, verdoppelt diesen und zieht das Ergebnis von seinem Lohn ab. Ein Einverdiener-Ehepaar, bei dem der Verdiener in Lohnsteuerklasse III ist (was die Regel sein dürfte), bekommt am Ende des Jahres weder eine Rückzahlung, noch müssen sie etwas nachzahlen.

Was bei einem Verdiener recht gut funktioniert, geht dann beim zweiten Einkommen schief. Der Splittingtarif ist schon komplett beim Vielverdiener gebündelt, was soll man also dem geringer Verdienenden an Steuer abziehen, wenn man doch gar nicht weiss, was der Vielverdiener hat?

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WICHTIG WICHTIG WICHTIG

Ab hier findet ein Schwenk von zu versteuerndem Einkommen hin zum Einkommen statt, weil man sich nicht mehr in den 2 Grundtarifen bewegt.

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Wenn man sich die Lohnsteuertabelle für die Klasse V anschaut, dann stellt man fest, dass es da kein Existenzminimum gibt. Schon bei 5’000 EUR Jahreseinkommen werden 571 EUR Einkommensteuer fällig. Die Steuern sind nicht völlig aus der Luft gegriffen, aber auch nicht einfach in Worte zu fassen. Ich möchte an dieser Stelle das Gesetz zitieren:

§ 39b II S. 6 EStG

In den Steuerklassen V und VI ist die Jahreslohnsteuer zu berechnen, die sich aus dem Zweifachen des Unterschiedsbetrags zwischen dem Steuerbetrag für das Eineinviertelfache und dem Steuerbetrag für das Dreiviertelfache des zu versteuernden Jahresbetrags nach § 32a Abs. 1 ergibt; die Jahreslohnsteuer beträgt jedoch mindestens 14 Prozent des Jahresbetrags, für den 9 225 Euro übersteigenden Teil des Jahresbetrags höchstens 42 Prozent und für den 26 276 Euro übersteigenden Teil des zu versteuernden Jahresbetrags jeweils 42 Prozent sowie für den 200 320 Euro übersteigenden Teil des zu versteuernden Jahresbetrags jeweils 45 Prozent.

Das verstehen nur wenige und die dahinter stehenden Überlegungen versteht vermutlich keiner mehr. Vielleicht hat man irgendwelche Statistiken ausgewertet und ist zum Schluß gekommen, dass das am wenigsten Nachzahlungen und Rückerstattungen bewirkt.

So. Und jetzt wenden die Kritiker des Ehegattensplittings ein, dass man damit die Leistung des geringer Verdienenden marginalisiert, weil von seinem Brutto-Monatsverdienst in Höhe von 1’500 EUR gerade mal 801,54 EUR übrigbleiben. Der Meinung kann man durchaus sein und interessanterweise schafft die Lohnsteuerklasse V auch Allianzen, die für gewöhnlich nicht oder als Letzte genannt werden, wenn man frei 2 Parteien des Bundestags zusammenführen soll.

Sowohl die Linke als auch die FDP haben jeweils einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der die Abschaffung der Lohnsteuerklassenkombination III/V zum Inhalt hatte. (Es geht, ich kann wirklich Linke und FDP in einem Satz schreiben, ohne dass die Tastatur implodiert).

In der Tat birgt die Lohnsteuerklassenwahl III/V einige Ungerechtigkeiten (die aber grundsätzlich nichts mit dem Ehegattensplitting zu tun haben).

Die Höhe von Lohnersatzleistungen hängt maßgeblich vom Bruttogehalt und der gewählten Lohnsteuerklasse ab. Lohnersatzleistungen sind so Dinge wie

  • Arbeitslosengeld I
  • Mutterschaftsgeld
  • Elterngeld
  • Krankengeld

Ausserdem wirkt sich die Lohnsteuerklasse auf das Gehalt in der Altersteilzeit aus. Aber das führt hier jetzt wirklich zu weit 🙂

Während man zuviel bezahlte Steuern am Ende des Jahres wieder bekommt, werden die geringeren Auszahlungen bei den Lohnersatzleistungen nicht kompensiert [ein wenig schon, da es sich um steuerfreie Leistungen handelt, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen].

Diese Ungerechtigkeit könnte man abschaffen, in dem man beispielsweise für das Arbeitslosengeld einfach § 133 I Nr. 2 SGB III ändert und als Bemessungsgrundlage die Lohnsteuerklasse I nimmt. Oder man lässt das pauschalieren ganz sein und zieht die Steuer wirklich ab, so dass sie am Ende des Jahres ganz normal in die Einkommensteuererklärung einfliesst (so machen das zum Beispiel die Schweizer). Das würde natürlich einen Geldfluß von der Bundesagentur für Arbeit zum Finanzminister bedeuten, aber da fliesst eh schon viel Geld in unterschiedliche Richtungen.

Diese Ungerechtigkeiten haben allerdings grundsätzlich nichts mit dem Ehegattensplitting zu tun, sondern mit der Steuerklassenwahl.

Liest bis hier noch jemand mit? Falls ja, mach ich morgen weiter, wenn ich einen Kommentar unter dem Beitrag finde 🙂