Steuersenkungen

Momentan geistern wieder Steuersenkungsdebatten durch den Raum. Herr Schäuble scheint irgendwo 10 Milliarden Steuern gefunden zu haben, die er nicht zu brauchen scheint und deshalb erst gar nicht erheben will. So einfach tauchen 10 Milliarden natürlich nicht auf, aber Frau Merkel möchte vermutlich ihre eigene Partei davon überzeugen, dass sie die FDP nicht komplett an die 0%-Grenze drücken will, um dann mit einer der anderen staatsgläubigen Parteien weiter zu regieren.

Das Problem mit dem deutschen Steuer- und Abgabensystem ist, dass es einfache Möglichkeiten zur Verringerung der Steuer- und Abgabenlast nicht gibt. Das liegt hauptsächlich an drei Dingen:

  1. Die Einkommensteuer steht nicht nur dem Bund zu, sondern auch den Ländern und Gemeinden.
  2. Man kann untere und mittlere Einkommen nicht gezielt durch eine Änderung des Tarifs entlasten
  3. Im unteren und mittleren Einkommensbereich wirken sich Sozialabgaben viel stärker aufs Nettogehalt aus als Steuern

Im Jahr 2010 wurden 158 Milliarden EUR Einkommensteuer bezahlt, die sich wie folgt verteilt haben:

Dem Bund steht nicht einmal die Hälfte des Aufkommens der Einkommensteuer zu, sondern nur 42,5%. Weitere 42,5% gehen an die Bundesländer und 15% an die Gemeinden. Für jeden EUR, den der Bund weniger einnehmen will, fehlt den Ländern auch ein EUR und den Gemeinden immerhin noch 35 Cent.

Da die Bundesländer mittlerweile auch Schuldenbremsen haben, hält sich die Begeisterung für die Idee einer Steuersenkung selbst bei schwarz-gelben Landesregierungen zurück. Von den Gemeinden ganz zu schweigen, die zwar nicht explizit gefragt werden, aber das Geld für Strassenausbesserungen, Kinderbetreuung und was sonst noch so als Gemeindeaufgabe definiert bzw. umdefiniert wurde, gebrauchen können.

Einfach den Verteilungsschlüssel so anpassen, dass der Bund 10 Milliarden EUR weniger einnimmt und den anderen beiden gleich viel bleibt, geht nicht, weil man dafür das Grundgesetz anpassen müsste.1

Man könnte sich natürlich eine Steuer raussuchen, die nur dem Bund zusteht, aber da bleibt nur der Solidaritätszuschlag, der allerdings auf Einkommensteuer, Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer erhoben wird. Ausserdem wird er erst fällig, wenn mehr als 972 EUR Einkommensteuer zu zahlen sind. ((§ 3 V 2. Fall SolzG)) Das sieht nicht nach einer gezielten Entlastung der unteren und mittleren Einkommen aus. Und überhaupt, wie soll das gehen, dass untere und mittlere Einkommen gezielt entlastet werden? Prinzipiell kommt jede Entlastung, die man im unteren Bereich der Einkommensteuer gewährt, allen zugute. Jeder, der ein höheres zu versteuerndes Einkommen als 13’139 EUR hat, zahlt für die „ersten“ 13’139 EUR 1’007 EUR Einkommensteuer2 . Wenn ich in diesem Bereich entlaste (beispielsweise durch Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums), dann entlastet man alle gleich, so dass man die Definition anpassen muss.

Man entlastet untere und mittlere Einkommen mehr, weil die Verkäuferin bei KiK3 durch die Reform prozentual viel weniger Steuern zahlt, als der Vorstand eines DAX-Unternehmens. 10 Milliarden verteilt auf 25 Millionen einkommensteuerzahlende Personen bzw. Ehepaare ergeben pro Jahr 400 EUR. Das ist ungefähr das, was je nach Krankenkasse in den nächsten Jahren als Zusatzbeitrag direkt durch den Arbeitnehmer zu bezahlen sein könnte. Wobei wir beim letzten Punkt wären. Der Verteilung der Abgabenlast auf Steuern und Sozialversicherung. Wenn man von der Lohnsumme ausgeht, also dem, was der Arbeitgeber für einen Arbeitnehmer zahlen muss, dann ergibt sich folgendes Bild:

Verteilung der Abgaben auf Steuern und Sozialversicherung über die Lohnkosten

Bei einer Lohnsumme von 24’000 EUR (das sind ca. 20’000 EUR Bruttogehalt) liegt der Steueranteil an der Abgabenlast gerade mal bei 19%.

Bei 20’000 EUR Bruttogehalt werden insgesamt 10’300 EUR Abgaben fällig (4’175 EUR SV-AN, 4’245 SV-AG4 , 1’880 EUR Einkommensteuer). Steuern sind in diesem Bereich nicht wirklich das Problem. Steigerungen der Sozialversicherungen (wie die 0,3% zum Beginn der Jahres 2011) wirken auf das komplette Gehalt, Senkungen des Steuertarifs nur auf den Bereich, der über 11’000 EUR liegt.

Bevor der erste EUR Einkommensteuer bezahlt wird, sind schon fast 4’500 EUR Sozialabgaben weg.

Abgabenlast über dem Bruttolohn

Eine Erhöhung der Arbeitslosenversicherung um 2% (vor 5 Jahren lag der Beitrag noch 3,5 Prozentpunkte höher als jetzt) frisst bei einem Bruttolohn von 20’000 schon 25% der möglichen Steuersenkung. Eine Erhebung von 15 EUR Zusatzbeitrag bei der Krankenversicherung sind nochmals 45% weg. Der Beitrag zur Pflegeversicherung soll bis 2015 stabil gehalten werden. Wenn dort eine Erhöhung kommt, bei der die Verteilung auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer noch offen ist, dann könnten durchaus die restlichen 30% auch noch weg sein.

Man sollte die 10 Milliarden einfach in die Tilgung stecken, wobei das ja gar keine Tilgung sondern nur eine niedrigere Nettoneuverschuldung ist.

  1. Artikel 106 III S.2 1. Fall  Grundgesetz []
  2. § 32a I Nr. 2 EStG []
  3. wenn sie denn überhaupt Steuern zahlt []
  4. wer sich wundert, dass der AG mehr zahlt als der AN, obwohl die GKV-Beiträge ja nicht mehr paritätisch verteilt sind, hat die Unfallversicherung vergessen []