Man kann es auch übertreiben

In der FAZ von heute darf ich lesen:

Schäuble sollte die Daten unbedingt kaufen oder eine entsprechende Vereinbarung mit den Finanzministern der Länder treffen“, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Joachim Poß der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: „Es darf auf keinen Fall Rücksicht genommen werden auf die Wählerklientel von Union und FDP, die in der Regel zu den Besitzern großer Vermögen zählt.

Im September letzten Jahres haben rund 21 Millionen Menschen ihr Kreuz bei CDU/CSU bzw. FDP gemacht. Das sind rund 34% der Wahlberechtigten.

Entweder, man legt „große Vermögen“ sehr locker aus, oder man hat ein grundsätzlich anderes Verständnis von „in der Regel“, als der Rest der Bevölkerung.

Wobei ich zugeben muß, dass ich ein Konto in der Schweiz besitze.

Wahlergebnis schon vergessen?

Wir müssen die Linke unter unserer Führung einbinden, wir müssen sie entzaubern.

Andreas Bausewein, SPD, Oberbürgermeister von Erfurt

Nur falls der Herr Bausewein das Wahlergebnis der thüringischen Landtagswahlen vom 30. August vergessen haben sollte:

  • Die SPD wurde von 195’363 Wählern gewählt und erreichte 18,5% der Stimmen
  • die Linke wurde von 288’915 Wählern gewählt und erreichte 27,4% der Stimmen.
  • Die SPD konnte 2 Wahlkreise für sich entscheiden,
  • die Linke konnte 14 Wahlkreise für sich entscheiden.

Dass die SPD in einer Koalition (rot-rot-grün), in der sie gerade mal 35% der Abgeordneten stellen würde, immer noch von einer Führungsrolle träumt, scheint ein Grund zu sein, warum sie nicht zustande kommt.

In 3 von 5 ostdeutschen Bundesländern stellt die SPD weniger Landtagsabgeordnete als die Linke. Die SPD scheint noch nicht ganz verstanden zu haben, dass die Wähler, wenn sie denn eine SPD-geführte Landesregierung haben wollten, SPD wählen würden und nicht den Umweg über eine Wahl der Linken gingen. Vielleicht reift diese Erkenntnis noch bis zum Jahr 2011 zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Dort hätte es übrigens im Jahr 2006 schon zu einer rot-roten Koalition gereicht, aber da die Linke 2 Abgeordnete mehr stellt als die SPD, wäre wieder nur die Juniorpartnerschaft herausgekommen und Juniorpartner will man als SPD wohl nur sein, wenn der grosse Bruder CDU heisst.

[Update]

In der ersten Version dieses Beitrags stand noch, dass Andreas Bausewein Oberbürgermeister von Gera sei. Man soll halt nicht ungeprüft aus Qualitätsmedien abschreiben 🙂

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Kann es mir einer erklären?

In der Zeit darf ich lesen:

Nach Ansicht von Müntefering ist die FDP-Absage «der Versuch, das Land in Lager zu spalten». Bislang sei es Brauch gewesen, dass im Prinzip alle demokratischen Parteien untereinander koalitionsfähig seien. «Wer sich davon ausschließt, muss wissen, was er tut.»

Ist jetzt die Linke nur auf Landesebene demokratisch oder bezieht er das gar nicht auf das Verhältnis SPD <–> Linke, weil die SPD ja weiß, was sie tut?

Koalitionsaussagen gelten bei anderen nichts,

die eigene Partei nimmt sie für sich selbst natürlich völlig ernst und diskutiert nicht darüber.

Die SPD hat rot-rot-grün für sich kategorisch ausgeschlossen, der FDP nimmt sie eine Absage an rot-gelb-grün nicht ab. Umgekehrt gilt das natürlich ebenfalls.

Die Grünen wollen kein schwarz-grün-gelb, trauen der FDP aber nicht zu, dass diese bei schwarz-gelb-grün ähnlich standhaft bleiben.

Eine grosse Koalition will ausser Herrn Steinbrück keiner und am Wahlabend wird dann vermutlich doch nichts anderes übrigbleiben, wenn alle mal so standhaft bleiben, wie sie es jetzt immer wieder betonen.

Wie die SPD aber jemals wieder einen Bundeskanzler stellen will, wenn die Linken weder „vernünftig“ werden, noch sang- und klanglos in der Versenkung verschwinden, weiss vermutlich nur Herr Müntefering.

SPD und Linke erreichen an Stimmen zusammen ungefähr das, was die SPD früher alleine erzielt hat. Da auch die CDU/CSU schwächelt, erreichen beide „Lager“ jeweils etwas mehr als 1/3 der Wählerstimmen. Auf die Dauer werden wir uns an 3er-Koalitionen gewöhnen müssen (wenn ich Herrn Stegners Anspruch auf das Ministerpräsidentenamt in Schleswig-Holstein richtig interpretiere, wird dass dann die bundesweit erste 4-Parteien-Koalition aus SPD,Linke,Grüne,SSW).