ein kleiner Assoziationstest.
Ehegattensplitting
Szene 1
langsame Fahrt durch eine Hamburger Elbchaussee. Die Kamera fährt auf ein hellerleuchtetes, herrschaftliches Anwesen zu und schaut durch ein Fenster. Dort liegt ein 5-fach geliftetes, fettabgesaugtes 53-jähriges Millionärsweibchen auf dem Sofa und lässt sich für den Abend, den sie champagnersaufend und kaviarfutternd auf einer Charity-Gala verbringen wird, die Nägel machen. Links hinter ihr erkennt man irgendeinen Fummel, den sie für einen 5-stelligen Preis aus irgendeiner Prachtboutique mitgebracht hat. Finanziert wird dieses Leben von ihrem Fabrikanten-Gatten, der das Geld dafür seinen unterprivilegierten, ausgebeuteten Angestellten abgepresst hat. Und vom Steuerzahler, der diese Lebensplanung dank Ehegattensplitting mit einem fast 5-stelligen Steuervorteil pro Jahr subventioniert.
Szene 2
Montag Morgen 9.45 Uhr in einem Supermarkt in Duisburg-Marxloh. Der 52-jährige, nach einem Arbeitsunfall erwerbsunfähige Frührentner Martin B. macht für sich und seine Frau, die als Kassiererin bei Aldi arbeitet, den Einkauf.
Szene 3
Überfüllter Hörsaal in einer deutschen Universität. Der 28-jährige Torben F. sitzt gerade in einer Vorlesung und möchte seinen Master of Science nachholen, nachdem er nach dem Abitur seinen Bachelor gemacht hat und 4 Jahre in einem grossen deutschen Maschinenbaukonzern gearbeitet hat. Seine 31-jährige Frau Bettina arbeitet als Controllerin bei einer Bank.
Szene 4
Nachdem sich beim Ehepaar V. das dritte Kind eingestellt hat, geht der 34-jährige Vater Dieter für insgesamt 2 Jahre in Elternzeit, während seine Frau Tanja für den Familienunterhalt sorgt.
Die SPD plant mal wieder, das Ehegattensplitting abzuschaffen, bzw. weiterzuentwickeln, was von Teilen der Basis begrüsst wird.
Die Frage, ob eine 4-köpfige Familie, bei der ein Partner 40’000 und der andere 20’000 EUR Bruttojahreseinkommen hat leistungsfähiger ist als eine 4-köpfige Familie, bei der beide 30’000 EUR Bruttojahreseinkommen haben, wird mir leider immer noch nicht beantwortet, stattdessen wird auf den Wikipedia-Eintrag zu den Argumenten gegen das Ehegattensplitting verwiesen.
Dann halt Wikipedia.
Vom Splitting profitiere in erster Linie die kinderlose Ehe, nicht aber Familien aus verheirateten Eheleuten mit Kindern. Im Gegenteil: Der Splittingvorteil fällt umso weniger ins Gewicht, je mehr Kinder in einer Familie versorgt werden müssen.
Vom Ehegattensplitting profitieren alle Paare und Familien, bei denen die Partner unterschiedlich hohe Einkommen haben. Dabei ist es völlig egal, ob da kein Kind, oder eine Volleyball-Mannschaft an Kindern zuhause ist. Das Ehegattensplitting ist aber auch nicht dafür gedacht. Es geht darum, dass der Gesetzgeber irgendwann mal davon ausgegangen ist, dass in einer Partnerschaft das Geld relativ gleichmäßig für beide Partner ausgegeben wird. Die Ehen, in denen die Gutverdienerin auf Male Urlaub macht und der schlechter Verdienende auf Malle sind vermutlich eben so selten wie die Paare, bei denen der Gutverdiener abends Lachshäppchen isst und die schlechter Verdienende altes Brot vom Vorvortag. Aber es ist halt
nur in Ansätzen wissenschaftlich untersucht worden;
Da hilft gesunder Menschenverstand wenig, wir wollen Jobs für Soziologen, Sozialpädagogen und Wirtschaftswissenschaftler, die das genau untersuchen und 70-seitige Studien anfertigen, möglichst noch gefördert mit EU-Mitteln.
Der Splittingvorteil ist im Vergleich mit einem unverheirateten Paar umso größer, je weiter die beiden Ehegatten-Einkommen auseinander liegen. Dies ergibt sich aus der Steuerprogression. Er ist am größten, wenn einer der Eheleute überhaupt kein Einkommen bezieht.
Stimmt. Die Frage ist allerdings, ob der Vergleich „verheiratet -unverheiratet“ besser ist als der Vergleich „verheiratet mit jeweils unterschiedlich hohen Einkommen – verheiratet mit jeweils gleich hohen Einkommen“. Der Gesetzgeber geht momentan zum Beispiel davon aus, dass Altersversorgungsansprüche in einer Ehe gemeinsam erwirtschaftet werden, was man daran sieht, dass bei einer Scheidung ein Versorgungsausgleich durchgeführt wird, bei dem die in der Ehe erwirtschafteten Ansprüche unabhängig davon, wer sie erwirtschaftet hat, hälftig auf die Geschiedenen aufgeteilt wird. Aber auch Dinge wie die Hinterbliebenenrente bauen ja irgendwie darauf auf, dass der überlebende Partner irgendwas für den Anspruch des gestorbenen Partners getan hat.
Würde man das Ehegattensplitting streichen und den Versorgungsausgleich belassen, würde sich ein Ehepaar, dass sich kurz vor Erreichen des Renteneintritts scheiden lässt, steuerlich besser stellen als ein Ehepaar, das verheiratet bleibt.
Das Splitting bewirke, dass sich wegen der Steuerprogression eine über eine geringfügige Beschäftigung hinausgehende Arbeitsaufnahme für einen Ehepartner kaum lohne, wenn der andere Ehepartner gut verdient.
Wenn das stimmt, dann lohnen sich Gehaltserhöhungen auch nicht, weil aufgrund der Steuerprogression und der relativ hohen Beitragsbemessungsgrenzen von 1 EUR Gehaltserhöhung gerade mal die Hälfte beim Arbeitnehmer ankommt. Ebensowenig lohnen sich Weiterbildungen, die eine höhere Tarifeingruppierung bieten, weil da das gleiche gilt. Überhaupt lohnt sich höheres Einkommen nicht, weil der Staat und die Sozialversicherungen in gewissen Regionen 53% einer Gehaltssteigerung einbehalten.
Das Ehegattensplitting bewirke in Kombination mit bestimmten Regelungen der Sozialversicherung (der beitragsfreien Familienmitversicherung, der auf das Individuum bezogenen Beitragsbemessungsgrenze und der Begünstigung von Minijobs) dass bezogen auf gleich hohe Bruttofamilieneinkommen diejenigen Ehepaare, die sich Erwerbs- und Familienaufgaben ungefähr gleich teilen, durch der Summe der Steuern und Abgaben höher belastet würden als Einverdiener- oder Zuverdienerehen.
Das stimmt teilweise, ist aber primär kein Steuerproblem sondern ein Problem der Sozialversicherungssysteme im allgemeinen und der Beitragsbemessungsgrenze im Besonderen. Dafür erwirtschaftet ein Ehepaar mit der Verteilung 40’000/40’000 EUR auch höhere Rentenanwartschaften und 2x Anspruch auf Arbeitslosengeld, was bei einem Ehepaar mit 80’000/0 EUR nicht der Fall ist. Ein Wegfall des Ehegattensplittings würde nichts an der Situation der Bevorzugung der Einverdienerfamilie ändern.
Aber es geht ja auf die Reichen (siehe Szene 1). Da kann man vermutlich Stimmung machen.
Da das Wissen, wie das Ehegattensplitting überhaupt funktioniert anscheinend relativ dünn gesät ist, werden vermutlich viele Beifall klatschen, bis sie dann bei der Abschaffung feststellen, dass der Weniger Verdienende zwar netto 190 EUR pro Monat mehr hat, der Mehr Verdienende dafür aber 280 EUR weniger.
Eines der Grundprinzipien des deutschen Steuerrechts (ich weiss, ich wiederhole mich, aber das machen die anderen ja auch) ist, dass man nach seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit besteuert wird. Da Ehepaare momentan noch ein Steuersubjekt sind (gemeinsame Veranlagung), ist es egal, welcher Teil des Paares welchen Teil zum gemeinsamen Einkommen beigesteuert hat. Es ist egal, ob die Verteilung bewusst gewählt wurde, oder aufgrund von Bildungsunterschieden entstanden ist, oder wegen der Widrigkeiten des Arbeitsmarkts aufgezwungen wurde.
Da es in Deutschland eine Steuerprogression gibt, wirkt sich das Ganze bei niedrigen Einkommen nur wenig aus und bei hohen Einkommen stärker. Das ist aber überall so.
Die Verkäuferin bei KiK zahlt wegen der Werbungskostenpauschale gerade mal 120 EUR Steuern pro Jahr weniger, dem Gutverdienenden Banker bringt sie 450 EUR Steuerersparnis. Die Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit von Sonntagszuschlägen bringt dem Meister bei Porsche 140 EUR netto mehr pro Sonntagnachtschicht, der Werkschützer profitiert für den gleichen Zeitraum gerade mal mit 48 EUR.